Bis zuletzt war die Anspannung groß. Gegner und Befürworter der dritten Startbahn am Münchner Flughafen hatten keinerlei Werte vorliegen, wie der Bürgerentscheid am 17. Juni ausgehen würde. Vage hieß es, es werde knapp. Das wurde es auch. Bei den Unterlegenen überwog die Enttäuschung, auch Schuldzuweisungen wurden bereits geäußert.
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Als gegen 18.50 Uhr das Ergebnis der beiden ersten Abstimmungslokale aus Feldmoching-Hasenbergl im Kreisverwaltungsreferat (KVR) eintraf, mussten die Befürworter einen ersten Rückschlag hinnehmen. Hier hatten die Menschen zu 60 Prozent die dritte Startbahn abgelehnt. Für den Stadtbezirk sollte sich das Ergebnis letztlich auch bestätigen, allerdings war die Ablehnung hier im Verhältnis zu ganz München überdurchschnittlich groß. Als die letzten Ergebnisse gegen halb zehn am Abend eintrafen, war die Entscheidung längst gefallen. 54,3 Prozent votierten in der Stichfrage gegen die Startbahn, 45,7 Prozent waren dafür gewesen.
Flughafenchef Michael Kerkloh hält das Ergebnis des Bürgerentscheids für nicht repräsentativ und glaubt weiterhin, die Mehrheit der Münchner würde sich für das Projekt aussprechen. Es sei den Gegnern gelungen, ihre Anhänger zu mobilisieren, während unter den Befürwortern dem Bürgerentscheid eine »schweigende Mehrheit« ferngeblieben sei. Außerdem äußerte er die Befürchtung, mit dieser Entscheidung seien Zukunftschancen verspielt worden: »Falls die Kapazitätsengpässe am Flughafen bestehen bleiben, muss der Großraum München auf wichtige Zukunftschancen und
Tausende von neuen Arbeitsplätzen verzichten.«
Enttäuscht zeigte sich Daniel Föst, Vorsitzender der FDP München: »Ich befürchte, das Nein zur dritten Startbahn wird sich als Fehler für München herausstellen. Leider haben wir die Zukunftsangst der Münchner unter- und die Kraft der Fakten wohl überschätzt. Wir müssen aufpassen, dass wir in Deutschland nicht auf eine Totalblockade von wichtigen Infrastrukturmaßnahmen zusteuern. Die Welt hört nicht auf, sich zu drehen, nur weil wir stehen bleiben. Das kann uns viel kosten. Nichtsdestotrotz, die FDP respektiert das Votum der Bevölkerung, und wir erwarten dies auch von den anderen Parteien.«
Sein Parteikollege und bayerischer Verkehrsminister Martin Zeil will dagegen weiter für einen Ausbau des Flughafens streiten: »Ich bedauere das Ergebnis des Bürgerentscheids außerordentlich. Es ändert aber nichts daran, dass der Flughafenausbau dringend notwendig ist, wenn Bayerns Bürger und Unternehmen auch in Zukunft mobil und unser Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig bleiben soll. Die Staatsregierung hält daher am Bau der dritten Bahn ohne Wenn und Aber fest.« Mit dieser Positionierung im Rücken nimmt Zeil den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) in die Verantwortung. Der erklärte Startbahn-Befürworter hatte angekündigt, in der Gesellschafterversammlung ohne Rücksicht auf die eigene Überzeugung auch gegen den Ausbau zu stimmen, sollten die Münchner im Bürgerentscheid gegen die Startbahn votieren. Diese Haltung hatte Ude noch am Abend des Bürgerentscheids nochmals bekräftigt, als sich abzeichnete, dass die Münchner den Ausbau mehrheitlich ablehnen. Allerdings solle die Gesellschafterversammlung der Flughafen München GmbH erst entscheiden, wenn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof über die zahlreichen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 5. Juli 2011 geurteilt hat.
