Veröffentlicht am 25.06.2009 00:00

München · In Ruhe malen


Von red
„Z-Rok“, alias Wolfgang Lehnerer, und Sozialpädagogin Astrid Weindl fördern im Jugendkulturhaus „Färberei“ unter anderem Graffiti-Kunst.  (Foto: Kirsten Ossoinig)
„Z-Rok“, alias Wolfgang Lehnerer, und Sozialpädagogin Astrid Weindl fördern im Jugendkulturhaus „Färberei“ unter anderem Graffiti-Kunst. (Foto: Kirsten Ossoinig)
„Z-Rok“, alias Wolfgang Lehnerer, und Sozialpädagogin Astrid Weindl fördern im Jugendkulturhaus „Färberei“ unter anderem Graffiti-Kunst. (Foto: Kirsten Ossoinig)
„Z-Rok“, alias Wolfgang Lehnerer, und Sozialpädagogin Astrid Weindl fördern im Jugendkulturhaus „Färberei“ unter anderem Graffiti-Kunst. (Foto: Kirsten Ossoinig)
„Z-Rok“, alias Wolfgang Lehnerer, und Sozialpädagogin Astrid Weindl fördern im Jugendkulturhaus „Färberei“ unter anderem Graffiti-Kunst. (Foto: Kirsten Ossoinig)

Wolfgang Lehnerer ist einer der Münchner Graffiti-Künstler der ersten Stunde. 1983, als sich diese Wandmalerei gerade in Deutschland formierte, hat auch Lehnerer im Alter von 15 Jahren angefangen, Mauern zu verzieren. Illegal, wie das damals wohl an der Tagesordnung war. Und der Künstler ist prompt mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er ist für das Anfertigen eines seiner Gemälde im öffentlichen Raum „verpfiffen“ worden. Geahndet wurde Lehnerers Vergehen damals bei ihm als Minderjährigem mit einer Geldstrafe.

Heute ist „Z-Rok“, wie sich der Graffiti-Künstler auch nennt, längst anerkannt und etabliert und kann von seiner Kunst leben. Er kreiert vielschichtige Bilder, in denen Kalligramme mit weiteren Motiven verschmelzen. Er stellt seine Bilder aus. Ende der achtziger Jahre sind ihm bereits die ersten offiziellen Auftragsarbeiten ins Haus geflattert. Laut Lehnerer gibt es in München viele Graffiti-Künstler, die aktuell sowohl illegale als auch legale Wandmalereien anfertigen.

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Für „Z-Rok“ bedeutet illegal sprühen ein Stück Freiheit: „Dabei kann man sich schließlich die Fläche, auf der man malen will, aussuchen und wird nicht dazu verdonnert, irgendeinen Spielplatz zu verschönern.“ Trotzdem würde sich Wolfgang Lehnerer darüber freuen, wenn es mehr Wände in der Stadt geben würde, auf denen Sprayen erlaubt ist. „Dann könnten sich die Künstler legal mehr austoben.“

Und in München gibt es Flächen, die offiziell bemalt werden dürfen. So wird einmal im Jahr etwa die Brudermühlbrücke mit Graffitis neu gestaltet, unter Federführung der „Färberei“, des Jugendkulturhauses des Kreisjugendrings an der Claude-Lorrain-Straße. Jeden Dienstag von 16 bis 20 Uhr können sich außerdem in den Räumen der „Färberei“ Graffiti-Künstler beim „Offenen Atelier“ verwirklichen. In Schwabing wartet Sozialpädagoge Alexander Golombek vom Jugendtreff am Biederstein gerade auf das O.K. vom Baureferat, die Unterführung an der Münchner Freiheit/Ungererstraße mit 20 jungen Sprayern verschönern zu dürfen.

Dass die Möglichkeit für Sprayer, offiziell zu malen, bei den Münchnern gut ankommt, kann Astrid Weindl, Sozialpädagogin in der „Färberei“, bestätigen. „Die Bürger lieben unsere Aktionen, egal, wo wir was machen.“ Und Weindl hat aus der Bevölkerung nicht etwa Beschwerden bekommen, dass die Brudermühlbrücke, die in Sachen Graffiti die Münchner „Hall of Fame“ ist, bemalt wird. Sondern darüber, dass die „schönen Bilder“ wieder überstrichen werden, wenn sie einmal im Jahr gegen neue ersetzt werden. Für die Sozialpädagogin ist Graffiti ein „fester Bestandteil der Münchner Kultur“. Sie ist unermüdlich auf der Suche nach neuen freien Flächen, die sprühende Künstler bemalen dürfen. Anders als Kriminalhauptkommissar Ernst Horn von der polizeilichen „Koordinierungsgruppe Graffiti“, kurz „KoGra“, die in der Szene gegen illegale Sprayer ermittelt, glaubt Astrid Weindl, dass mehr offizielle Flächen illegales Sprühen eindämmen würden. „Denn die Künstler wollen malen und das vor allem in Ruhe.“ Nach Horns Ansicht möchten die Täter hingegen bei illegalen Sprühaktionen „bewusst gegen den Mainstream der Gesellschaft verstoßen“. Dabei nehme der Reiz des Verbotenen eine wesentliche Rolle ein. Horn bezweifelt daher, dass mit mehr legalen Sprühflächen illegale Graffitis in den Griff zu bekommen seien.

Unerlaubte Wandmalereien sind kein Kavaliersdelikt. Der Gesamtschaden, der dadurch pro Jahr in München entsteht, wird auf zirka 750.000 Euro geschätzt. Bei „KoGra“ arbeiten Landes- und Bundespolizei zusammen. Die Bundespolizei ist dabei überwiegend zuständig für die Bundesbahnanlagen. Laut Ernst Horn werden Bauwerke und öffentliche Verkehrsmittel mit Motiven versehen. Zuletzt habe „KoGra“ zwei jugendlichen Sprayern 80 Straftaten nachweisen können. Der Gesamtschaden belaufe sich hier auf mindestens 15.000 Euro.

Jugendliche, die durch illegales Sprühen straffällig geworden sind, können in München von ProGraM, „Projekt Graffiti München“, des Jugendhilfe-Vereins „Brücke München“ betreut werden. Die Idee dabei: Der Sprayer soll den von ihm angerichteten Schaden selbst beseitigen, also die Wand reinigen und dabei lernen, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Gleichzeitig soll der Geschädigte so unbürokratisch sein Recht bei der Schadenswiedergutmachung bekommen. Der Sprayer erhält bei einem vorgerichtlichen Verfahren die einmalige Chance, dass sein Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt wird.

Die finanzielle Zukunft wird nicht durch Schulden verbaut. Die Kontrolle der Wiedergutmachung übernimmt die „Brücke München“, die auch beim Reinigen hilft. Graffiti-Künstler und Münchner, die eine freie Fläche zum Bemalen haben, können sich im Internet unter www.diefaerberei.de an Astrid Weindl wenden.

Von Kirsten Ossoinig

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