Veröffentlicht am 02.06.2008 16:29

„Politik kann man nicht planen“


Von LS
Tobias Weiß (Foto: pi)
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Tobias Weiß (Foto: pi)

Tobias Weiß, seit 2004 Vorsitzender des Bezirksverbandes der Jungen Union München und seit Anfang 2007 Vorsitzender der CSU in Allach-Untermenzing, ist im März nicht nur zum zweiten Mal in den Allach-Untermenzinger Bezirksausschuss (BA) gewählt worden, sondern ist nun auch Mitglied des Stadtrates. Im Interview mit dem Werbe-Spiegel spricht der 26-jährige Diplom-Kaufmann über seine Arbeit als Stadtrat, seine Ziele und „seinen“ Stadtteil Allach-Untermenzing.

Warum haben Sie für den Stadtrat kandidiert? Für mich war es wichtig, dass auch junge Kräfte etwas zu sagen haben im Münchner Stadtrat. Der andere Aspekt war die Örtlichkeit Allach-Untermenzing, der Münchner Westen als Stützpunkt, als Heimatpunkt, an dem wir einiges voranbringen wollen was die Entwicklung betrifft: Verkehrsausbau, Stadtteilentwicklung, das große Thema „Allach-Untermenzing muss schöner werden“.

Was haben Sie sich vor der Wahl von dem Amt als Stadtrat erwartet? Viel Arbeit in dem Sinne, dass man versucht, gemeinsam Lösungsansätze für Probleme zu entwickeln. Das ist zum Teil auch so eingetreten, zum Teil habe ich auch gemerkt, dass in so einem Stadtrat mit 80 Charakteren, 81 Stimmen, 81 Alphatieren auch viel politischer Betrieb dabei ist. Ich war überrascht, dass es mehr als Parlament gelebt wird als ich gedacht hätte.

Also haben sich die Erwartungen nicht ganz erfüllt? Es waren ja erst zweimal Vollversammlungen, ich war jetzt im ersten Ausschuss - da wird sicherlich noch vieles kommen, vor allem in der Zusammenarbeit mit den Referaten.

Wie sieht Ihre Arbeit als Stadtrat aus? Der Hauptteil der Arbeit ist die Vermittlungsfunktion was Bürgeranliegen und Entscheidungen der Verwaltung anbelangt. Kürzlich hat mich ein Bürger angerufen, der wissen wollte, warum vor Ort eine Umfrage gemacht wird, die zwei städtische Referate in Auftrag gegeben haben. Da hat man als Stadtrat eine Scharnierfunktion zwischen der Verwaltung und den Bürgern, weil die erste Anlaufstelle natürlich nicht das Referat ist, sondern meistens der Politiker, der bekannt ist. Außerdem entwickelt man als Stadtrat Lösungsansätze für Themen, die einem wichtig sind und gibt Impulse an die Referate und die Stadtverwaltung, schlägt Projekte vor.

„Allach-Untermenzing muss schöner werden”

Was sind Ihre Ziele im Stadtrat, was wollen Sie als Stadtrat erreichen? Einen Aspekt habe ich bereits gesagt: „Allach-Untermenzing muss schöner werden“. Ich glaube, da können wir im Münchner Westen generell viel machen. Wir haben mit dem Siedlungsschwerpunkt Freiham eine große Chance. Aber es birgt natürlich auch eine große Gefahr, weil - wie in der Messestadt Riem zum Beispiel – bei der Entwicklung eines großen neuen Stadtteils natürlich auch viel schief gehen kann. Und da ist gerade die Politik gefragt, Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, in Freiham-Nord nicht entstehen zu lassen. In Allach-Untermenzing speziell geht es sicherlich um weitere Verkehrsentwicklung. Wir haben dort ja mit den größten Wohnungsbau durch die Nachverdichtung. Da wird man sich auch überlegen müssen: Wie geht man in Zukunft damit um, wenn da nicht die Verkehrserschließung dazu kommt. Wir werden sicherlich über neue Straßen reden müssen, wir werden über neue Schulen reden müssen, wir werden über eine komplett neue Infrastruktur reden müssen. Diesen Prozess möchte ich begleiten.

Welche Fehler wurden Ihrer Meinung nach in der Messestadt Riem gemacht? Sie haben da zum Beispiel die Frage: Wie werden die Wohnungen gebaut? Was die Wohnungsgrößen betrifft wurde zum Teil einfach am Bedarf vorbei geplant. Das ist ein Problem, wenn Sie ein komplettes Wohngebiet in dieser Größe entwickeln - jeder will sich ja auch entfalten in der Wohnung. Oder der eine will den Balkon hier, der andere da. Das sind Punkte, die können Sie natürlich zentral nicht planen. Und da ist die Frage, wie man das in so einem großen Stadtteil wie Freiham-Nord berücksichtigen kann. Ich glaube, dass wir da kleinteiliger planen müssen und nach und nach entwickeln müssen, nicht die komplette Fläche auf einmal.

