Veröffentlicht am 11.02.2010 10:10

Ist die Schule noch zu retten?


Von US
Viele Schüler nutzten den Abend um ihren Unmut über die G8-Schule zum Ausdruck zu bringen. „Wir sind Eure Versuchskaninchen“, beschwerten sie sich. (Foto: US)
Viele Schüler nutzten den Abend um ihren Unmut über die G8-Schule zum Ausdruck zu bringen. „Wir sind Eure Versuchskaninchen“, beschwerten sie sich. (Foto: US)
Viele Schüler nutzten den Abend um ihren Unmut über die G8-Schule zum Ausdruck zu bringen. „Wir sind Eure Versuchskaninchen“, beschwerten sie sich. (Foto: US)
Viele Schüler nutzten den Abend um ihren Unmut über die G8-Schule zum Ausdruck zu bringen. „Wir sind Eure Versuchskaninchen“, beschwerten sie sich. (Foto: US)
Viele Schüler nutzten den Abend um ihren Unmut über die G8-Schule zum Ausdruck zu bringen. „Wir sind Eure Versuchskaninchen“, beschwerten sie sich. (Foto: US)

„Wir sind gekommen, um Ihnen zuzuhören“, ermunterte Stadträtin Ursula Sabathil die rund 250 an Schulreform interessierten Zuhörer im Großen Saal des Alten Wirts in Obermenzing. So wie ihr Stadtratskollege Josef Schmid und CSU-Bezirksvorsitzender Otmar Bernhard zeigte sie die CSU-Forderungen auf, wie das bestehende Schulsystem inklusive des achtstufigen Gymnasiums zum Laufen kommen könnte.

Von flexibler Einschulung war da die Rede, von flächendeckenden Ganztagesklassen in München, Migrationsforderungen, von der neuen Mittelschule, aber auch von praktischen Dingen wie Raumnotstand, schlechter Toilettensituation oder mangelnder Schulreinigung, worin die Stadt München kein Geld stecke wolle.

Sabathil brachte einen dicken Packen von Anträgen an den Stadtrat mit, die in der nächsten Zeit von der CSU-Fraktion durchgesetzt werden sollen. „Es geht um die richtige Schule für jedes Kind“, so Sabathil.

Politisches Gerangel

Der Hauptredner des Abends, Staatsminister für Unterricht und Kultus Ludwig Spaenle, nannte sein Ziel eine zukunftszugewandte und zukunftsöffnende Schule. Von der Einschulung bis zum Schulabschluss müsse ein kompatibles Schulsystem bereitstehen. Besonderes Augenmerk läge jetzt allerdings auf dem G8, da sich der erste G8-Jahrgang dem Abitur nähere. „Wenn ein System vom Papier in die Praxis geht, gibt es immer Spannungen und Nachbesserungen“, warb er um Verständnis.

Ein aufgebrachter Vater argumentierte: „Ich höre immer nur Kürzungen und Niveausenkungen – ich habe einen Anspruch darauf, dass meine Kinder gut beschult werden. Mir ist es egal, wer zahlt.“ Anschuldigungen an andere Parteien würden einfach keinem weiterhelfen. Da sei sehr wenig konstruktives Handeln zu erkennen.

Kritik hagelte es auch von anderen Seiten. „Wann wird die Scharnierfunktion der Grundschule endlich abgeschafft? Ich sehe da nur Chaos in den Köpfen der Eltern“, meinte ein Zuhörer. „Wie kommt man überhaupt dazu, das dreigliedrige Schulsystem aufrechtzuerhalten? In der Technik weiß man schon lange, dass zu viele Schnittstellen immer hinderlich sind“, schimpfte er.

Grundschule als „Quetschtrichter“

Grundschullehrerin und Schulpsychologin Barbara Oppermann zählte ihre Erfahrungen auf: „Depressionen, Kopfschmerzen, Übelkeit – damit kommen die Grundschüler zu mir.“ Das größte Problem sei, dass keiner Zeit habe. „Keine Zeit fürs Lernen, keine Zeit, Wahrnehmungen von sich selbst zu entwickeln, keine Zeit für Beziehungen. Denn Lernen ist nichts anderes als Beziehungen aufbauen.“

Die Grundschule sei längst zum Quetschtrichter verkommen. Im schmalen Korridor der Leistungsanforderungen könnten die Grundschüler leicht den Tritt verlieren und wären dann „schnell draußen“. Auch Kollegen kämen häufig in die Sprechstunde, „wie sollen die denn auch die Motivation für diesen wunderbaren Beruf aufrecht erhalten?“

Angesichts des politischen Gezerres und permanenten Hü und Hott der Reformen mache Schule alles andere als Spaß. „Die Schule nimmt einen Raum bei uns ein, der beängstigend ist“, meinte eine Mutter und forderte endlich Entschleunigung.

Kann Schule Spaß machen?

„Wir haben alle soviel Lebenserfahrung, warum können wir nicht gemeinsam eine funktionierende Schule entwickeln, die Spaß macht?“, ergänzte eine weitere Mutter. „Aber Schule ist leider immer noch der undemokratischste Ort“, schränkte sie gleichzeitig ein.

Von Lust und Leichtigkeit war auch bei den vielen anwesenden Schülern keine Rede. „Ich bin kein Verweigerer und möchte ein gutes Abitur. Mit 34 Wochenstunden habe ich überhaupt keine freie Zeit mehr“, kritisierte eine Elftklässlerin im Bert-Brecht-Gymnasium und berichtete von den langen Tagen und Wochenenden, um den Stoff halbwegs zu verinnerlichen. „Und meine siebenjährige Schwester hat schon in der dritten Klasse Angst ins falsche Töpfchen zu kommen.“

Trotz der vielen Kritikpunkte und dem Schulärger, der sich im Publikum Luft machte, dankte Spaenle für die Offenheit und will die begonnene Diskussion fortsetzen: „Ein solcher Abend ist eine ganz wichtige Wegmarke für uns. Das Thema Schule ist eben nur gemeinsam zu schaffen. Wir werde alle Ihre Anregungen mitnehmen.“

north