Dagmar Jessen erinnert sich an ein adventliches Rätsel ihrer Kindertage:
Bei uns Kindern erfreuten sich die „Engelchen-Sonntage” großer Beliebtheit, die in großen Teilen unserer weitgespannten Familienzweige gepflegt wurden: Am Nachmittag des 1. Advent, d.h. am ersten „Engelchen-Sonntag”, versammelten sich Groß und Klein um den Esstisch; es wurde Zeitungspapier verteilt und unter Anleitung eines erfahrenen „Vorfalters” der Familie gestaltete jeder von uns aus einem Zeitungsbogen ein stabiles Kästchen. Diese wurden in der Dämmerung auf die Fensterbank oder den Balkon hinaugestellt, um die Engelein zu erwarten. Keinesfalls durfte man diese durch Beobachten stören. Nun wurden bei Kerzenschein und Tee Weihnachtslieder gesungen und gespielt, und je schöner der Gesang, umso mehr, das wusste man, würden uns die Engelein honorieren.
Dann, nach einem angemessenen Quantum an Liedern, wurde vorsichtig nachgeschaut: Und siehe da, tatäschlich waren die Engelein dagewesen und hatten die Kästchen gefüllt: am ersten Advent mit Nüssen. Dazu entdeckte man zwischen den Nüssen auch eine „Vorschau” auf den nächsten Engelchen-Sonntag in Gestalt eines feinen Plätzchens: ein Hinweis, dass es dann hauptsächlich Plätzchen geben würde.
Die nächste Vorschau zwischen den Plätzchen war dann eine Schokoladenkugel in buntem SIlberpapier. Die Kästchenfracht steigerte sich dann von der Schokolade noch zu Marzipan am vierten Advents-Sonntag.
Da man über das Jahr wieder vergaß, wie das Kästchenfalten „ging”, musste für die nächste Adventszeit dringend wieder mindestens ein Engelchen-Sonntag in der Familienplanung angesetzt werden.
Als schönste Erinnerung davon bleibt das gemütlich-warme und gemütvolle Beisammensein. Und das Rätsel, wie denn die Engelein die Kästchen füllten. Das blieb ein Geheimnis zwischen ihnen und dem Hausherrn ...