Auch Thomas Hacker, Fraktionschef der FDP im bayerischen Landtag, will den Bau der dritten Startbahn noch nicht aufgeben. Wie Kerkloh glaubt auch er, die Befürworter hätten nicht ausreichend Unterstützer mobilisiert. Dabei griff er OB Christian Ude scharf an: »Er hat versagt, anstatt seinen Münchner Bürgern deutlich zu machen, wie wichtig diese Abstimmung für ihre wirtschaftliche Zukunft ist.« Die dritte Startbahn sei mit dem Bürgerentscheid noch nicht ad acta gelegt. Hacker: »Der Bürgerentscheid bindet die Stadt München. Gemeinsam müssen wir jetzt Lösungen suchen, etwa durch Anteilsübernahmen oder den Einstieg privater Investoren, damit der für die Zukunft Bayerns so wichtige Ausbau des Flughafens doch noch möglich wird.«
Die Junge Union (JU) München hat dagegen angekündigt, nicht weiter auf den Ausbau zu drängen, obwohl sie sich im Vorfeld stark für die dritte Startbahn engagiert hatte. Gleichzeitig erklärte Günther Westner, Vorsitzender der JU München: »Wir bedauern die ablehnende Haltung der Münchner, respektieren aber ihr Votum.« Bei der Suche nach der Ursache für die verlorene Abstimmung nahm Westner ausschließlich den politischen Gegner ins Visier. »Die Münchner plagen durch rot-grüne Misswirtschaft zahlreiche Ängste: München ist die teuerste Stadt, München hat zu wenig bezahlbaren Wohnraum, München stellt zu wenig Kita-Plätze und München hat keine verkehrstechnisch ausreichende Anbindung an den Flughafen. Das alles ist den Münchnern zu viel. Sie fühlen sich von Rot-Grün im Stich gelassen. Die Angst, dass der Bau der dritten Startbahn weiter Probleme verursachen könnte, ist daher nur verständlich.«
Von derartigen Schuldzuweisungen lassen sich die Grünen nicht die Freude verderben. Katharina Schulze, eine Hälfte der Doppelsitze der Münchner Grünen, freute sich über »ein großartiges Ergebnis, für das mit viel Engagement und Motivation gekämpft wurde.« München habe ein klares Zeichen über die Grenzen der Stadt gesendet: Großprojekte um jeden Preis würden von der Bevölkerung nicht mehr uneingeschränkt mitgetragen. Ihr Mitstreiter an der Spitze der Münchner Grünen, Sebastian Weisenburger, nahm die politisch Verantwortlichen in die Pflicht: »Wir erwarten nun, dass sich alle Beteiligten an das Ergebnis des Bürgerentscheids halten.«
Die Grünen hatten sich gegen ihren Partner auf Stadtebene, die SPD, gestellt. Die SPD hatte sich für den Bau der dritten Startbahn eingesetzt und erkennt ihre Niederlage an. Hans-Ulrich Pfaffmann, Vorsitzender der Münchner SPD, bedauert die Ablehnung: »Unsere Argumente für den Ausbau, die ich nach wie vor richtig finde, waren für die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler leider ganz offensichtlich nicht überzeugend. Die politischen Befürworter der dritten Startbahn CSU, SPD und FDP konnten sich nicht durchsetzen. Die Münchner Sozialdemokraten werden diese demokratische Entscheidung selbstverständlich ohne jedes Wenn und Aber akzeptieren.« Das gelte auch für die Zeit, nachdem die Bindung der Stadt an das gestrige Votum abgelaufen ist. Für Dieter Reiter, der als OB-Kandidat für die Münchner SPD bei der Kommunalwahl 2014 antreten wird, ist die Entscheidung der Münchner unmissverständlich und bindend: »Ich werde deshalb meiner Partei vorschlagen, den Bau der dritten Startbahn nicht in das neue Kommunalwahlprogramm der Münchner SPD aufzunehmen. Damit ist sichergestellt, dass auch nach der Bindungsfrist keine Startbahn gebaut wird. Auch mit mir als Oberbürgermeister wird es keine dritte Startbahn geben.«