Selbst der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt hat Lao Tse zutreffend festgestellt. Diese Weisheit hat mich beruhigt, als ich mich zu Beginn meines Abenteuers besorgt gefragt habe, wie ich drei Monate in einem fremden Land schaffen sollte.
Goodbye Germany, England were coming
Philipp auf der Insel - Kolumne: Austauschschüler Philipp berichtet drei Monate lang über seine Erlebnisse und den Unterschieden bzw. Gemeinsamkeiten von Deutschen und Engländern
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Aber was ist denn mit dem letzten Schritt des Weges davon ist wohl keine Rede? An diesem Übergang von neuer Heimat in alte Heimat befinde ich mich gerade keine einfache Lage!
Der Wecker klingelt, die Sonne strahlt ins Zimmer und mein Handydisplay bestätigt meine verträumte Vermutung: Donnerstag früh obwohl ich erst übermorgen nach Hause zurückfliege, beginnt mein Heimkommen bereits: Meine Eltern aus München rücken heute für die letzten beiden Tage an, um mit mir einen hastigen Schnelldurchlauf meiner so ereignisreichen Englandzeit zu erleben. Auf der seit Anfang Januar täglich mehrmals gefahrenen Strecke von High School in die Stadt fühlt es sich komplett irreal und unvorstellbar an, dass mit jeder Minute das Wiedersehen näherrückt. Aber als es dann endlich so weit ist, erscheint alles plötzlich ganz normal ganz wie wenn ich eine Woche auf Klassenfahrt gewesen wäre. Das Internet hat es möglich gemacht, dass keine Verbindung abgebrochen ist und keine Fremde entstand. Videokonferenzen haben jetzt ein Ende, aber bevor es am Samstag gemeinsam zurückgeht, tauchen wir nochmal gemeinsam in meine eigene Welt ein.
Zu jeder Mahlzeit treffen wir andere Freunde von mir, um das gesamte Spektrum aller in 88 Tagen entstandenen Bekanntschaften zu präsentieren. Nur was ich hier zeige, können wir dann später auch beim Erzählen in Erinnerungen teilen. In der verbleibenden Zeit zwischen den einzelnen Mahlzeiten, die bei viel Gesprächsstoff auch drei Stunden dauern, geht es von Ort zu Ort auf den Spuren meines letzten Quartals, um diese vorzustellen und mich selbst zu verabschieden. Vom Fluss zur Burg, von der Priory ins Stammcafé und vom schönsten Sonnenaufgang in Lancaster zurück in die Schule. Sogar Mayor Woodruff nimmt sich noch einmal gesondert Zeit, um dem internationalen Besuch erst Welcome und schließlich dann Goodbye zu sagen.
Während ich meinen Eltern an den jeweiligen Plätzen die passenden Geschichten und Kuriositäten erzähle, steigt eine noch nie erlebte Emotion in mir auf, die mich einerseits den Moment festhalten lässt und mir andererseits die Gewissheit gibt, das Beste aus der Zeit gemacht zu haben. Die den Strand und das Meer golden färbende Abendsonne verschwindet am weiten Horizont des Atlantiks morgen wird die Sonne für mich wieder in München untergehen.
Dann heißt es nochmal schwerer Abschied von den engsten Freunden, die sich es nicht nehmen lassen haben, sich vor der Zugstation zu positionieren. Tränen werden durch die im Hintergrund lauter werdende Marschmusik kompensiert: Dreißig in Römerkostüm gekleidete Soldaten marschieren mit lautem Gesang die Straße entlang in Richtung Stadtmitte. Gibt es eine bessere Verabschiedung? Wahrscheinlich jede, denn diese macht es alles andere als leicht.
Am Flughafen beginnt bereits die Heimatwelt, wenn sich ringsherum Austauschschüler mit Münchner Akzent aufgeregt über ihre Erlebnisse unterhalten. Der Zielort der Maschine 2503 ist unverkennbar, wenn das bayrische Wetter bereits in Manchester angekündigt wird und zum Abendessen Weißwurst-Pralinen serviert werden (die gibt es tatsächlich!). Mit jeder Minute steigt meine Aufregung und als im Landeanflug die Freisinger Lichter aus den Wolken hervorblitzen, greife ich zu meinem iPod und summe mit Diddy und Skylar Green in die Nacht hinein Im coming home, Im coming home. Tell the world Im coming home
Willkommen daheim - am Flughafen, in der Nachbarschaft, in der U-Bahn Allesamt beglückwünschen sie mich zu meinem letzten Schritt auf meinen 88 Tagen. Mit solch einer Heimat im Rücken habe ich mich auch in schwierigen Situationen stark gefühlt. Das gute Zuhause zeichnet sich dadurch aus, dass man lieber heimkommt als weggeht dorthin findet man immer zurück.
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt der letzte endet immer dort, wo das Herz schlägt in München.