Der Zufall hat den Betrügern in die Hände gespielt. Johanna und Jürgen W. aus Schwabing sind Anfang dieses Jahres Opfer von falschen Handwerkern geworden. Die Täter gingen dabei nach einem gängigen Schema vor.
München · Die Polizei warnt vor Trickbetrügern Falsche Handwerker, falsche Polizisten - meistens bestehlen sie unsere älteren Mitbürger
Das Ehepaar wäre vielleicht gar nicht auf die Masche reingefallen, wenn an diesem einen Tag nicht so vieles anders gewesen wäre als sonst.
Johanna W. (80) führte gerade ein wichtiges Telefongespräch, als es an der Türe läutete. Draußen stand ein Handwerker, der von einem Wasserschaden in der Nachbarschaft sprach und dass er nun die Leitungen prüfen müsse. Tatsächlich habe es in der Vergangenheit Probleme durch Wasserschäden in der Siedlung gegeben, weshalb Jürgen W. (80) keinen Verdacht schöpfte. Wahrscheinlich war er auch durch die akute Erkrankung seiner Frau Johanna wenige Tage zuvor mit den Gedanken ganz woanders, die in dieser Situation wegen einer kurzfristig anstehenden Reha-Maßnahme telefonierte.
Jürgen W. ließ den »Handwerker« in die Wohnung und bemerkte nicht, dass dieser die Wohnungstür einen Spaltbreit offen ließ.
Der Betrüger wies Jürgen W. an, im Bad das Wasser aufzudrehen. Drei Minuten lang sollte das Heißwasser laufen und Jürgen W. solle unbedingt im Bad bleiben und aufpassen. Drei Minuten genug Zeit für den zweiten Täter, die Wohnung heimlich zu betreten und nach Wertsachen abzusuchen.
Johanna W. überraschte diesen zweiten Täter im Schlafzimmer mit der Schmuckschatulle. Der Mann ergriff sofort die Flucht. Der »Handwerker« war da schon nicht mehr in der Wohnung.
Johanna und Jürgen W. könnten jetzt beschämt verschweigen, was ihnen passiert ist. Sie haben sich aber entschlossen, so vielen Menschen wie möglich ihre Geschichte zu erzählen, um es den vermehrt auftretenden Betrügern möglichst schwer zu machen. Die Diebesbeute, Schmuck und Bargeld, beläuft sich in ihrem Fall auf rund 10.000 Euro.
Immer mehr falsche Handwerker tauchen an Münchner Wohnungstüren auf, bevorzugt bei älteren Leuten, und erzählen die Geschichte vom Wasserschaden. Doch die Betrugsmasche kennt viele »Spielarten«. Kriminalhauptkommissar Konrad Raab dazu: »Der Auftakt kann auch ganz anders sein. Die Phantasie der Täter ist bei diesen Geschichten grenzenlos.«
Häufig geben sich die Täter auch als Polizisten aus und verunsichern ihre Opfer mit der Nachricht, in der Nachbarschaft sei eingebrochen worden oder bei den Betroffenen sei ein Einbruch geplant. Die Menschen fassen Vertrauen zu dem hilfsbereiten »Polizisten« und laufen direkt in die eiskalt aufgebaute Abzockfalle.
Bei verdächtigen Feststellungen immer den Notruf 110 anwählen
War in den vergangenen Jahren der sogenannte Enkeltrick die häufigste Betrugsmasche, so sind es jetzt die falschen Polizisten und Handwerker. Die Münchner Polizei hat im zweiten Halbjahr 2015 die Fallzahlen erstmals statistisch erfasst und zählte 47 Delikte mit einem Gesamtschaden von 600.000 Euro. Im ersten Halbjahr 2016 seien es sogar 70 Fälle gewesen, allerdings mit einer Tatbeute von »nur« 434.000 Euro. Und das waren nur die falschen Handwerker.
Um den Tätern, die nur in seltenen Fällen gefasst werden können, ihre Betrügereien möglichst schwer zu machen, hat die Münchner Polizei jetzt eine Präventionskampagne gestartet. Im gesamten Stadtgebiet und im Landkreis informieren die Beamten an Ständen, führen Präventionsgespräche, verteilen Broschüren und Flyer und verbreiten ihre Aufrufe zu verstärkter Aufmerksamkeit auch in den sozialen Netzwerken.
Die Polizei rät dringend, niemals Unbekannte in die Wohnung zu lassen. Die Angaben, die ein unbekannter Handwerker oder Polizist vor der Wohnungstüre macht, lassen sich leicht telefonisch nachprüfen bei der Hausverwaltung oder der Polizei. Der wichtigste Hinweis: Verständigen Sie bei verdächtigen Feststellungen umgehend den Notruf 110.
Tricks und Polizei-Tipps:
Falsche Polizeibeamte
Bei der Erscheinungsform »falsche Polizeibeamte« meldet sich ein Täter meist vorab telefonisch bei seinen Opfern. Er gibt sich als Polizeibeamter aus und berichtet, dass in der Nähe der Wohnung der Angerufenen vor kurzem eingebrochen wurde. Bei den inzwischen festgenommenen Tätern habe man ein Notizbuch oder ähnliche Aufzeichnungen aufgefunden, in denen die Adresse des Angerufenen vermerkt sei. Die Polizei befürchte nun, dass auch dort nun eingebrochen werden soll oder ein Einbruch bereits stattgefunden hätte.
