Josef Wintrich, von 1933 bis 1945 Vorstand des Amtsgerichts in Ebersberg und von 1954 bis 1958 Präsident des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, galt über Jahrzehnte hin als eine Persönlichkeit, die sich in der Zeit des Nationalsozialismus nicht von den „braunen“ Machthabern und deren Ideologie habe vereinnahmen lassen, als ein Mensch, der, fußend auf einem katholisch-konservativen Wertekodex, wenn schon nicht offenen Widerstand gegen die Hitler-Diktatur geleistet, so doch wenigstens unter der Oberfläche mit Hilfe der ihm zu Gebote stehenden (rechtlichen) Mittel gegen das Regime gearbeitet habe. Doch seit einigen Jahren werden die Stimmen lauter, die eine kritischere Beurteilung Wintrichs fordern, die ihn zwar nicht gleich als großen Nazi benennen wollen, aber gleichwohl der Meinung sind, er sei ein Opportunist gewesen und habe mit seinem Handeln das verbrecherische NS-System zumindest mitgetragen.
Um die Biographie Josef Wintrichs stärker als bisher auszuleuchten und zu einer ausgewogenen Betrachtung von dessen Person beizutragen, hat sich der Historiker Bernhard Schäfer in den vergangenen Monaten intensiv mit dem Leben und Wirken des Juristen in den Umbruchszeiten des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Die Ergebnisse seiner auf breiter Quellenbasis gründenden Forschungen präsentiert er nun am Mittwoch, 23. Oktober, im Zuge eines Vortragsabends des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg. Die Veranstaltung, zu der alle Geschichtsinteressierten eingeladen sind, findet im Sitzungssaal des Ebersberger Rathauses, Marienplatz 1, statt und beginnt um 19:30 Uhr. Der Eintritt ist frei.