Karl Obermayer, 1888 in Starnberg geboren, hat vier Jahre Musik studiert und sich gern mit Theologie beschäftigt. Er galt als „verschroben-dement“, weil er sich mal einen Knödel aus 30 Semmeln machen ließ, seine Kaninchen durch die Stadt trieb und gern nächtliche Seebäder nahm. Verhängnisvoll ist aber dann die Beurteilung, dass Karl für eine „regelrechte Arbeit“ nicht zu gebrauchen sei. 1913 lieferte man ihn in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar ein, 1940 wurde er in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz verlegt, wo er wohl nicht an „Typhus“ starb, wie die Papiere behaupten, sondern im Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten ermordet wurde. Georg Bichler, Landwirt aus Gilching, war durch einen Unfall ein Pflegefall geworden, damit als unnützer Esser gebrandmarkt. Er kam erst nach Haar, dann nach Hartheim, wo er an „Lungentuberkulose“ starb. Maximilian Erhardt aus Walchstadt, Diagnose mittlerer Schwachsinn, warf sich am 29. Dezember 1936, seinem 22. Geburtstag, vor den Zug, nachdem ihm die Zwangssterilisation angekündigt worden war.
50 Menschen aus dem Landkreis Starnberg haben die Nationalsozialisten auf dem Gewissen, wie die Herrschinger Archivarin Dr. Friederike Hellerer recherchiert hat. „Es ist ein besonders bedrückendes Kapitel der unrühmlichen Auswirkungen der NS-Ideologie“, sagte Hellerer anlässlich der Eröffnung der Ausstellung im Landratsamt. Vorgestellt werden auf Schautafeln nicht nur die Hintergründe der Euthanasie, sondern auch die Schicksale von zehn Männern und Frauen. Lange habe sie überlegt, wie das schwierige Thema präsentiert werden könne, so Hellerer. Da die Ausstellung anschließend in Schulen und Rathäuser wandert, seien die Tafeln eher nüchtern gehalten, dafür aber sollten die Personen, die dieses Leid erfahren haben, ihren Namen wiederbekommen und ihre Geschichte, soweit sie rekonstruierbar ist, erzählt werden.
Hellerer berichtete über die Hindernisse in ihrer dreijährigen Recherchearbeit. Der Zugang zu den Dokumenten war oft schwierig, Akten nur vereinzelt überliefert, auch die Haltung der Angehörigen der Opfer ambivalent. „Nicht alle sind davon erfreut, dass man ihre Verwandten aus der Vergangenheit holen möchte. Bis heute ist die Tatsache, dass es in der Familie eine wie auch immer „behinderte“ Person gegeben hat, manchen Menschen unangenehm und peinlich.“ Die Geschichte von Karl Obermayr findet sich übrigens nicht auf den Tafeln. Als die Einladung zur Ausstellung in der Zeitung erschien, hat Hellerer einen Anruf bekommen, ob sie wisse, dass auch er ein Euthanasie-Opfer war. Auf der Web-Plattform des Landratsamts soll nun eine Seite eingerichtet werden, auf der sein Schicksal nachgelesen werden kann.