Kundgebungen und gar Demonstrationen sind eher selten im sonst immer noch so beschaulichen Brunnthal. Doch am Dienstag vergangener Woche war es zwischen Dorfladen und Grundschulaula zumindest eineinhalb Stunden lang mit der relativen Ruhe vorbei. Gleich zwei gegenpolige Demonstrationen zum gleichen Thema Windkraft, aber aus höchst unterschiedlichen Blickwinkeln waren angekündigt und angemeldet worden. Die triste November-Nacht-Stimmung wurde durch Fackelschein erhellt, durch eine Vielzahl von Plakaten und Bannern optisch unterbrochen und durch Trillerpfeifen und Megaphone beschallt. Das Thema Windkraft und das Pro und Contra einer Situierung von zumindest vier Windkraftanlagen im Hofoldinger Forst hatte immerhin rund 200 Bürger mobilisiert. In der Wahl der Örtlichkeit denn auch nicht ganz zufällig. Denn gleich nebenan in besagter Schulaula tagte zeitgleich die Arbeitsgemeinschaft Windernergie Hofoldinger Forst ( Arge) mit den Vertetern der dort angeschlossenen vier Gemeinden Aying, Brunnthal, Otterfing und Sauerlach sowie mit Landrat Christoph Göbel. Denn auch die Landkreise München und Miesbach sind dieser Arge vor einigen Jahren auf Wunsch der Kommunen beigetreten.
In der Sitzung drinnen und unter Ausschluss jener breiten Öffentlichkeit draußen tagten die Gemeinde- und Kreisvertreter vor allem zu zwei Themenkomplexen. So ringt Brunnthal neben einer weiteren Arge-Mitgliedschaft vor allem auch um die Mitunterzeichnung eines Standortsicherungsvertrages mit dem Freistaat und dessen Staatsforsten. Während die anderen drei Kommunen sich bereits im Vorfeld auf eine Unterstützung dieses Papiers geeinigt hatten, soll in Brunnthal die endgültige Entscheidung erst am heutigen Mittwoch im Gemeinderat (19.30 Uhr, Rathaus) fallen. Von den Beratungen am vergangenen Dienstag ließen die Beteiligten wie Brunnthals Bürgermeister Kern (CSU) auch auf Nachfrage noch nichts nach außen dringen. Im Gemeinderat soll zumindest die Abstimmung über den Arge-Verbleib öffentlich erfolgen.
Spannender als drinnen gestaltete die Situation am letzten Dienstag ohnehin draußen. Bereits im Vorfeld hatte die Polizei die konkurrierenden Demonstranten voneinander getrennt. Als Fazit in Sachen Sicherheit und Ordnung konnte die Polizeiführung immerhin konstatieren, dass alles friedlich blieb im Brunnthaler Ortskern. Die große Mehrheit war auf Initiative der breit gefächerten Opposition im Brunnthaler Rathaus gekommen, die bekanntlich in einer breiten Phalanx aus UBW, PWB, SPD und Grünen den Unternehmer Jürgen Gott als Kerns Gegenbewerber um den Rathauschefsessel bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr etablierten. Diese Phalanx betonte erneut ihre klare Ablehnung von jeglichen Windkraftanlagen im Hofoldinger Forst. „Wir sind nicht gegen Windkraft – aber gegen eine solche in einem Schwachwindgebiet, wenn zudem noch die Natur und der Erholungsraum dort zerstört werden“, betonte Protest-Initiator Siegfried Hauser (PWB). Gleich nebenan waren Ortsgruppe-München-Vertreter von Fridays for Future (FfF) mit weiteren Thema-Sympathisanten gekommen. Sie sehen die Dinge konträr. Auf Windkraft dürfe mit Blick auf eine energetische und umweltpolitisch dringend gebotene Erneuerung „nicht verzichtet werden“, betonten deren Teilnehmer. Positiv blieb im Rahmen der unterschiedlichen Proteste, dass abgesehen von einigen programmatischen Sangesduellen und Trillerpfeifen-Einlagen alles friedlich blieb. Zwar klopften einige Teilnehmer an die Scheiben des Arge-Versammlungslokals. Aber ein Eklat blieb aus. Das Thema ist auch zu komplex, um durch bloße Polemik oder Pfeifarien ausreichend reflektiert zu werden. „Mir geht es auch um den Schutz des Forstes“, hatte etwa Rathauschef Kern auf dem Weg zur Arge-Sitzung im Gespräch mit Protestierern betont. Aber gerade nur durch den Standortsicherungsvertrag im Zusammenwirken der Arge könne man großflächige und überschwellende Bebauung des Forstes mit Windkraftanlagen durch private Betreiber verhindern. Kern verwies erneut auf den Umstand, dass gerade im Standortsicherungsvertrag eine Begrenzung auf „eine Anlage pro Gemeinde“ fixiert sei. Ansonsten sei eine privatwirtschaftliche Ausschreibung und Anlagen-Wildwuchs zu befürchten. „Ich will auch keine Dutzende von Anlagen im Sichtfeld“, so der Rathauschef. Aber den Erfordernissen der Zeit mit einer geänderten Energiepolitik gelte es Rechnung zu tragen. Eine Sicht, mit der Kern im Zwiegespräch mit Windkraft-Gegnerin Ruth Riha nicht punkten konnte. „Die Ökobilanz der Windkraft ist doch schlecht“, betonte sie. Die „tiefen Eingriffe in Flora und Fauna im Forst“ seien schon deshalb nicht nachvollziehbar. Wechselte man einige Meter zur Gegen-Demo, war die Argumentation eine andere. „Den vierzigfachen Nutzen einer Windkraftanlage mit Blick auf den energetischen Output im Vergleich zur Anschaffung kann man doch nicht von der Hand weisen“, argumentierte der erfahrene Windanlagen-Planer und Befürworter Frank Winkler. „Windkraft macht auch im Wald Sinn“, ergänzte Aeneas Luft von FfF. Man dürfe aus deutscher Sicht nicht die Verantwortung für zeitgemäße Umweltpolitik „immer an andere delegieren“ und den energetischen Wechsel „ansonsten von vorneherein ablehnen“. Einig wurden sich die Beteiligten erwartungsgemäß nicht. Chöre vom „Hände weg vom Wald“ der einen kollidierten mit dem „Für die Windkraft stehen wir fest zusammen“ der anderen. RedHe