Veröffentlicht am 02.04.2013 00:00

Schwabing · Lesen soll verbinden


Von red

Einmal Hemingway und zweimal Goethe zum Mitnehmen bitte! – Wer Lust hat auf Bücher aller Art, der wird demnächst in Schwabing an einem völlig neuen Ort fündig: …

…Auf dem Platz zwischen Nordbad und Stadtarchiv an der Schleißheimer Straße soll Münchens erster öffentlicher Bücherschrank installiert werden. Dieser Schrank kann von jedem befüllt werden, der zu Hause Lesewerke übrig hat und jeder, der dort ein Buch findet, das ihm gefällt, kann es mitnehmen. Einfach so, kostenlos. Die Idee ist bereits in mehreren Städten, unter anderem in Köln, sehr erfolgreich. »Wir wollen Lust machen auf das Medium Buch«, sagen Doris Niemann und Walter Klein (beide SPD) vom Bezirksausschuss (BA) Schwabing-West. Wann genau der öffentliche Bücherschrank aufgestellt werden kann, steht noch nicht fest. Noch steht das Okay der Denkmalschutzbehörde aus.

Die Stadtwerke hingegen, denen der Grund gehört, auf dem das Projekt realisiert werden soll, signalisieren bereits: Daumen hoch. Und das ist gar nicht mal so selbstverständlich. In anderen Stadtteilen prüft das Kulturreferat, das auch seine Unterstützung zugesichert hat, Möglichkeiten zur Aufstellung öffentlicher Bücherschränke auf öffentlichem Grund. »Die Genehmigung für einen Ort zu finden, ist nicht gerade ein Kinderspiel«, sagt BA-Chef Walter Klein. Sie hätten Glück gehabt mit den Stadtwerken. Die Kosten des Projekts, rund 8.000 Euro, hingegen seien weitgehend gesichert. Sie seien auf mehrere Schultern verteilt, den Löwenanteil übernimmt der BA selbst. »Wir sind davon überzeugt, dass der Bücherschrank für Schwabing eine große Bereicherung ist«, sagt Doris Niemann, die das Projekt in den BA eingebracht hat. Menschen beispielsweise, die einander nicht kennen, würden vor dem Bücherschrank spontan miteinander ins Gespräch kommen, vielleicht würden sogar neue Kontakte geknüpft über das gemeinsame Interesse am Medium Buch. »Wir können uns gut vorstellen, dass dieser Platz neu belebt wird«, hofft Klein.

Was Buchliebhaber und solche, die es werden wollen, freut, weckt hingegen bei den umliegenden Buchhandlungen und auch bei der ortsansässigen Stadtbücherei Skepsis, bisweilen sogar Ablehnung. Man mache sich, so Klein, Sorgen, dass die Kundschaft möglicherweise weniger würde. »Uns ist es wichtig, Gespräche mit allen Buchhändlern rundherum und auch mit der Stadtbücherei zu führen«, sagt Klein. »Wir wollen Ängste nehmen und Chancen aufzeigen.« Denn um Umsatzeinbußen, und das zeigt die Erfahrung aus anderen Städten, muss niemand fürchten, im Gegenteil. Der Architekt, Stadtplaner und Designer Hans-Jürgen Greve aus Köln hat bereits über 100 Schränke in ganz Deutschland aufgestellt.

Er berichtet, wie Buchhändler mit den öffentlichen Bücherschränken umgehen: »Die Buchhändler sehen es als Chance, mehr Menschen am Lesen zu beteiligen.« Sie würden oft Patenschaften übernehmen und die Schränke ehrenamtlich pflegen. Außerdem würden sie Lesungen organisieren und andere Aktivitäten an den Schränken. »Sie nutzen dieses Projekt also für sich auf eine intelligente Art«, so Greve.

Auch sonst tut sich jede Menge rund um die Bücherschränke. »Das vormals experimentelle Projekt des ›Offenen Bücherschrankes‹ ist nun zu einem kulturellen Projekt geworden. Neuartige Veranstaltungen im öffentlichen Raum bekommen langsam ein Gesicht«, befindet der Initiator. Auch eine gute Nachricht: Vandalismus gäbe es laut Greve so gut wie keinen, »also deutlich weniger als bei Telefonzellen oder Haltestellen.«

Ob es nun Buchhändler sein werden, die sich ehrenamtlich kümmern oder andere engagierte Bürger, »wir suchen auf jeden Fall verantwortungsbewusste Schwabinger, die unter anderem den Inhalt regelmäßig kontrollieren«, sagt Klein. »Wir wollen beispielsweise sicher- gehen, dass nicht rechtsradikale Schriften darunter gemogelt werden.« 400 Bücher kann der wetterfeste Schrank maximal fassen. Werke aus der Weltliteratur können darin ebenso Platz finden wie Krimis und Thriller, Sachbücher ebenso wie Liebesromane, Jugendromane ebenso wie Kinderbücher. »Ich bin sicher, jeder hat zu Hause Bücher herumstehen, die er nicht mehr braucht«, sagt Niemann. »Damit kann er anderen Menschen viel Freude bereiten.« Initiator Greve sieht das Projekt im gesamtgesellschaftlichen Kontext so: »Im Wesentlichen bringt dieses Projekt neue Verhaltens- und Bewusstseinsformen der Benutzer hervor.« Zudem sei es ein weiterer Baustein in einem bundesweiten Trend: »Nehmen und Geben wird wieder in einer deutlich breiteren Schicht gelebt.« scy

north