Veröffentlicht am 13.08.2013 00:00

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst


Von red

Wo vor einigen Tagen noch das Getreide stand sind jetzt nur noch Stoppelfelder zu sehen. Die meisten Bauern haben nun ihre Getreideernte eingefahren und man konnte überall die großen Mähdrescher bei der Arbeit betrachten.

Hoamat Bayern – Die Kolumne von Markus Wasmeier

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Noch vor etwa 70 bis 90 Jahren hingegen war die Getreideernte eine schwere, schweißtreibende Arbeit, bei der die ganze Familie zupacken musste. Die Felder wurden von Hand mit der Sense gemäht. Wichtig war dabei die Schneid der Sense, fleißig wurde sie gedengelt, denn mit einer stumpfen Sense zu mähen war nochmal deutlich anstrengender. Doch der Schnitt war nur ein Teil der Arbeit, die geschnittenen Halme mussten gebündelt werden, eine Arbeit, die meist die Frauen und Mägde verrichteten. Aber auch die Kinder mussten bei der Ernte kräftig zupacken. Die Bündel wurden dann zu Kornmandln aufgestellt, damit das Getreide noch etwas nachreifen konnte. Danach musste das Getreide eingefahren werden und wieder war die ganze Familie auf den Beinen und half beim Verladen auf dem Feld sowie beim Einlagern in der Tenne am Hof.

Was Mähdrescher heute in einem Arbeitsschritt erledigen, musste früher Schritt für Schritt von Hand verrichtet werden. Doch nach der Getreideernte kamen gleich die Kartoffeln an die Reihe und erst danach, wenn wieder etwas mehr Zeit blieb, wurde das Korn gedroschen. Mit hölzernen Dreschflegeln wurden die Körner aus den Ähren geschlagen, ein schwere und staubige Arbeit. Noch heute sagt man: »Der isst wie ein Drescher«, denn selbstverständlich hatten die Männer am Ende eines Dreschtages großen Appetit und ebensolchen Durst. Das Korn wurde in große Säcke gefüllt und gelagert, bis man es zum Müller brachte, wo es zu Mehl gemahlen wurde. Denn das Mahlen des Korns war eine Sache für den Spezialisten. Das Handwerk des Müllers war eines der wichtigsten zur damaligen Zeit, denn ohne Mehl kein Brot. Deshalb findet man die Figur des Müller auch oft in der Literatur oder im Märchen wieder, etwa beim Rumpelstilzchen. Noch heute weisen viele Ortsnamen auf ehemalige Mühlen hin, wenngleich diese meist verschwunden sind.

Zum Müller hatte man eine besondere Vertrauensbeziehung, denn man musste sich auf seine Ehrlichkeit verlassen können, dass man auch tatsächlich alles an Mehl bekam, was man an Korn abgeliefert hatte. Aus der Zeit der Mühlen stammt der noch heute verwendete Spruch: »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst«, denn wer zuerst sein Korn ablieferte, bekam auch als Erster sein Mehl zurück. Die Mühlen wurden in unserer Gegend meist mit Wasserkraft betrieben, sodass Mühlen oft an einem Bach oder Fluss gebaut waren, was dazu führte, dass neben den offiziellen Geschäften, Mühlen auch immer interessante Orte für zwielichtige Gestalten waren. Ich denke zum Beispiel an den Mühl-Hiasl, wie der Räuber Kneissl auch genannt wurde. Denn die Mühlen standen oft abseits und allein, sodass man dort auch gut verborgen war. Ein idealer Ort eben um unentdeckt seinen Räubereien nachzugehen. Auch Haberfeldtreiber hielten ihre Versammlungen gern in Mühlen ab, denn durch das Klappern des Mühlrades konnte man die Gespräche von außen nicht belauschen.

Für uns klingt das heute sehr spannend und geheimnisvoll. Wenn Sie unser Freilichtmuseum in Schliersee besuchen, dann können Sie eintauchen in diese vergangene Zeit, die uns heute, in einer schnelllebigen Welt, sehr romantisch erscheint, in Wirklichkeit aber sehr hart war. In unseren historischen Höfen finden Sie die Werkzeuge, mit denen damals gearbeitet wurde. Wenn Sie dann einmal einen Dreschflegel in die Hand nehmen, können Sie sich vielleicht vorstellen, welch schwere Arbeit die Menschen damals bewerkstelligen mussten. Wenn Sie daraufhin den sprichwörtlichen Appetit des Dreschers bekommen, lädt unser altbayerisches Wirtshaus »Zum Wofen« ein, sich mit einer deftigen Brotzeit zu stärken und Ihren Durst können Sie mit unserem selbstgebrauten Museumsbier löschen und dazu die Schlierseer Berge genießen.

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