Beim TSV 1860 München läutet im Vorfeld der Mitgliederversammlung die Wahlkampfglocke immer lauter. Hasan Ismaik, Kreditgeber und Anteilseigner der aus dem Mutterverein ausgegliederten Profifußball-Gesellschaft, bietet derzeit in der Öffentlichkeit fast täglich steigende Millionensummen für den Fall, dass das vom ihm präferierte „Bündnis Zukunft 1860” und sein persönlicher Statthalter Athanasios „Saki” Stimoniaris an der Wahlurne das Rennen machen. Zu wählen ist von den Mitgliedern in zwei Wochen der Verwaltungsrat des gemeinnützigen Vereins.
In einem wunderlichen Video, das Ismaik selbst im Internet veröffentlichte, steht er in T-Shirt und kurzer Hose, eine Zigarre zwischen den Fingern, auf einem Balkon irgendwo im Voralpenland und erklärt: „Ich bin bereit für ein Investment in Höhe von 100 Millionen Euro, damit wir 1860 München wieder groß machen. Nur, es muss sich etwas ändern.” Nach Ansicht des Jordaniers soll sich vor allem die personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrats ändern, von dem Ismaik glaubt, er stünde seinen hehren Zielen ebenso im Weg wie Präsident Robert Reisinger. Ismaiks Botschaft stieß auf mediale Aufmerksamkeit, zog jedoch ebenso öffentliche Kritik nach sich.
Mit Andersdenkenden unter den Fans der Weiß-Blauen diskutiert Ismaik auch mal persönlich auf Social Media. Gefällt ihm nicht, was er dort liest, postet er als Antwort munter ein obszönes Mittelfinger-Emoji oder lässt einen Anhänger, der sich befremdet ob dieser Kommunikation zeigt, wissen: „Das ist mein Club, nicht dein Club. Verlasse ihn und suche dir einen anderen Club. Wir wollen dich nicht und wir wollen keine Leute wie dich.”
Mittlerweile ist Ismaik persönlich in München eingetroffen, kündigte sogar an, die Mitgliederversammlung besuchen zu wollen. In der Suite eines in der Innenstadt gelegenen Luxushotels empfängt er am laufenden Band Gäste und lässt die Öffentlichkeit an seinen Erlebnissen teilhaben. Eine seiner ersten Einladungen galt den Fußballheroen Fredi Heiß, Bernd Patzke und Hansi Reich, die 1966 die Deutsche Meisterschaft mit dem TSV 1860 München gewannen. Das von Ismaik sichtlich beeindruckte Rentner-Trio tat ihm den Gefallen und posierte zusammen für ein Video mit Wahlaufruf.
Für den Umgang mit vereinspolitischen Gegnern hat Ismaik einen Plan, den er im Beisein der „Meisterlöwen” laut auf Arabisch in eine Kamera diktierte: „Wir müssen PRO1860 und die Ultras zerstören”. Sein aus dem Off zu hörender Übersetzter wirkt irritiert von der drastischen Wortwahl seines Auftraggebers und schwächt geistesgegenwärtig in der Übersetzung ab, nuschelt etwas von „die richtigen Leute sollen an der Macht sein, um 1860 wieder erfolgreich zu machen”.
Als Fanportale den tatsächlichen Wortlaut publizieren, wirft ihnen Ismaik in einem Interview mit der Münchner Abendzeitung vor, ihre Interpretation sei absurd, bezichtigt sie der Lüge und erklärt: „Ein diplomierter Übersetzer wird diese Fehlinformation […] schnell entlarven”. Den hatten dann flugs die Fans gefunden. Ein vereidigter Gerichtsübersetzer bestätigt schriftlich, Ismaik spricht im Video zweifellos davon, seine vermuteten Gegenspieler zerstören zu wollen.
Die „richtigen Leute”, das sind für Ismaik die Vertreter der Gruppierung „Bündnis Zukunft 1860” um Martin Gräfer vom Hauptsponsor „die Bayerische”, Klaus Josef Lutz, Alexander „Xandi” Hofmann, Klaus Ruhdorfer, Thomas Baudisch, Thomas Hirschberger und Robert „Robby” Forster. Sie machen ihre Aufwartung im Hotel am Tag des Champions League-Finales, das der erklärte Real Madrid-Fan Ismaik am Fernsehen verfolgt, obgleich er ursprünglich habe nach London fliegen wollen, um die Begegnung live im Wembley-Stadion zu erleben. Doch die vereinspolitischen Treffen in München seien ihm wichtiger, weshalb er umdisponierte, lässt der Anteilseigner des TSV 1860 München seine Follower im Netz wissen.
Dem Reporter der Abendzeitung erklärte Ismaik indessen, er gedenke mittlerweile nicht nur 100 Millionen zu investieren, nein, 200 Millionen sollen es jetzt sein, denn der Klub benötige schließlich noch ein geeignetes Stadion. Über die genauen Finanzierungswege wolle er nach der Mitgliederversammlung Auskunft erteilen. Falls diese im Ergebnis wunschgemäß ausfällt, versteht sich.
Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes bezeichnete im Jahr 2014 Ismaik noch als ersten jordanischen Milliardär. Insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar soll der damals 37-Jährige angeblich schwer gewesen sein. Was vermutlich am Wert der hoch gehandelten Aktie des börsennotierten Baukonzerns Arabtec lag, an dem Ismaik Medienberichten zufolge knapp 20 Prozent besaß. 2020 ging der Konzern im Zuge der Baukrise in den Golfstaaten pleite. 2017 vermutete Forbes noch ein Vermögen von rund 341 Millionen Dollar bei Hasan Ismaik. (as)