Zähneknirschen, in Fachkreisen Bruxismus genannt, ist mittlerweile zu einer richtigen Volkskrankheit geworden. Jeder vierte Bundesbürger, so schätzen Experten, leidet an dieser nächtlichen unbewussten Aktivität der Kiefermuskulatur, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Der Sendlinger Anzeiger sprach mit Dr. Johann Eichenseer von der Zahnärztlichen Tagesklinik in der Boschetsrieder Straße 72 über Ursachen und Behandlungsmethoden.
Herr Dr. Johann Eichenseer, man spricht von der Volkskrankheit „Zähneknirschen”. Ist das ein Phänomen unserer Zeit oder gab es das schon immer? Der Mensch ist heutzutage massiven Einflüssen ausgesetzt: Stress, Umweltbelastungen, aber auch Kronen und Brücken aus Keramik, die für den Körper Stress darstellen. Die Gesamtheit der Belastungen ist heutzutage einfach höher als früher und deswegen diese Häufung an Bruxismus.
Was sind die Ursachen für Bruxismus? Die Ursachen sind in der Regel nicht auf ein Einzelereignis zurückzuführen. Viele Gründe zusammen ergeben das Ergebnis. Die häufigsten sind jedoch Stress, zu hohe Füllungen oder einfacher ausgedrückt die gesamte heutige Lebensweise. Wobei man in der Regel nicht das Glück hat, einen einzelnen Grund zu finden. Ich vergleiche das immer mit einem überlaufenden Fass. Welcher Tropfen es zum Überlaufen gebracht hat, ist nicht so wichtig. Es kommt darauf an, dass man etwas dagegen unternimmt.
Wie kann man erkennen, dass man mit den Zähnen knirscht? Zum Beispiel daran, dass die Zähne stärker abgenutzt sind als normal, dass man in der Früh mit Gesichtsverspannungen und Kopfschmerzen aufwacht oder dass Keramik-Kronen Abplatzungen haben. Aber auch Rückenschmerzen können ein Anzeichen dafür sein, dass jemand mit den Zähnen knirscht.
Was hat denn der Rücken mit den Zähnen zu tun? Man muss sich immer vorstellen, der Körper hat drei Grundebenen: Hüfte, Kiefergelenk und Augen, auf die er ausgerichtet ist. Wenn ich mich hinstelle, bewirkt die statische Muskulatur, dass ich eine Haltung einnehme, die nach diesen Ebenen ausgerichtet ist. Wenn zum Beispiel die Hüfte schief ist, dann sind die Augen schief und der Kopf muss gegensteuern. Der Körper versucht derartige Fehlstellungen immer zu kompensieren. Dass Zähneknirschen kann eine dieser Reaktionen sein. Aus diesem Grund schicken wir jemanden, der ein massives Problem mit dem Zähneknirschen hat, zunächst einmal zum Osteopathen, der versucht die wahren Ursachen zu bekämpfen. Erst dann führen wir die notwendigen Korrekturen im Mundbereich durch.
Wie erfolgt dann die zahnmedizinische Behandlung? Die Zähne werden ja durch das Knirschen sehr abgenutzt. Das heißt, es fehlt an Zahnsubstanz. Der Biss muss angehoben werden. Man nimmt dazu eine Schiene, die der vorherigen Höhe des Bisses entspricht. Dann versucht man das Kiefergelenk in eine bestimmte Position zu bringen, um die Schiefstellung zu beheben. Die Schiene ist aber nur ein Provisorium. Zum Schluss baut man die Zähne mit Brücken und Kronen wieder auf.
Muss man das Zähneknirschen behandeln lassen? Ja, auf alle Fälle. Es ist einfach ein Hinweis. Der Körper redet mit einem. Man darf das nicht nur negativ bewerten. Schmerz ist zum Beispiel genauso ein Aspekt der Körpersprache, wie das Zähneknirschen der Ausdruck bestimmter Probleme ist.
Wie lange dauert eine solche Behandlung? Sie kann bis zu einem halben Jahr dauern, aber auch länger. Manche Menschen müssen sogar lebenslang eine Schiene tragen, weil die Zähne so abgenutzt sind, dass man die Schiefstellung nicht mehr beheben kann.
Werden die Kosten eigentlich von der Krankenkasse übernommen? Ja, die Kasse bezahlt die Grundbehandlung. Manchmal kann es aber sein, dass die Behandlung so aufwendig ist, dass zugezahlt werden muss. Bei uns in der Tagesklinik sind aber in der Regel keine extra Zuzahlungen notwendig.