Welche Themen liegen Ihnen noch am Herzen? Wir als Junge Union legen viel Wert auf das Thema keine Neuverschuldung, keine Verschuldung. Denn Neuverschuldung ist das, was uns jungen Politikern, der Zukunft für die nächsten 20, 30 Jahre, jeden Spielraum der Entwicklung nimmt. Wir haben beispielsweise einen hohen Bedarf an Ganztagesschulen. Wenn wir jedoch Ganztagesschulen wollen, brauchen die Schulen Räumlichkeiten dafür. Wir haben im kompletten Münchner Westen Bedarf an Schulräumen. Jede Grundschule in Allach-Untermenzing ist voll ausgelastet, jeder lechzt nach neuen Räumen. Die Schulklassen sind in Handwerksräumen oder im Keller untergebracht... Das erfordert von der Landeshauptstadt München natürlich enorme Investitionen. Wenn wir jedoch als Gesellschaft den Anspruch haben: Ja, wir wollen in Bildung investieren, wir wollen mehr Ganztagesschulen schaffen und wir wollen eine Mensa haben in jeder Schule, dann müssen wir uns den Freiraum schaffen, uns das leisten zu können. Daran müssen wir, glaube ich, alle arbeiten.

„Man kennt sich noch”

Was gefällt Ihnen in Allach-Untermenzing? In Allach-Untermenzing gefällt mir auf alle Fälle der dörfliche Charakter. Wir sind zwar nah an der Großstadt, aber es ist doch noch privat und man kennt sich noch. Wenn Sie da zum Bäcker gehen, dann werden Sie spätesten nach dem sechsten, siebten Mal jemanden kennen und dann trifft man sich eben auch. Wenn Sie das in der Innenstadt machen, passiert Ihnen das höchst wahrscheinlich nicht. Und das ist natürlich ein charmanter Zug, den Allach sich einfach erhalten muss. Und Sie haben in Allach-Untermenzing einfach den Vorteil, dass Sie in fünf Minuten im Grünen sind genauso wie in zehn Minuten in der Innenstadt. Und das haben Sie nicht an vielen Ecken und Enden in München.

Was gefällt Ihnen nicht? Das fällt unter den Aspekt: „Das könnte schöner werden“. Wir haben das Diamalt-Gelände, das Hochtief-Gelände, wir haben viele brachliegende Industriegelände, die man entwickeln könnte. Auch die Verkehrserschließung könnte schöner werden. Wir brauchen auch Angebote für Jugendliche. Wenn Sie 15, 16, 17 sind haben Sie im Prinzip keinerlei Angebote in Allach-Untermenzing. Für diese Zielgruppe müsste man zum Beispiel ein Jugendzentrum entwickeln. Das ist ein Teilaspekt, der mir in Allach-Untermenzing nicht gefällt, gerade als junger Stadtrat.

Was möchten Sie als Bezirksausschuss-Mitglied erreichen? Ein Aspekt wird sein: Wie gehen wir mit unserem Vereinsheim um? Schaffen wir zum Beispiel eine Weiterentwicklung zu einem wirklichen Stadtteilzentrum? Da gibt es viele Ideen mit Wochenmarkt, mit Ausstellungen... Das ist im bisherigen Vereinsheim auch wegen der Räumlichkeiten nicht möglich. Ich würde mir wünschen, dass wir dieses stadtteilpolitische Problem in den nächsten sechs Jahren lösen können.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit im Bezirksausschuss? Den Allach-Untermenzinger Bezirksausschuss zeichnet aus, dass wir versuchen, Probleme gemeinsam zu lösen. Sicherlich gibt es immer Differenzen, dafür sind Parteien ja auch da, unterschiedliche Strömungen der Gesellschaft aufzunehmen. Ich habe den Bezirksausschuss jedoch immer so erlebt, dass man trotz aller Parteipolitik, die auch dazu gehört, am Ende immer an der Sache interessiert ist und versucht, für ein Problem eine Lösung zu finden. Da gehört auch ein gewisses Vertrauen dazu. Ich kann ein politisches Thema auch für mich ausnutzen, indem ich politisch taktiere, indem ich mich vielleicht am Anfang dagegen stelle, groß populistisch auf die Pauke haue und sage: „Das ist mein Thema und ihr versteht das nicht.“ Das kann man machen, zerstört aber natürlich Vertrauen und Zusammenarbeit für später. Wir haben im Bezirksausschuss geschafft, dass man sich dem Sachproblem widmen möchte, es gemeinsam lösen möchte und versuchen möchte, allen Politikwahlkampf zumindest weitgehend aus dem Bezirksausschuss versucht rauszuhalten. Das ist, denke ich, auch ein sehr guter Ansatz erfolgreich zu sein. Denn durch einen wie auch immer gespaltenen BA können Sie gegenüber der Verwaltung auch nicht einstimmig auftreten.

