Noch ist es nur ein Gedankenspiel eine Ringbahn für München, die endlich die einzelnen Stadtteile verbindet. Doch eine von zwei an der TU München beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern erarbeitete Studie zu »Perspektiven für den Schienenverkehr im Großraum München« könnte die Lösung bringen.
Ein Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf dem Münchner Norden, dessen besserer Verkehrserschließung und der möglichen Errichtung eines Regional- und Fernbahnhofs »Olympiakreuz«.
Aber zunächst zum Grundkonzept: Die Ingenieure Simon Herzog und Dennis Atabay haben sich mit der Einrichtung einer Ringlinie beschäftigt, die in einer Stunde doppelt so viele Menschen wie der Mittlere Ring befördern könnte und die zentrumsnahen Stadtteile verbände. Die Fahrzeiten zwischen diesen würden sich hierdurch stark verkürzen. Vom Oberwiesenfeld zum BMW Forschungszentrum bräuchte man dann nur noch drei statt der bisherigen 17 Minuten.
Die Idee einer Ringbahn scheint naheliegend: Im Straßenverkehr gibt es den Altstadtring und den Mittleren Ring. Vielleicht gibt es eines Tages auch einen Ringschluss der A 99. »Was für den Schienenverkehr fehlt, ist letztlich eine Analogie zum Mittleren Ring«, erklärt Simon Herzog, der das Konzept im Wesentlichen erdacht hat und sich auch beruflich mit der Zukunft der Mobilität auseinandersetzt. »Für den Schienenverkehr wäre eine solche Infrastruktur genauso sinnvoll, da gibt es aber noch nicht einmal den ersten Ring«, so Wissenschaftler Herzog weiter. Gerade die S-Bahn- und U-Bahn-Knotenpunkte in der Innenstadt sind durch die zentralistische Linienführung in München zu Stoßzeiten häufig überlastet. Alle Wege führen ins Zentrum. Nun muss jedoch nicht jeder täglich in die Innenstadt, muss den Umweg über sie dennoch nolens volens in Kauf nehmen. Eine weniger auf das Stadtzentrum ausgerichtete Führung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) scheint vielen hiervon Betroffenen wünschenswert, nicht zuletzt auch zu dessen Entlastung.
Schon vorhandene Infrastruktur könnte für die angedachte Ringbahn genutzt werden: Zwei Drittel der Schienenwege und Bahnhöfe bestehen bereits, ebenso sieben der 15 vorgesehenen S-Bahnstationen. So soll etwa die vom Westen kommende Güterzugtrasse von der Landshuter Allee/Triebstraße nach Unterföhring für den ÖPNV nutzbar gemacht werden.
Der Vorschlag ist jedoch über den Münchner Tellerrand hinaus gedacht: Eine verbesserte Flughafenanbindung bildet ein weiteres zentrales Element des Konzepts, dessen »Herzstück« der Bahnhof Olympiakreuz ist, der am nördlichen Ende der Landshuter Allee läge. Dieser Bahnhof wäre als Drehscheibe für den Fernverkehr vorgesehen, der die Vernetzung des boomenden Münchner Nordens nachhaltig verbesserte. Gleichzeitig schüfe er eine Einbindung des Flughafens in Bayerns Bahnnetz.
Von hier aus könnten S-Bahnen und Schnellzüge parallel zur A 92 zum Flughafen und nach Niederbayern fahren, wobei die Lerchenau hierfür untertunnelt werden soll. Elf Minuten würde die Fahrzeit zum Flughafen von hieraus betragen, acht zum Hauptbahnhof, zehn nach Pasing und 32 Minuten nach Augsburg. Auch eine Anbindung zur U3 könnte es hier geben. Die Anbindung an den Flughafen für den Standort München Nord (und das nördliche Umland) ist laut den Forschern erstrebenswert, denn hier sitzen mit BMW, den Stadtwerken und Knorr-Bremse viele große Arbeitgeber. Kurzum: Der Münchner Norden bekäme mit dem Olympiakreuz einen Bahnhof, der dessen wirtschaftlicher Bedeutung gerecht würde und der den Mobilitätsbedürfnissen der hier lebenden Menschen entspräche.
