Die Luftlinie zwischen München und Paris beträgt 685 Kilometer, mit dem Auto oder der Bahn sind es ein paar mehr. Gefühlt lagen zwischen den Anschlägen in Paris und der vermeintlichen Sicherheit in München allerdings für viele Menschen bislang Welten.
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Das ist spätestens nach dem letzten Freitag vorbei, auch wenn es sich bei der Tat im Münchner Norden um einen Amoklauf und nicht um eine islamistisch motivierte Tat handelte. Den Opfern dürfte es egal sein, ebenso wie den Angehörigen, Freunden und allen, die mit den Folgen dieser Tat zurechtkommen und weiterleben müssen.
Die Kette der grauenhaften Ereignisse reißt indes einfach nicht ab: Das Axt-Attentat im Regionalzug bei Würzburg, bei dem ein 17-Jähriger vier Menschen schwer verletzte, der Mord auf offener Straße in Reutlingen, hier hatte ein 21-jähriger syrischer Asylbewerber eine Frau getötet und zwei weitere schwer verletzt, bevor er gestoppt werden konnte. Sonntag das Sprengstoffattentat beim Open-Ansbach-Festival mit zwölf Verletzten und einem Todesopfer und eben seit Freitag auch bei uns direkt vor der Haustür.
Zwischen meinem Schreibtisch in der Redaktion und dem Mc Donalds beim OEZ liegen gerade einmal 1,5 Kilometer Luftlinie. Der Horror nur eine U-Bahnstation entfernt. Meine Redaktionskollegen und ich gehen gerne mittags ins OEZ zum Essen, natürlich auch weiterhin.
An diesem Montag begann nun der zaghafte Versuch, ein Stück weit wieder Normalität herzustellen, denn egal, wie schrecklich die Dinge sind, die Uhr tickt weiter. Für die Angehörigen der Opfer ein fast unerträglicher Zustand. Für alle anderen ein Muss.
Im OEZ haben sich am Montagvormittag alle Mitarbeiter, aber auch alle die, die der Facebook-Einladung des Einkaufscenters gefolgt waren, zu einer Gedenkveranstaltung getroffen. Denn niemand kann oder will einfach weitermachen, als ob nichts geschehen wäre. Die Läden hatten an diesem Tag erst später geöffnet, damit Zeit und Raum für das Gedenken blieb. »Eine unfassbare Tat«, erklärte OEZ-Center-Manager Christoph von Oelhafen den rund 200 Teilnehmern der Gedenkveranstaltung. »Nichts gab es im Vorfeld, was man hätte dagegen tun können, nichts, was eine derart schreckliche Tat hätte erahnen lassen können«, erklärte er erschüttert. Er dankte allen Mitarbeitern ausdrücklich für die Kraft und den Mut, die sie aufgebracht hätten, um wieder an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren und hier gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Schrecken nicht die Oberhand gewinnt.
Ein Team von Notfallseelsorgern stand den ganzen Montag über den Mitarbeitern sowie den Kunden für Gespräche zur Verfügung, um gemeinsam das Unfassbare zu begreifen.
Isabel Scheidl-Martins war in ihrer Funktion als Notfallseelsorgerin bereits seit Freitag aufgrund des Amoklaufs im Einsatz. »Meine Aufgabe bestand am vergangenen Freitag vor allem darin, Menschen, die aus dem Center evakuiert wurden, seelsorgerisch zu betreuen. Diese Menschen haben schreckliche Angst gehabt und sind nicht selten traumatisiert. Da hilft es, wenn ihnen jemand zuhört, bei ihnen ist und ihnen hilft, das Erlebte zu verarbeiten. Es ist ganz normal in dieser Situation, Angst zu haben, zu weinen und sich hilflos zu fühlen. Würde man das nicht so empfinden, dann müsste man sich fragen, ob alles in Ordnung ist mit einem«, erklärt die erfahrene Seelsorgerin.
Bei manchen Menschen würde es Wochen brauchen, bis sich die eigene Psyche wieder im Gleichgewicht befinde. »Wenn der Zustand sich nicht bessert oder man das Gefühl hat, alleine mit der Situation nicht zurecht zu kommen, ist es unbedingt richtig sich an seinen Arzt zu wenden, der einem dann weitere Hilfen vermitteln kann«, erklärt Isabel Scheidl-Martins.
Monsignore Thomas Schlichting spendete den Trauernden ebenfalls Trost bei der Gedenkversanstaltung. »Wir kennen das Olympia Einkaufszentrum als einen Ort der Kommunikation, als einen Ort des Handels und der Kollegialität. Jetzt ist das OEZ auch zu einem Ort der Trauer geworden, aber auch des Mitgefühls und der Freundschaft. Jeder hat seine Art, das Geschehene zu verarbeiten, gemeinsam ist es nun unsere Aufgabe, diesen Ort wieder mit Leben zu füllen, die Trauer nicht zu verdrängen, sich von ihr aber auch nicht lähmen zu lassen«, schloss der Geistliche, bevor er ein Gebet für alle sprach, die von dieser Tat betroffen sind.
Wer sein Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer, aber auch allen anderen, die unter den Folgen des Amoklaufs leiden, Ausdruck verleihen will, ist herzlich eingeladen, sich in Kondolenzbuch, das vor der Kundeninfo ausliegt, noch bis einschließlich Samstag einzutragen.
Heike Woschée