Mut und Ausdauer, Kampfgeist und Streitbarkeit zeichnen starke Frauen aus. Die Pionierinnen, die sich vor 20 Jahren an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) erstmals dafür einsetzten, dass Frauen in Lehre und Forschung den Männern gleichgestellt werden, mussten diese Tugenden in Hülle und Fülle besitzen. Anders hätten sie sich in der von Männern dominierten Universitätslandschaft kein Gehör verschaffen können. Mit dem 1988 neu gefassten Bayerischen Hochschulgesetz ist das Amt der Frauenbeauftragten an bayerischen Hochschulen sowohl auf der Ebene der Fakultäten als auch auf der der Hochschulen eingerichtet worden. Das Jubiläum „20 Jahre LMU-Frauenbeauftragte“ war am vorigen Montag Anlass für ein Fest im Senatssaal der Ludwig-Maximilians-Universität. Dazu waren viele ehemalige und nun amtierende Frauenbeauftragte sowie ihre Mitarbeiterinnen gekommen. Professorin Renate von Heydebrand war die Frau, die genügend Mut, Ausdauer, Kampfgeist und Streitbarkeit in sich vereinte, um als erste Frau an der Münchner Universität ein solch dornenreiches Amt zu übernehmen.
Die männlichen Strukturen der Hochschule machten es ihr und den ihr nachfolgenden Kolleginnen nicht leicht. Sie wurden abgelehnt und bespöttelt, persönlich angegriffen, als Emanzen und Rabenmütter abgetan. Ihr Einsatz für eine, beiden Geschlechtern gerecht werdende Universität war der eigenen Karriere ganz und gar nicht förderlich. Renate von Heydebrand, die mittlerweile emeritierte Literaturwissenschaftlerin, weiß davon ein Lied zu singen. Sie sagt: „Wer sich mit Autoritäten anlegt, wird nicht überall geschätzt.“ Margit Weber, seit 2006 amtierende Frauenbeauftragte und Sprecherin der Frauenbeauftragten an den neun bayerischen Universitäten, forscht und lehrt an der Katholisch-Theologischen Fakultät. Sie geht davon aus, dass das Klima heute frauenfreundlicher geworden ist, als es einst in den Anfängen war: „Offene Diskriminierung oder offene Angriffe bekommt heute keine mehr zu spüren.“ Mut und Beharrlichkeit bräuchten Frauen aber nach wie vor. Von tatsächlicher Gleichstellung der Frauen in Wissenschaft und Forschung könne keine Rede sein. Die 46-jährige: „Da drängt sich der Gedanke an eine zumindest zeitlich befristete Quote für den Anteil von Berufungen auf Professuren und Lehrstühle auf.“
Es sei viel bewegt und verändert worden, die Wirklichkeit jedoch sehe so aus, dass „wir immer noch der Frauenförderung bedürfen“, erklärte an diesem Abend Professor Bernd Huber, Präsident der LMU. Der Anteil der Frauen unter den Studierenden liege bei fast 63 Prozent. Aber nur 25 Prozent der Studierenden, die sich habilitierten, zählten zum weiblichen Geschlecht. Noch ungünstiger sehe es bei den Professuren aus. Huber berichtete, heuer seien von 43 neu berufenen Professoren gerade neun Frauen gewesen. Der LMU-Präsident: „Die nächsten 20 Jahre Frauenarbeit sind also vorgezeichnet.” Und: „Wir von der Universitätsleitung unterstützen den Gedanken der Gleichstellung.“ So wolle die LMU im Rahmen der Exzellenzinitiative herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen bei deren Karriere bis hin zu einer Professur mit dem Programm „LMU-Mentoring“ fördern. Dabei stünden den Frauen dann erfahrene Professorinnen zur Seite.
Die Tatsache, dass Frauen nach wie vor unzureichend in der Hochschulleitung vertreten sind, haben bei Margit Weber Zweifel daran aufkommen lassen, dass das nach 20-jährigem Kampf für die Frauen wirklich ein Grund zum Feiern ist. Nur zögerlich erhöhe sich der Frauenanteil bei den Professuren, so Weber. „Waren im Jahr 1988 nur 1,8 Prozent aller Lehrstühle und nur 5,5 Prozent aller Professuren der LMU mit Frauen besetzt, so beträgt der Anteil an Professorinnen an der LMU im Jahr 2008 immer noch erst zwölf Prozent, der Anteil an Lehrstühlen gar nur 9,5 Prozent.”
Die 46-Jährige betreibt ihr Amt mit dem Ideal, an der Universität einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit unter den Geschlechtern zu leisten. Es bewegt sie die Frage: „Mit welchem Recht ist die Universität weitgehend von Männern dominiert und warum verzichtet man in Lehre und Forschung auf das Potenzial der Frauen?“ Margit Weber: „Sicher bin ich nicht ‚gegen Männer’ angetreten, aber gegen Unrecht und ungerechte Strukturen.” Die Universität müsse nicht nur in Forschung und Lehre, sondern gleichfalls in ihren inneren Abläufen zu Innovationen im Verhalten und im Umgang miteinander, zu einer Gleichstellung von Mann und Frau finden.
Das Wort „Kampf“ zieht sich durch die „Streiflichter“ ehemaliger Frauenbeauftragter an der LMU. Kampf um angemessene äußere Arbeitsbedingungen, Kampf um innere Akzeptanz: das Antrags- und Stimmrecht in allen Entscheidungsgremien sowie die Berücksichtigung des Geschlechts in Statistiken und Prüfungsordnungen. Was die erste Frauenbeauftragte Renate von Heydebrand noch kaum zu träumen gewagt hatte, ist heute Wirklichkeit. Heydebrand: „Sie haben Stimmrecht im Senat und in der Berufungskommisson. Sie können selbständig ein Budget verwalten, es gibt ein Frauenbüro und professionelle Kinderbetreuung.“ Sie habe noch ohne Telefon und Kopierer auskommen müssen. Aber: „Wir saßen in der Nähe der Hochschulleitung.“
Als die treibende Kraft für die Sache der Frauen sieht sie die Frauenbewegung der 70er Jahre. Eine weitere Schubkraft sei das Geld: „Nur wenn Universitäten mit Finanzmitteln belohnt oder bestraft werden, wenn der Frauenanteil steigt, geschieht etwas.“ Dem hängt die kämpferische alte Dame noch einen „ketzerischen Gedanken“ an: „Würden die akademischen Berufe an den Universitäten noch schlechter bezahlt, stiege der Frauenanteil.“ Es gehe nicht darum, den Männern etwas wegzunehmen, es gehe um einen Gewinn für Frauen und Männer. Sie fordert eine grundlegende Bewusstseinsänderung. Margit Webers Wunsch für die Zukunft: „Ich wünsche uns und der LMU einen Paradigmenwechsel.“ An ihre Vorgängerinnen, Renate von Heydebrand, Hadumod Bußmann und Edda Ziegler sowie die Physikerin und Professorin für medizinische Psychologie Ulla Mitzdorf richtete sie die Worte: „Ich danke Ihnen für Ihren Mut in den vergangenen 20 Jahren.“