Veröffentlicht am 07.08.2012 00:00

Obergiesing · Abriss der Flunder


Von red
Ende des Jahres soll die »Giesinger Flunder«, das frühere Bahnhofskino aus den 50er Jahren abgerissen werden.	 (Foto: HH)
Ende des Jahres soll die »Giesinger Flunder«, das frühere Bahnhofskino aus den 50er Jahren abgerissen werden. (Foto: HH)
Ende des Jahres soll die »Giesinger Flunder«, das frühere Bahnhofskino aus den 50er Jahren abgerissen werden. (Foto: HH)
Ende des Jahres soll die »Giesinger Flunder«, das frühere Bahnhofskino aus den 50er Jahren abgerissen werden. (Foto: HH)
Ende des Jahres soll die »Giesinger Flunder«, das frühere Bahnhofskino aus den 50er Jahren abgerissen werden. (Foto: HH)

Die Tage für die »Flunder« sind gezählt. Ende dieses Jahres soll dieses herausragende Beispiel für 50er-Jahre-Architektur in Obergiesing abgerissen werden und einem weiteren Ärztezentrum am Giesinger Bahnhof Platz machen.

Thema: Adieu Giesinger Flunder

Giesing · Die Flunder, Bauwerk von 1952, muss weichen Themenseite zur Flunder, Beweis prägnanter Nachkriegsarchitektur, das abgerissen werden wird

Die »Flunder« wird jenes markante Bauwerk aus den 50er Jahren genannt, das seither die Südseite des Giesinger Bahnhofsplatzes schmückt und in den 50er Jahren als Giesinger Bahnhofskino »Baki« die Kinogänger anlockte. Seit den 70er Jahren und nach dem Ende des Kinobetriebs samt umfangreichem Innenumbau war hier vor allem eine Badezimmerausstellung beheimatet – wenigstens in der Außansicht hatte das schmucke Gebäude nur wenig von seinen Reizen eingebüßt.

Die entsprechenden Bestrebungen eines Abrisses und Neubaus bestätigte die Investa Unternehmensgruppe auf Anfrage des Südost-Kuriers. Die Baumaßnahmen an Stelle des alten Kinos sollen 2013 beginnen und nach Unternehmensinformationen binnen 14 Monaten abgeschlossen sein. Während man im Planungsreferat der Stadt das Projekt laut Sprecherin Katja Strohhäker für »schlicht zulässig« hält, weil die Festsetzungen des Bebauungsplans eingehalten würden, regte sich im örtlichen Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten zuletzt deutlicher Widerstand gegen das Projekt. Ärztliche Überversorgung vor Ort, ein weiterer Verkehrszuwachs und Parkdruck waren wichtige Bedenken der Stadtteilpolitiker. Zudem hätte man das Giesinger Wahrzeichen am Bahnhofsplatz gerne erhalten. Doch verhindern wird den architektonischen Zeitenwandel auch das Stadtteilgremium nicht mehr. Als »kräftigen Wermutstropfen« bezeichnete BA-Chef Horst Walter (SPD) Abriss und Neubau während der jüngsten Bürgerversammlung im Stadtteil. Das Gebäude sei seit vielen Jahren denkmalschutzgeeignet gewesen – »leider sind entsprechende Vorstöße auch vonseiten des BA immer gescheitert.« Nun ist es für die Giesinger Flunder endgültig zu spät.

Doch für den BA bleiben immer noch Fragen offen. Nicht nur in Fragen der Optik – weshalb man etwa für die sechs- bis achtgeschossigen Gebäudeteile des Neubaus einen eigenen Fassadenwettbewerb fordert. Besonders aber, wie eine Erhöhung des ohnehin hohen Verkehrsaufkommens und des bereits bestehenden Parkdrucks rund um den Bahnhofsplatz bewältigt werden soll, ist den Stadtviertelpolitikern anhand der Planungen nicht plausibel. Forderung des BA deshalb in der jüngsten Sitzung: Gegenüber dem Bauherrn auf der größtmöglichen Anzahl an Tiefgaragenstellplätzen zu bestehen. »Weiterer Parksuchverkehr ist der Umgebung hier nicht mehr zuzumuten – da wollen wir bei der Planung mit eingebunden werden«, lautete der Forderungstenor im BA. Doch auch mit der geplanten Situierung der Tiefgaragenzu-

und -abfahrt ist man im Gremium nicht glücklich. Eine Ein- und Ausfahrt am Nadelöhr der Schwanseestraße sei »hochproblematisch«, meinte der BA-Vorsitzende Horst Walter (SPD). »Hier droht doch beim Aufeinandertreffen von Kfz, Trambahnen, Bussen und anderen Verkehrsteilnehmern ein regelmäßiger Verkehrsinfarkt«, meinte der Stadtteilbürgermeister.

