Jetzt ist es passiert: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, Fahrverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge sind ein gesetzeskonformes Mittel, um die Luftqualität in besonders betroffenen Kommunen zu verbessern.
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Wann und wie diese Fahrverbote umgesetzt werden, ist noch völlig offen. Diskutiert wird eine einheitliche Lösung durch Einführung einer blauen Umweltplakette. Doch auch individuelle Lösungen der Kommunen hinsichtlich zeitlicher und räumlicher Begrenzung der Fahrverbote sind denkbar. Darüber hinaus wird diskutiert, ob es Ausnahmeregelungen geben soll, zum Beispiel für Gewerbebetriebe und den Nahverkehr.
Autohersteller werden von mehreren Seiten in die Pflicht genommen
Grundsätzlich betroffen ist auch München. Auch hier gibt es keinen Plan, den die Stadtverwaltung jetzt aus der Schublade ziehen könnte. Was es aber gibt, sind zahlreiche Stellungnahmen zu dem Urteil, die jedoch kaum Rückschlüsse auf das weitere Vorgehen zulassen. So erklärt der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU): »Das Urteil wird weitreichende und schwierig umzusetzende Folgen für die Landeshauptstadt München haben. Die Umsetzung von pauschalen Fahrverboten wird längere Zeit dauern.
In dieser Zeit muss der Bundesgesetzgeber für einen verträglichen Übergang sorgen: mit der Fortschreibung der Umweltzone mit Übergangsfristen und Ausnahmetatbeständen. Wirtschaftsverkehr ist für die Landeshauptstadt München unerlässlich. Pauschale Aussperrungen sind Gift für unsere Wirtschaft. Und wir können weder Bürgerinnen und Bürgern, die das Auto privat nutzen, noch den Unternehmen auf einen Schlag die Luft abdrehen.«
Jens Röver, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Stadtrat: »Mit diesem Urteil haben wir die schlechteste aller Lösungen: Die Verantwortung und die Belastung werden auf die Städte und die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt. Nun wissen wir also, dass in Städten mit überschrittenen Grenzwerten straßenbezogene Diesel-Fahrverbote verhängt werden können. Nur leider bringt uns das in München rein gar nichts. Denn straßenbezogene Fahrverbote helfen uns kein Stück weiter. Was wir brauchen und wollen, ist eine faire, wirkungsvolle und bundesweit einheitliche rechtliche Grundlage, um die Umweltzone um Regeln für Diesel-Fahrzeuge zu erweitern. Die Autohersteller müssen schmutzige Diesel technisch mit einer sauberen Abgasanlage nachrüsten und die Kosten dafür tragen.«
Genauso sieht es der ADAC: »Hardwareseitige Nachrüstung muss endlich Bestandteil des Lösungspakets zur Stickoxidminderung werden, damit in möglichst vielen Städten keine Fahrverbote erforderlich werden. Auch ohne rechtliche Verpflichtung sollten die Hersteller ihrer Verantwortung gerecht werden und die Autos ihrer Kunden nachrüsten. Die Verbraucher dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben«, so ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker.
Der Automobilclub »Mobil in Deutschland« bezeichnet die die Gerichtsentscheidung als Fehlurteil. Präsident Dr. Michael Haberland: »Ein Erlass von Fahrverboten hat mit lösungsorientierten Handlungen im Sinne der Autofahrer rein gar nichts zu tun. Jetzt muss die Politik endlich aktiv werden und einen klaren Kurs angeben. Wir brauchen bei dieser Thematik realistische Grenzwerte und eine vernünftige wissenschaftliche Untersuchung. Mobilität ist ein Grundbedürfnis und das darf auf keinen Fall gefährdet werden.«
Der Handelsverband Bayern (HBE) sieht durch ein Fahrverbot negative Folgen auch für seine Mitglieder aus dem Einzelhandel in den Innenstädten. »Die Innenstädte müssen für die Kunden erreichbar bleiben. Fahrverbote bedeuten für den Handel schmerzhafte Umsatzverluste«, so HBE-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Puff. »Fahrverbote sollen die Belastung mit Stickstoffdioxid senken. Doch ist eine solche Maßnahme reine Augenwischerei, da sie die Luftqualität in den Innenstädten wenig bis gar nicht verbessert«, kritisiert er.
Auch die IHK München und Oberbayern sieht Nachteile für ihre Mitglieder. Hauptgeschäftsführer Peter Driessen: »Kleine und mittelständische Unternehmen würde das besonders treffen, denn sie verfügen nicht immer über die notwendigen Mittel, ihre Fuhrparks kurzfristig zu erneuern«. Rund drei Viertel aller leichten Nutzfahrzeuge fahren laut IHK mit Dieselantrieb. Der tägliche Wirtschaftsverkehr in Innenstädten wäre mit einem Ausschluss von Dieselfahrzeugen nicht mehr möglich.
Skepsis und Ablehnung von Diesel-Fahrverboten überwiegen, doch das Leipziger Urteil sorgt besonders beim »Bündnis für saubere Luft in München« für Zustimmung. Allerdings will man auch hier die Konsequenzen nicht den Bürgerinnen und Bürgern aufbürden. Die Politik müsse nun vor allem der Automobilindustrie klare Rahmenbedingungen setzen.
Wie durch die »Dieselgate«-Affäre bekannt geworden sei, bringe diese »mit flächendeckenden Betrügereien und Tricksereien nach wie vor Kraftfahrzeuge auf die Straße, die geltende Grenzwerte um ein Vielfaches überschreiten«.
Bündnis-Sprecher Andreas Schuster fordert: »Der Bund muss nun echte Hardwarenachrüstungen auf Kosten der Verursacher, also der Hersteller, erlassen.«
Seit fast zweieinhalb Jahren ist der Abgasskandal bekannt. Geändert hat sich bisher nichts. Mit dem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht den Weg für Änderungen geebnet. Dass jetzt bald wegweisende und effektive Entscheidungen getroffen werden, ist nicht zu erwarten.