Während des Telefonates werden die Opfer unauffällig über Vermögensverhältnisse, Kontodaten und in der Wohnung befindliche Wertgegenstände befragt.
In einem weiteren Schritt werden die Geschädigten aufgefordert, ihr gesamtes Vermögen von den Konten abzuheben, da bei dem zuvor genannten Geldinstitut ein Mittäter eines festgenommenen Einbrechers beschäftigt sei. Um das eigene Vermögen zu schützen, empfehlen die Täter, das Geld über Zahlungsdienstleister ins Ausland zu transferieren. In einigen Fällen wird auch eine persönliche Abholung vorgeschlagen, um das Geld so »in Sicherheit« zu bringen.
Spoofing
Häufig nutzen die Täter das sogenannte »Call-ID-Spoofing«. Hierbei wird mittels technischer Manipulation die angezeigte Nummer des Anrufers verändert. Auf dem Display des angerufenen erscheint auf diese Weise so beispielsweise die Telefonnummer echter Polizeidienststellen (z.B. die Nummer des Polizeipräsidiums 0 89/29 10-0).
Die Polizei empfiehlt://
Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, auch nicht durch angeblich dringende Ermittlungen zu einem Einbruch in der Nähe!
Die echte Polizei fordert niemals Bargeld, Überweisungen oder Wertgegenstände von Ihnen, um Ermittlungen durchzuführen!
Rufen Sie nie über die am Telefon angezeigte Nummer zurück, sondern fragen Sie beim Notruf 110 nach!
Verständigen Sie bei verdächtigen Feststellungen umgehend den polizeilichen Notruf 110!
Falsche Handwerker
Auf andere Weise versuchen Betrüger in die Wohnungen ihrer Opfer zu gelangen, in dem sie sich als Handwerker ausgeben und angeblich dringende Arbeiten in der Wohnung der betroffenen Personen durchführen müssen. Die zumeist männlichen Täter behaupten, sie wären von der Hausverwaltung beauftragt, um z.B. unaufschiebbare Überprüfungen an der Wasserinstallation vornehmen zu müssen. Hierbei geht der falsche Handwerker sehr aufdringlich vor.
Wenn er Zutritt zur Wohnung bekommt, sorgt er meist dafür, dass die Wohnungstüre einen Spalt offen bleibt. Während der Täter das ahnungslose Opfer ablenkt (es z.B. in Küche oder Badezimmer bittet, um dort das Wasser abwechselnd heiß und kalt aufzudrehen), schleicht sich ein weiterer Täter in die Wohnung und durchsucht diese nach Bargeld und Wertgegenständen. Anschließend verlassen die Täter die Wohnung und flüchten.
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Nutzen Sie Sicherheitsvorkehrungen wie Türspion, Gegensprechanlage oder Sperrbügel!
Überprüfen Sie die Angaben durch telefonische Nachfrage bei der zuständigen Firma bzw. Behörde! Teilen Sie dies dem Unbekannten vor der Türe mit.
Verständigen Sie auch hier bei verdächtigen Feststellungen umgehend den polizeilichen Notruf 110!
Präventionskampagne
Um dem Phänomen entgegenzuwirken, hat das Polizeipräsidium München eine breit angelegte Präventionskampagne gestartet.
Informationsstände
Im gesamten Stadtgebiet und im Landkreis betreibt die Polizei an ausgesuchten Örtlichkeiten (z.B. Wochenmärkte, vor Supermärkten, in Einkaufszentren) Informationsstände, um Bürgerinnen und Bürger über die Phänomene aufzuklären und die richtigen Verhaltensweisen zu vermitteln. Unterstützt werden unserer Beamten dabei von Kooperationspartnern, beispielsweise den Sicherheitsberatern des Seniorenbeirats der Landeshauptstadt München.
Präventionsgespräche
Darüber hinaus werden die Kontaktbeamten der Münchner Polizeiinspektionen proaktive Präventionsgespräche mit Bürgerinnen und Bürgern führen.
Broschüren und Flyer
In Arztpraxen, Apotheken, Sozialbürgerhäusern, Banken und Bibliotheken werden Informationsbroschüren ausgelegt, um möglichst viele Personen erreichen zu können.
Plakate
Neben den bereits vorhandenen Publikationen werden eigens für die Kampagne angefertigte Postkarten und Plakate eingesetzt. Die Plakate werden im Zeitraum vom 23. August bis zum 12. September 2016 auch in mehreren U-Bahnhöfen ausgehängt.
Social Media
Zusätzlich zu den klassischen Verbreitungswegen werden die Präventionsbotschaften auch in den sozialen Netzen (Facebook, Twitter, Youtube) publiziert.
Bankangestellte
Die Polizei tritt außerdem mit verschiedenen Geldinstituten in Kontakt und bietet an, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezüglich der Kriminalitätsphänomene zu sensibilisieren und richtige Verhaltensweisen bei Verdachtsfällen zu vermitteln. Die Vollendung der Taten soll so noch vor der Geldabhebung am Bankschalter unterbunden werden. Für Bankangestellte wären Indikatoren, die auf einen Betrug hinweisen, z.B. ungewöhnlich hohe Geldabhebungen, rasch beantragte Kredite, unklare oder gar widersprüchliche Angaben über den Verwendungszweck des Geldes oder Äußerungen wie »Ich darf nicht sagen, für was ich das Geld brauche«.