Eine Online-Petition der »Initiative Stolpersteine für München e.V.« liefert derzeit neuen Zündstoff für die Debatte zur Errichtung von Stolpersteinen.
Gedenktafeln erinnern an die Opfer des Nazi-Regimes
München gedenkt Opfern des Nazi-Terrors Themenseite gegen das Vergessen
Rund 80.000 Bürger haben unterzeichnet, darunter Prominente wie die Filmproduzentin Doris Dörrie, der mit der Schauspielerin Senta Berger verheiratete Regisseur Michael Verhoeven und der Kabarettist Christoph Süß. Doch der Stadtrat wird voraussichtlich am Verbot von Stolpersteinen im öffentlichen Raum festhalten und plant einen Münchner Sonderweg. In mehr als 1.200 Städten und Gemeinden in 19 Ländern erinnern insgesamt 54.000 kleine Messingplatten auf dem Boden mit Inschriften an die von den Nazis deportierten und ermordeten Juden. Doch in München gibt es diese Form des Gedenkens nur auf privatem Grund, etwa in der Widenmayerstraße im Lehel, der Haydnstraße in der Ludwigsvorstadt und der Viktor-Scheffel-Straße in Schwabing. Im öffentlichen Raum hat der Stadtrat das Anbringen von Stolpersteinen vor rund zehn Jahren für unzulässig erklärt.
Seit Ende des vergangenen Jahres wird das Thema nun erneut diskutiert. Initiiert hat die Debatte die Stadtratsfraktion der Grünen. Ziel sei gewesen, Stolpersteine zu erlauben, wenn dies von den Angehörigen der Opfer gewünscht werde, erklärt Florian Roth, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Einen Beschluss hierzu werde der Stadtrat bis zur Sommerpause verabschieden. Jedoch sei damit zu rechnen, dass es in München auch in Zukunft keine Stolpersteine im öffentlichem Raum geben werde, sagt Christian Vorländer, Fachsprecher gegen Rechtsextremismus bei der SPD-Stadtratsfraktion. Grund dafür seien vor allem die Einwände der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), die die Mahnmale aufgrund ihrer Platzierung am Boden als würdelos und verletzend empfinde. »Darüber können wir uns nicht hinwegsetzen«, erklärt Vorländer.
Umstritten seien die Stolpersteine auch im Stadtrat. Bei einem so sensiblen Thema sei eine Änderung der bisherigen Regelung aber nur bei einem breiten Konsens sinnvoll, der trotz intensiver Gespräche nicht erreicht worden sei. Er habe großen Respekt vor den Befürwortern des Projekts, betont Vorländer: »Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.« Jedoch zeichne sich ab, dass München einen eigenen Weg des Gedenkens beschreiten und auf Stolpersteine verzichten werde.
Geplant sei statt dessen, künftig Tafeln mit den Namen der Opfer an Hauswänden und Stelen zu errichten. Zur Debatte stehe zudem ein großes Mahnmal neben dem NS-Dokumentationszentrum mit der Auflistung aller Nazi-Opfer aus München, wie es bereits in dem Gang zwischen der Synagoge und dem jüdischen Gemeindezentrum am Sankt-Jakobsplatz existiert. Hierfür gebe es im Stadtrat eine breite Zustimmung, so Vorländer.
Terry Swartzberg, Vorsitzender der Initiative »Stolpersteine München e.V«, hält den Münchner Sonderweg indes für keine geeignete Lösung. Die Form des Gedenkens durch Stolpersteine sei in ganz Deutschland und Europa bereits fest etabliert, erklärt er. Durch Tafeln und Stelen hingegen würden bürokratische Hindernisse geschaffen, die vor allem für die im Ausland lebenden Angehörigen der Opfer nur schwer zu bewältigen seien. Etwa 90 Prozent der insgesamt 7.000 Opfer des NS-Terrors würden so von dem Projekt ausgeschlossen, sagt Swartzberg. Für die Stolpersteine spreche außerdem, dass sich Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, dafür ausgesprochen habe, diese besonderen Mahnmale nun endlich auch in München zuzulassen. Er gehe davon aus, dass der Stadtrat seine Haltung noch einmal überdenken werde.
Roth sieht zumindest eine kleine Chance für die Aufhebung des Stolpersteinverbots. Seine Fraktion werde dafür stimmen, die Mahnmale auf dem Boden zu erlauben. »Wenn sich die Mitglieder von SPD und CSU bei der Entscheidung nach ihrem Gewissen und nicht nach der Parteidisziplin richten, ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass dafür eine Mehrheit zustande kommt«, so Roth. Julia Stark