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„Vielleicht promovieren”

Sie haben im letzten Jahr ihr BWL-Studium abgeschlossen. Wie sieht Ihre berufliche Zukunft aus? Das ist eine spannende Frage. Da bin ich auch noch nicht sicher. Momentan sind wir in der Eingewöhnungsphase im Stadtrat. Da muss ich jetzt mal schauen, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt, wie viele Tage in der Woche ich da eingespannt bin. Ich bin Mitglied in drei Ausschüssen (Finanzausschuss, Kinder- und Jugendhilfeausschuss, Verwaltungs- und Personalausschuss, Anm. d. Red.), von daher bin ich jede Woche im Prinzip zwei, drei Tage im Rathaus. Und dann ist die Frage, wie ich persönlich weiter mache. Es gibt verschiedene Alternativen, entweder in einer Firma anzufangen, wobei das als Neueinsteiger ziemlich schwer ist, wenn ich praktisch nur zwei Tage die Woche arbeiten kann und man ja auch in dieser Zeit meistens Termine hat. Insofern gibt es noch die Überlegung, ob ich vielleicht irgendwo promovieren könnte. Das wäre als Qualifikation im Lebenslauf eine sehr gute Geschichte, aber das ist alles noch nicht sicher. Von daher kann ich da jetzt nichts Definitives sagen.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Ich habe immer gesagt, Politik kann man nicht planen. Wer sich auf Politik verlässt, gerade auch aus der beruflichen Sicht, der macht einen großen Fehler, weil in der Politik Unabhängigkeit immer ein wichtiger Bestandteil ist. Sobald Sie nicht mehr unabhängig sind, können Sie nicht mehr frei entscheiden und nicht mehr das machen, was Ihnen vom Grundsatz her richtig erscheint. Ich für meine Person muss jetzt nicht irgendwann Landtagsabgeordneter, Bundestagsabgeordneter oder sonst irgendwas werden. Das wird die Zeit zeigen. Das muss auf der einen Seite auch die Partei wollen, auf der anderen Seite die Bürgerinnen und Bürger, die einen immer noch wählen müssen. Ich versuche mir den Stadtrat sehr genau anzuschauen, um für mich selbst zu entdecken: Macht mir das Spaß? Will ich auf Dauer in der Politik tätig sein? Ist das etwas, wo ich sage: Da kann ich was bewegen, da kann ich die Themen, die wir uns gesetzt haben, verwirklichen.

Sie möchten sich also die Möglichkeit offen halten, sich gegen die politische Karriere entscheiden zu können und in den Beruf einzusteigen? Auf alle Fälle! Ich will vor allem die Option haben, zu jeder Zeit sagen zu können: Ich kann auch etwas anderes machen. Ich habe Bekannte aus der ehemaligen DDR, die auch im Bundestag waren und in ihrem Wahlkreis hervorragende Arbeit gemacht haben. Bloß dann kommt so etwas wie 2002, dann kommt die Flut und dann gewinnen Sie Ihren Wahlkreis nicht mehr. Das liegt dann nicht unbedingt an Ihrer Arbeit, sondern an der übergeordneten politischen Stimmung oder anderen Einflussfaktoren, die Sie selbst nicht beeinflussen können. Und so kann es natürlich in sechs Jahren bei der Stadtratswahl auch sein. Dann habe ich vielleicht nicht mehr einen so guten Listenplatz wie ihn mir die CSU München dieses Mal gegeben hat mit Platz zwölf. Dann habe ich vielleicht 34 oder 44 und es reicht es am Ende nicht. Und dann kann ich nicht sagen: Ja, aber jetzt bin ich arbeitslos und kann nichts mehr machen, weil ich mich auf Politik festgelegt habe. Das ist die Krux des Politikers: Er muss schauen, dass er – das ist zumindest mein Anspruch - selbstständig sagen kann: Ich mache etwas anderes.

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