Veröffentlicht am 03.06.2009 13:20

„Es besteht großer Beratungsbedarf”


Von SB
Schult Münchens Standesbeamte: Sub-Berater Sacha Hübner. (Foto: pi)
Schult Münchens Standesbeamte: Sub-Berater Sacha Hübner. (Foto: pi)
Schult Münchens Standesbeamte: Sub-Berater Sacha Hübner. (Foto: pi)
Schult Münchens Standesbeamte: Sub-Berater Sacha Hübner. (Foto: pi)
Schult Münchens Standesbeamte: Sub-Berater Sacha Hübner. (Foto: pi)

„Heiraten“ dürfen sie schon seit 2001. Nur wo sich Homosexuelle in Deutschland das Ja-Wort geben dürfen, ist von Bundesland zu Bundesland noch immer völlig unterschiedlich geregelt. In Bayern waren bislang allein die Notare zuständig; im Sommer dürfen Lesben und Schwule hierzulande erstmals auch zum Standesamt. Das hat die FDP durchgesetzt, mit der sich die CSU seit vergangenem Jahr die Regierungsgewalt teilen muss. Ihre 51 Standesbeamten hat die Stadt München deshalb kurzerhand zu einer Fortbildung der besonderen Art geschickt. Sub und LeTRa, Münchens Schwulen- und das Lesbenzentrum Lesbentraum, klären die Amtsträger über die Besonderheiten gleichgeschlechtlicher Lebensweisen auf. In vier Schüben geben sie - in Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen - noch bis Juni eintägige Workshops. Die Unsicherheiten unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind groß.

Herr Hübner, was soll denn schiefgehen, wenn sich im Standesamt statt Mann und Frau einfach zwei Frauen bzw. zwei Männer die Treue schwören?

Das kann man sich in der Tat fragen. Schließlich geht’s da wie bei Mann und Frau um die Liebe zweier Menschen zueinander. Aber es sind eben die Details, die den Unterschied ausmachen.

Zum Beispiel?

Viele fragen uns, wer denn der Mann in der Beziehung ist, wenn sie zwei Schwule verpartnern sollen. Dem wollen sie dann den Ring überreichen. Und erst das Thema Küssen…

Sie dürfen die Braut jetzt küssen!

Dieser Satz verbietet sich natürlich, wenn vor dem Amtsträger zwei Männer stehen. Bauchschmerzen macht unseren Teilnehmern aber noch mehr die Frage, ob sich Männer nach der Vermählung überhaupt öffentlich küssen dürfen. Zum Beispiel, wenn da eine türkische Hochzeitsgesellschaft im Nebenzimmer sitzt.

Homophobe Türken treffen auf schrille Transvestiten.

Jede Minderheit hat mit ihren eigenen Ressentiments zu kämpfen. Es besteht wirklich großer Beratungsbedarf. Deshalb freuen wir uns auch so darüber, dass die Stadt München die Notwendigkeit sieht und ihre Beamten zu uns schickt. Viele wissen ja nicht einmal, ob sie die Wort ‚lesbisch’ oder ‚schwul’ gebrauchen dürfen.

Haben die Beamten Angst, ihre Klienten zu verletzen?

Auch. Allerdings schämen sich einige einfach. Wie überall in unserer heterosexuell geprägten Gesellschaft haben Klischees und Stereotypen über die Jahrhunderte hinweg ihre Wirkung getan. Eine gleichgeschlechtliche Hochzeit ist vielen unangenehm. Die denken dann wirklich, da kommen Hunderte leicht gekleidete Drag Queens in den Saal und sprengen die Veranstaltung. Wir versuchen, mit diesen Vorstellungen aufzuräumen.

Kennen die Standesbeamten Homosexuelle denn persönlich?

Die meisten eben nicht. Gleich zu Beginn des Workshops klären wir sie daher über das Coming-out und die Diskriminierungen auf, die Lesben und Schwule auch heute noch vielfach erfahren. Ein Beispiel: Studien zeigen, dass nicht wenige Deutsche ohne Probleme der Aussage zustimmen würden, dass ihnen in der Gegenwart Homosexueller körperlich übel wird. Wenn wir diesen Satz aber generell auf Frauen beziehen und unsere Teilnehmer dann mit der Aussage konfrontieren, geben plötzlich alle zu, dass man das von Fall zu Fall beurteilen muss. So brechen wir die Klischees auf. Hoffen wir jedenfalls!

Und was raten Sie nun im Fall der Ringübergabe?

Jeder Standesbeamte kann sich auf seine Intuition verlassen, wenn er sensibel genug für Menschen ist. Und das sind ja die meisten schon von Berufs wegen. Wer den Ring bekommt, lässt sich mit dem „Ehe“-Paar vorab unkompliziert klären. Natürlich dürfen sich die Partner auch küssen, das Liebesbekenntnis ist öffentlich. Darum geht es ja bei einer Hochzeit. Zu vermeiden sind grundsätzlich Rollenklischees.

Funktioniert das?

Ich glaube schon; das zeigt das Feedback. Eine Standesbeamtin zum Beispiel hat sich nach dem Workshop vor versammelter Menge bei uns bedankt. Angst habe sie vorher gehabt vor den Leuten, die sie da aufklären sollen. Sie meinte: ‚Jetzt freu ich mich richtig auf meine erste gleichgeschlechtliche Trauung.’ Das ist natürlich toll!

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