Am Sonntag können rund eine Million Münchner darüber abstimmen, ob die dritte Startbahn am Flughafen gebaut werden soll. Zwar gibt es noch mehrere Einzelklagen sowie eine Petition an den Landtag.
Erweiterung des Flughafen Münchens im Erdinger Moos
Flughafen Münchens 3. Start- und Landebahn Themenseite zum 3. Terminal für den Munich Airport Franz Josef Strauß
Realistisch stoppen kann die vier Kilometer lange und 60 Meter breite Betonpiste aber nur der Bürgerentscheid. Ansonsten soll die dritte Piste 2020 nördlich der heutigen Bahnen, beginnend am Ortsrand von Attaching, in Betrieb gehen.
Nicht nur Privatpersonen, die in unmittelbarer Nähe wohnen, trifft der Ausbau hart. Seit dem Jahr 1992 sind die Baseballer der »Freising Grizzlies« Bestandteil des BC Attaching und seither einer der erfolgreichsten Vereine in Bayern überhaupt. Im Jahr 2007 haben die Baseballer mit über 1.000 Stunden Eigenleistung ihr großzügiges Baseballfeld gebaut. »Das würde mit der dritten Startbahn alles abgerissen, ebenso wie die vier Fußballplätze inklusive Stadion, sechs Tennisplätze, neun Stockschützenbahnen, unserer Sporthalle, Tennishalle und Kegelhalle sowie Kinderspielplatz und die Vereins-Gaststätte. Das wäre alles weg«, klagt Johann Hölzl leise. Der Vorstand des BC Attaching kann das alles einfach nicht glauben. Die 878 Mitglieder des Vereins in sieben Abteilungen, davon 407 Kinder und Jugendliche, haben in den vergangenen 25 Jahren Eigenleistungen im Wert von einigen Hunderttausend Euro erbracht.
Auf rund 20 Hektar bildet das Sportgelände das Zentrum des 1.100-Seelen-Dorfes Attaching, einem Stadtteil von Freising. »Alle Grundstücke des BCA liegen laut Planfeststellungsbeschluss im Entschädigungsgebiet, wo Sport dann nicht mehr möglich ist«, bedauert Hölzl. In 70 bis 100 Meter Höhe würden die Flugzeuge direkt über das Sportgelände einschweben oder beim Start in rund 200 Meter Höhe darüber fliegen. Die dritte Startbahn »wäre das Aus für den Verein«, sagt Hölzl. »Wir liegen bisher ein paar 100 Meter von der Start- und Landebahn Nord entfernt, die dritte Piste ginge direkt über Attaching. Das wären 420 Starts und Landungen am Tag über unseren Ort.
Die Landungen sind niedriger als die Türme der Frauenkirche München mit 99 Metern, die Starts auf dem Niveau der Aussichtsplattform des Olympiaturms. Wir dürfen dann keine Markisen und Sonnenschirme mehr benutzen weil die nicht die vorgeschriebene Windstärke 6 der Verwirbelungen aushalten und alle Dachziegel müssen angeschraubt werden. Nur 100 Attachinger werden finanziell von der FMG entschädigt, der Rest wird vom Lärm und Dreck vernichtet«, fasst Franz Spitzenberger, Sprecher der Attachinger Bürgerinitiative, die Situation fast resignierend zusammen.
»Es sind doch nur wenige Bürger in Attaching direkt betroffen, insgesamt vielleicht 1.000 Menschen und die kennen wir alle persönlich. Wir suchen mit allen Betroffenen im Umfeld des Flughafens das enge Gespräch und einen sehr guten Dialog. Wo es nicht anders geht von der Lärmbelastung her, da entschädigen wir großzügig«, hält Flughafen-Chef Dr.Michael Kerkloh dagegen.
