Auf der außerordentlichen Bürgerversammlung in der vergangenen Woche im Hofbräukeller haben die Haidhausener ihr Nein zur zweiten S-Bahn Stammstrecke noch einmal deutlich bekräftigt.
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Einige der Teilnehmer kündigten sogar ein zweites »Stuttgart 21« an. Adelheid Dietz-Will, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Au-Haidhausen (BA 5) glaubt indes nicht, dass sich die Einwohner der gesamten Stadt zum Widerstand gegen das Projekt mobilisieren lassen.
Der ungünstige Termin am ersten Schultag hat die Haidhausener nicht davon abgehalten, zur Versammlung zu erscheinen. Mehr als 500 Besucher kamen weit mehr, als der Saal fassen konnte. Stehend zwischen den Tischen, bis weit in das Foyer hinaus, folgten sie den Ausführungen von Uwe Leidig, Projektleiter bei der deutschen Bahn, der den aktuellen Planungsstand erklärte.
»Ich will gar nicht verhehlen, dass es massive Eingriffe geben wird«, räumte Leidig ein. Die Bauzeit an der offenen Baustelle am Orleansplatz werde etwa 62 Monate dauern. An anderen Orten seien jedoch keine offenen Baustellen geplant: »Das ist ein Gerücht.« Allerdings sei mit einer Zunahme des LKW-Verkehrs zu rechnen, zu Spitzenzeiten sollen rund 200 Fahrten pro Tag stattfinden. Als er erklärte, dies sei »keine besondere Belastung«, reagierten die Versammlungsteilnehmer mit Pfiffen und Buh-Rufen.
Acht Bürger beantragten, die Planungen zu dem Bauprojekt abzubrechen. Sämtliche Forderungen wurden von den Versammlungsteilnehmern einstimmig oder mit großer Mehrheit angenommen. »Wenn Hausbesitzer ihre Fenster streichen lassen, brauchen sie eine Genehmigung der Denkmalschutzbehörde«, sagte Klaus Hirth. Er könne nicht nachvollziehen, weshalb die denkmalgeschützten Keller nun bedenkenlos den Gefahren des Tunnelbaus ausgesetzt würden. Ähnliche Befürchtungen äußerte Peter Jakob: »Haidhausen ist von Bier- und Weinkellern durchlöchert wie ein Schweizer Käse.« Es sei nicht auszuschließen, dass diese Jahrhunderte alten Gewölbe im Zuge der Bauarbeiten einstürzen. Ulrich Sedlaczek forderte die Stadt dazu auf, gegenüber dem Freistaat ein Ratsbegehren wie beim Transrapid einzureichen: »Das kann den Tunnel zwar nicht stoppen, aber zeigen, wie die Bevölkerung dazu steht.« Aus Stuttgart habe er bereits gehört, dass die Demonstranten die Münchner Proteste unterstützen.
Dietz-Will allerdings bezeichnete den Vergleich mit der Situation in der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt als »Realitätsverlust«. Dort gebe es einen »breiten Bürgerprotest«, in München seien nur die Betroffenen engagiert: »Selbst die Anwohner in der Au interessiert das Thema nicht mehr.« Grundsätzlich unterstütze sie den Widerstand der Haidhausener jedoch.
Das Bayerische Wirtschaftsministerium hält indes an der zweiten S-Bahn Stammstrecke fest. Entsprechend den Beschlüssen der Staatsregierung und des Landtags vom Frühjahr 2010 müsse alles dafür getan werden, um den Tunnel möglichst schnell zu realisieren, sagte Sprecher Wolfgang Schmid. Die sogenannte Variante »Haidhausen 3«, die sich derzeit im Planfeststellungsverfahren befinde, sei der richtige Weg, um dieses Ziel zu erreichen, ohne den Stadtteil Haidhausen durch die notwendigen Baumaßnahmen zu stark zu belasten. Bahn-Sprecher Michael Baufeld betonte, der Konzern gehe davon aus, dass die derzeitigen Entwürfe genehmigungsfähig seien. Bevor die Pläne umgesetzt werden könnten, müsse man aber natürlich die Einwände der Betroffenen prüfen: »Solche Verfahren dauern mindestens zwei Jahre, manchmal länger.« J. Stark