Planungen und BA-Kritik

Der Neubau am Bahnhofsplatz auf einer Nutzfläche von 4.200 Quadratmetern soll nach seiner geplanten Fertigstellung im Frühjahr 2014 im Erdgeschoss kleinteilige Einzelhandelsnutzungen ermöglichen und in den Obergeschossen Praxisflächen unterbringen. »Wünschenswert sind hier alle Nutzungen, die sich mit der Gesundheit und gesundem Leben beschäftigen«, führte Alexandra Fillibeck als Assistentin der Investa-Geschäftsleitung auf Nachfrage aus. Das Gesamtkonzept aus der Planungsfeder des Münchner Büros Steidle Architekten beinhaltet auch eine eigene Tiefgarage für das neue Anwesen. »In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Standort allen Nutzern, Angestellten und Patienten eine absolut optimale Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr mit Tram, Bus, S- und U-Bahn bietet«, so Fillibeck. »Hinzu kommt, dass eine etwaige Parkplatznot im Bereich des Bahnhofsplatzes nicht durch die gewerblichen Bauvorhaben ausgelöst wird«, betont sie. Sowohl das bestehende, ebenfalls von der Investa fertiggestellte Gesundheitszentrum Giesing als auch das Pflegeheim und der Einkaufsmarkt würden über eigene Tiefgaragen verfügen. Dadurch werde der Bedarf durchaus gedeckt. »Ein gewisser Parkdruck ist jedoch sicherlich im Bereich des Wohnbaus an der Wallbergstraße zu verzeichnen«, räumte Fillibeck ein.

Im BA dagegen war betont worden, der Parkdruck samt Parkplatzmangel habe längst auf die Bereiche rund um das bestehende Gesundheitszentrum übergegriffen. Zudem kritisierte man im Stadtteilgremium auch den Umstand, nicht über die geplante Zusammensetzung des im Erdgeschoss des Neubaus unterzubringenden Einzelhandels informiert worden zu sein. »Da bestehen Informationsdefizite«, war im BA zu hören. Zudem war man auch sauer, dass dem BA bei der Umfeldgestaltung kein Mitspracherecht eingeräumt worden sei, so BA-Chef Walter. Vor allem aber wurden im Gremium kritische Fragen formuliert, ob ein neues Ärztehaus überhaupt notwendig sei. »Aus unserer Sicht entsteht durch das geplante Vorhaben keine Überversorgung, vielmehr stellt der neue Standort eine Ergänzung des bereits existenten medizinischen Angebots dar«, hält Fillibeck den BA-Bedenken entgegen. So fehle am Standort bisher eine Facharztpraxis für Urologie oder Neurologie. Auch ein Augenarzt sei am Gesundheitszentrum Giesing ebenso wenig abzurufen wie die Kieferorthopädie, Kardiologie oder Diabetologie. »Auch fehlen ergänzende Leistungserbringer wie Psychologen, Therapeuten oder eine Ernährungsberatung«, zählte Fillibeck auf.

Auch zum Thema Bautenschutz bezog sie klar Stellung. »Das Bestandsgebäude entspricht in keiner Weise mehr den aktuellen Anforderungen, die ein Nutzer an seine Mietflächen berechtigter Weise stellen kann«, so die Investa-Sprecherin. Nicht zuletzt dadurch sei es auch zur Kündigung eines Ladenmieters dort gekommen. Eine Modernisierung des Gebäudes sei »schlichtweg nicht sinnvoll umzusetzen.« Auch bleibe derzeit die »bauliche Ausnutzung des Standortes gegenüber dem rechtskräftigen Bebauungsplan zurück.«

Die Sichtweise der Stadt München

»Der gültige Bebauungsplan aus dem Jahr 2003 setzt hier ein Kerngebiet fest, leider kein erhaltenswertes Denkmal für den 50er-Jahre-Bau – sondern hohes Baurecht«, erklärt Planungsreferats-Sprecherin Katja Strohhäker auf Anfrage. Interessant aber: »Der potenzielle Bauherr und Architekt waren vorstellig und wollten zunächst abgeklärt wissen, ob in dem Kerngebiet Wohnnutzung möglich ist – das wurde geprüft und für nicht möglich befunden«, so Strohhäker weiter. »Da hier kein Denkmalschutz greift, können wir hier jedenfalls nicht verlangen, den Gebäudebestand zu erhalten«, so die Referatssprecherin weiter. Ein detaillierter Bauantrag soll demnächst eingereicht werden. Dies bestätigte auch die Investa. Damit sind die Tage für die Giesinger Flunder wohl endgültig gezählt. Ein Streben nach Denkmalschutz käme jedenfalls dort zu spät.

Harald Hettich

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