Münchens Alt-Bürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) sagt, er könne das schon nachvollziehen, »dass die unmittelbaren Anlieger gegen den Bau der Startbahn Bedenken erheben. Aber diese Bedenken müssen gegen die Nachteile abgewogen werden, die gerade für die Stadt und die Region München entstehen, wenn die dritte Bahn nicht gebaut wird. Denn es geht um die optimale Verbindung Münchens mit der Welt, es geht um die weitere wirtschaftliche Entwicklung unserer Region und es geht um Arbeitsplätze, die in großer Zahl von dieser Entwicklung abhängen.« Das sind die Hauptargumente der Befürworter, die sich in einem großen Bündnis von CSU, SPD und FDP, IHK, IG-Metall, vielen Großkonzernen, den Wiesn-Wirten, Schauspielern und Promis zusammengefunden haben.
Das sich ständig erhöhende Luftverkehrsaufkommen mache die dritte Bahn unabdingbar. Für das Jahr 2025 rechne man mit etwa 590.000 Flugbewegungen ohne die dritte Startbahn, wären nur 480.000 möglich. Ein Ausbau würde München zukunftsfähig machen und weitere Arbeitsplätze mit sich bringen, 40.700 Menschen sollen es 2025 sein, die am Flughafen arbeiten. Ohne die dritte Piste wären es den Befürwortern zufolge nur 32.500 Beschäftigte, nur rund 2.000 mehr als heute.
Die Argumente der Startbahngegner
Genau diese Zahlen sind es, die die Gegner in Zweifel ziehen: »Die Flugbewegungen waren im Jahr 2011 nach einem starken Anstieg mit rund 410.000 gerade wieder auf dem Niveau von 2006. In den ersten 21 Wochen des Jahres 2012 sind sie wieder um 3,4 Prozent gesunken, wir werden 2012 also keine 400.000 Bewegungen haben.«, insistiert Dr. Christian Magerl (Grüne). Wegen des hohen Ölpreises setzten die Airlines künftig auf größere Jets als auf eine größere Flotte, die steigenden Kerosinpreise sowie Steuern und Abgaben würden die Passagierzahlen außerdem deutlich reduzieren. »Deshalb sind die Prognosen der Befürworter viel zu hoch gegriffen. 480.000 Flugbewegungen sind auf den beiden jetzigen Bahnen problemlos möglich da brauchen wir koa Dritte!«, prophezeit Magerl.
Bei den Arbeitsplätzen sage der Flughafen und sein Hauptkunde Lufthansa nicht die Wahrheit: »Beim Flughafen sind heute rund 11.000 Menschen beschäftigt, ebenso wie 2005. Und die neuen Arbeitsplätze sind Billigst-Jobs, für die es hier gar keine Arbeitskräfte gibt«, so Herbert Knur, Bürgermeister der ebenfalls stark betroffenen Gemeinde Berglern. »Im Interesse des angeblich übergeordneten internationalen Flugverkehrs wird die Existenzberechtigung von jahrtausendealten Gemeinden wie Attaching oder Berglern vernichtet!«, schimpft er. Eine weitere Sorge der Gegner ist der Naturschutz. Ein Vogelschutzgebiet müsste weichen, 340 Hektar etwa 700 Fußballplätze oder die Fläche des Englischen Gartens in München würden für die Startbahn zubetoniert. Flughafenchef Kerkloh bestätigt zwar, dass es sich um einen schweren Eingriff in die Natur handle. Im Gegenzug aber wende man aber viel Engagement auf, um den Eingriff abzumildern, ihn auf einer Fläche von 908 Hektar »auszugleichen«.
Nur Münchner dürfen abstimmen
Über den Ausbau abstimmen dürfen allerdings nur die Münchner, denn die Landeshauptstadt ist Anteilseigner des Flughafens. Am kommenden Sonntag geht es darum, wie sich München in der Gesellschafterversammlung verhält, dort muss die Entscheidung für den Bau einstimmig fallen. Ist das Bürgerbegehren gegen die Startbahn erfolgreich und beteiligen sich mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten, dann muss München mit »Nein« stimmen. OB Christian Ude (SPD), obwohl selbst ein glühender Anhänger der dritten Bahn, hat erklärt, sich in den FMG-Gremien so zu positionieren, wie die Münchner entscheiden. Der Freistaat als Hauptanteilseigner werde auf alle Fälle für den Bau stimmen, verkündete dagegen CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer. bb