Eine bittere Frage: „Wie sieht Armut in München aus?“ Meryem Rebel kennt die Antwort: „Armut ist unter anderem daran zu erkennen, dass die Menschen, die es getroffen hat, nicht auf soziale Kontakte zurückgreifen können. Sie ziehen sich aus Scham zurück.” Und schlimmer noch: „Auch das Umfeld zieht sich oft zurück.“ Die Einzelhandelskauffrau hilft in ihrer freien Zeit jenen in ihrer unmittelbaren Umgebung, die nicht aus dem Vollen schöpfen können. So manches Mal mag sie kaum glauben, woran es fehlt: An einem aufmunternden Wort, an einem Gespräch, das erkennen lässt, dass Anteil genommen wird. Aber ebenfalls ganz profan – ein Kühlschrank, ein Bett, ein Sofa, eine Matratze, ein Telefonanschluss oder eine Küche. Sie organisiert mit wenig oder, wie sie es nennt „null Geld“, das, was Betroffene etwas glücklich und zufrieden macht. Ihnen Auftrieb gibt. Die 41-Jährige engagiert sich ehrenamtlich bei der Aktion „Geht doch!“ des Sozialbürgerhauses Laim/Schwanthalerhöhe in der Dillwächterstraß 47. Die ist vor einem Jahr der Beauftragten für Bürgerschaftliches Engagement in der Sozialregion Laim und Schwanthalerhöhe, Christina Fanselau, eingefallen. Die arbeitet meistens gemeinsam mit drei Ehrenamtlichen. Sie koordinieren und unterstützen Bedürftige beim Beschaffen und Organisieren von Gebrauchsgegenständen. Solche Art von Hilfe brauchen Hartz IV-Empfänger, kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Alte und Behinderte. Kurzum: Menschen, die bei den Sozialarbeitern des Sozialbürgerhauses gemeldet sind. Fanselau: „Die Leute haben kein Geld und sie wissen oft nicht, wie und wo sie die Sachen, die sie dringend benötigen, günstig bekommen können.“ Das Projekt „Geht doch“, durch das ihnen unter die Arme gegriffen wird, habe sich dabei bewährt. Durch den Einsatz Ehrenamtlicher habe sie zehn Familien helfen können, sagt Fanselau. Die Zahl Hilfswilliger reiche allerdings „leider bei weitem nicht aus”. Die Ansprechpartnerin für Bürgerschaftliches Engagement bittet deshalb Männer und Frauen aller Altersgruppen, besonders aber jene mit handwerklichen Fähigkeiten und Führerschein, Zeit für andere zu opfern.
„Bisher hat alles wunderbar geklappt“, stellt Meryem Rebel fest. Sie schätzt an ihrer ehrenamtlichen Arbeit, dass sie in kein starres Konzept gezwängt ist und flexibel sein kann. So hat sie für eine Mutter und deren Sohn im Gebrauchtwarenhaus „Weißer Rabe“ ein Bett besorgen und übers Internet dazu passende Matratzen bestellen können. „Danach haben wir noch einen Kaffee getrunken und uns unterhalten. Wir hatten Spaß an diesem Tag“, erinnert sie sich. Und: „Es tut den Leuten gut, mit anderen Menschen zusammenzukommen, Neues zu erfahren und nicht nur zu Hause zu sitzen.“ Christina Fanselau hat sämtliche Adressen gesammelt, unter denen günstig eingekauft werden kann. Meryem Rebel erzählt, sie sammle auch in ihrem privaten Umfeld. Eigentlich habe sie im Sozialbürgerhaus eine Tagesmutter für ihre vierjährige Tochter und ihren sechsjährigen Sohn gesucht. Dabei sei sie von Christina Fanselau angeworben worden. Eine Tagesmutter habe sie zwar nicht gefunden, sie sei jedoch in anderer Hinsicht reich beschenkt worden. Denn: „Es kommt im Leben alles zurück. Wer Freude schenkt, bekommt Freude zurück.“ Ihr gebe ihr freiwilliger Einsatz Kraft und Energie. Ähnliches hört Christina Fanselau oft von „den Ehrenamtlichen”. Da heiße es immer wieder: „Wer etwas für andere tut, tut gleichzeitig etwas für sich. Und der Erfolg ist sofort sichtbar.“
„Wir beraten, begleiten und unterstützen Menschen in der Region in allen möglichen Problemlagen. Wir sehen, woran es fehlt und versuchen gezielt zu helfen“, skizziert Fanselau die Aufgabe der Bezirkssozialarbeit und der ARGE im Sozialbürgerhaus. Sie bringe Leute, die Hilfe brauchen mit solchen zusammen, die bereit sind, sich für andere einzusetzen. Fanselaus Ziel: ein Pool mit ehrenamtlichen Helfern, die je nach Neigung und Bedarf zum Einsatz kommen. Die Sozialarbeiterin sagt: „Jeder Mensch, der sich auf welche Weise auch immer in seinem Stadtteil engagieren will, ist herzlich willkommen.” Einzige Voraussetzung dafür sei ein polizeiliches Führungszeugnis. Die Kosten dafür würden vom Sozialbürgerhaus übernommen. Aktuell sucht Fanselau dringend jemanden, der einem 14-jährigen Hauptschüler Nachhilfeunterricht in Mathematik erteilen kann. Ein 15-jähriger Realschüler müsse in Mathematik, Deutsch und Englisch gefördert werden. „Anfragen für Nachhilfe sind verhältnismäßig häufig“, erklärt Fanselau. Wer sich ehrenamtlich betätigen will, hat am Mittwoch, 26. November, zwischen 14 und 18 Uhr, im Sozialbürgerhaus Mitte, Schwanthalerstraße 62, die Gelegenheit, sich darüber im Einzelnen beraten zu lassen. Christina Fanselau ist unter der Telefon-Nummer 233-41 719 Ansprechpartnerin für Münchnerinnen und Münchner, die sich ehrenamtlich engagieren wollen.