Ein Bahnhof muss sowohl mit dem Auto, zu Fuß als auch mit dem Fahrrad gut erreichbar sein. Nachhaltige Mobilitätsformen spielen daher in dem Vorschlag ebenfalls eine besondere Rolle. Durch die Lage wäre die Einbindung in das Münchner Radlnetz gegeben. Man könnte hier auch Carsharing oder sogar autonomes Fahren mit Elektrofahrzeugen anbieten, welches Simon Herzog als interessantes Erprobungsfeld für den im Münchner Norden ansässigen Automobilhersteller bezeichnet. Der Flächenverbrauch für Parkmöglichkeiten könnte hierbei gering gehalten werden, da keine riesigen Parkhäuser gebaut werden müssten. Für viele klingt es zwar noch wie Zukunftsmusik, doch die selbstfahrenden E-Automobile könnten nachts eigenständig Ladestationen anfahren, erklärt Wissenschaftler Herzog.
Nicht nur die Bewohner des Münchner Nordens könnten von einer Verkehrsdrehscheibe Olympiakreuz profitieren, auch den Menschen, die etwa in Haar oder in Trudering wohnen, brächte sie nach der Studie Vorteile. Es wäre beispielsweise sehr attraktiv, im Osten zu wohnen und im Norden zu arbeiten: Man könnte bereits am Ostbahnhof oder am Leuchtenbergring in die Ringlinie umsteigen, sodass nicht umständlich übers Zentrum gefahren werden muss. Ähnliches gilt für den Nordosten, der Teil der Ringlinie würde. Von Johanneskirchen bräuchte man zum BMW Forschungszentrum nur noch acht Minuten, statt der bisherigen 40. Vergleichbares gilt für Daglfing und Engelschalking.
Die Anrainer in Ober- und Unterschleißheim, in Eching und Neufahrn wären ebenfalls besser angebunden: Denn das Konzept sieht eine Streckenführung vom Olympiakreuz entlang der A92 vor, der Fern- und Regionalverkehr soll von dieser aufgenommen werden. Hierdurch könnte die bisherige Strecke der S1 entlastet werden, sodass, wenn das Gleis nur noch für die S-Bahn genutzt wird, diese auch im Zehn-Minuten-Takt fahren könnte. Auch der Ausbau der U6 von Garching nach Neufahrn wäre laut dem Ingenieur Herzog nur dann sinnvoll, wenn die S1 diesen stabilen und engeren und somit attraktiveren Takt führe. Von Garching aus käme man dann ebenfalls sehr viel schneller zum Flugha-fen. Unabhängig vom Bau einer zweiten Stammstrecke scheint es vielen nicht verkehrt, wenn auch zwischen den Stadtteilen S-Bahnen verkehrten. Für die Ringbahn sollten daher schon Abzweigungen zum späteren Anschluss an die Stammstrecke angelegt werden, sodass sollte sie denn dann kommen hier der Betrieb nicht lahmgelegt würde, erklärt Herzog.
Die Idee einer Ringbahn ist nicht neu. Neu ist aber der Vorschlag, den Münchner Norden als Kreuzungspunkt in günstiger Lage nicht nur in das Nah-, sondern auch in das Fernverkehrsnetz einzubinden. Der Flughafen der Metropolregion München erhielte hierdurch Anschluss an den Fernverkehr. Eingebettet in den Vorschlag ist ein Mobilitätskonzept für den Münchner Norden, dessen Kern die Ringbahn werden könnte.
Noch ist es nur eine Idee, die Simon Herzog und Dennis Atabay für die Verkehrsbedürfnisse Münchens im 21. Jahrhundert ausgearbeitet haben. Vielleicht ist es aber genau der fruchtbare Ansatz, der den Straßenverkehr dauerhaft entlastet und gleichzeitig Druck vom angespannten Münchner Miet- und Immobilienmarkt nimmt. Katja Brenner