„Mein Herz schlägt links“, hatte Oskar Lafontaine (Die Linke) vor Jahren in einer von ihm verfassten Kolumne in „Bild” bekannt. „Mein Herz schlägt auf dem rechten Fleck“ verlautbarte kurz darauf Peter Gauweiler (CSU) in einem Meinungsbeitrag im selben Blatt. Die Kontrahenten von einst sind durch ihre Kolumnen zu Freunden geworden. Nor kurzem traten die Beiden nun unter dem Slogan „Kontroverse um Deutschlands Zukunft“ im Rahmen des Wahlkampfes zum nächsten Bundestag im Paulaner-Saal auf dem Nockherberg als politische Wettbewerber gegeneinander an. „Nicht etwa als Duellanten”, wie Gauweiler betonte.
Er erteilte der gängigen Praxis in Wahlkämpfen, den wunden Punkt des Gegners zu treffen, eine klare Absage: „Die Lage ist zu dramatisch und zu ernst, um sich mit Scheißhausthemen zu befassen.“ Und erklärte: „Man muss nicht politisch einer Meinung sein, kann sich aber trotzdem menschlich befreunden.“ Der CSU-Bundestagsabgeordnete begrüßte seinen „linken” Kollegen als den „mutigsten Mann des Abends”, weil „der sich in die Höhle des schwarzen Löwen gewagt hat.“ Der war allerdings mit „Oskar! – Oskar!“-Rufen empfangen worden. Woraufhin Gauweiler seine Anhänger mobilisierte: „Ja sind vielleicht auch noch ein paar CSU-ler da?“ Überdies begrüßte der „schwarze Peter“, wie er sich selbst nennt – ungewöhnlich bei einem solchen Treffen – „die Grande Dame Bayerns aus dem bürgerlichen Lager“, Hildegard Hamm-Brücher, ehedem Mitglied der FDP, als Ehrengast.
Die zwei Rhetoriker, die temporeich und spannend zu Themen der Außen- und der Sicherheitspolitik, zur Wirtschaftskrise und zur Gesellschaftspolitik argumentierten, rissen das Publikum mit. Linke und Rechte waren in Scharen gekommen. Viele von ihnen mussten den Schlagabtausch im Stehen verfolgen. Es bereitete offenbar allen großes Vergnügen, zu erleben, wie die Parlamentarier ihre unterschiedlichen Positionen leidenschaftlich und mit Humor darstellten. Oder zu hören, wie sie Gemeinsamkeiten betonten. „Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, werden wir das auch mal so stehen lassen“, erklärte Gauweiler.
„Ich halte Krieg nicht für ein Mittel der Politik“, so eines der Statements Lafontaines zur Sicherheitspolitik. Er lehne ebenfalls „humanitäre Interventionen“ ab, weil dabei Tote in Kauf genommen werden müssten. Das Geld, das dafür ausgegeben werde, setze die Weltgemeinschaft besser ein, um Hunger, Krankheiten und Seuchen auf der Erde zu bekämpfen. Kriege jedoch würden heutzutage vor allem geführt, um sich die immer knapper werdenden, Reichtum verheißenden Rohstoffe, zu sichern. Die Konsequenz aus zwei „Weltkriegen” in einem Jahrhundert, müsse für die Politiker der Bundesrepublik bedeuten, eine friedliche Zusammenarbeit an die erste Stelle ihrer Arbeit zu setzen. Peter Gauweiler hatte sich in der jüngsten Vergangenheit bereits gegen militärische Einsätze bundesdeutscher Soldaten im Irak und in Afghanistan ausgesprochen. Anders als Lafontaine befürwortet er „humanitäre Interventionen“. Als Beispiel für ein solches Vorgehen nannte der Christsoziale die entführten Schiffe mit Geiselnahmen vor Somalia: „Eine Handelsmacht von der Größe Deutschlands sollte mit eigenen Mitteln ihre Schiffe freikriegen.“
Auf dem Höhepunkt des Zusammenbrechens von Banken, Sparern zu garantieren, ihre Einlagen seien gesichert, ist für Gauweiler eine „goldrichtige Entscheidung“ der Großen Koalition. Das, was zu einer wirksameren Aufsicht über die sogenannten Kreditinstitute beschlossen worden sei, halte er aber für völlig unzureichend: „Der Verkauf von Krediten muss unterbunden werden.“ Er missbilligt das Bilanzsystem, das in der Europäischen Union praktiziert wird. Frisierte Bilanzen erweckten den Eindruck, es seien Riesengewinne erzielt worden. Die aber stünden nur auf dem Löschpapier. Dadurch verschafften sich Manager Bonuszahlungen. Deshalb müsse der nächste Bundestag das System ändern. Lafontaine ergänzte: „Geld regiert die Welt.“ Und er fragte: „Warum machen die Banken weiter wie bisher? Warum werden wieder Boni an Manager gezahlt? Warum werden nach wie vor kriminelle Geschäfte gemacht?“ Seine Antwort: „Die Gesetze machen nicht die Bundestagsabgeordneten, die machen sich die Banken selbst.“ Dem stimmte Gauweiler kopfnickend zu. Für den Vorsitzenden der Linken gibt es nur eine Möglichkeit, die Macht der Banken zu begrenzen: „Alle Gesetze und Verordnungen zur Deregulierung des Kapitalverkehrs müssen zurückgenommen werden.” Das aber wolle die Bundesregierung nicht. Es werde „nur gequatscht und die nächste Finanzblase vorbereitet”.
Zum Schluss der Diskussion gab Lafontaine einen Denkanstoß zum Thema Umwelt. Er stellte „mit Blick auf die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder“ die Frage, ob bei allen damit verbundenen Belastungen der Umwelt, die Profite weniger Nutznießer Jahr für Jahr gesteigert werden müssten. Er sei davon überzeugt, dass auch das Wachstum der Wirtschaft irgendwann an seine Grenzen stoße. Lafontaine: „Ich provoziere mit dem Wort ‘genug’.“ Klar sei für ihn, dass die Erträge aus dem Wachstum gerecht verteilt werden müssen. Seine Utopie: „Eine Gesellschaft der Freiheit und Gleichheit, bei der die Nächstenliebe ein zentraler Wert ist.“ Dass Rechts und Links nicht zwangsläufig im Widerstreit miteinander liegen müssen, hatte Gauweiler mit einer Metapher belegt: „Der Unterschied liegt auf der Hand. Die rechte, die praktische, braucht die andere zum Gegensteuern, weil die beiden Hälften etwas mit Ergänzung zu tun haben.“