75 Gramm Fett in vier Wochen – das war nach dem Krieg die Ration für eine Familie. Entsprechend karg fiel 1946 bei Familie Kraus im Westend das Christfest aus: Es gab saures Kartoffelgemüse und eine weiße Wurst im Ring. Die heute 80-jährige Erika Kraus, die an der Ecke Ligsalz- und Schwanthalerstraße aufwuchs, erinnert sich: „Das Mehl im Tiegel wurde mangels Fett richtig herausgebrannt, bevor es mit Wasser aufgegossen wurde.“ Die mit 17 Jahren frisch verheiratete Frau feierte auch nach der Hochzeit das Weihnachtsfest bei ihren Eltern. „Wir sind sehr aneinander gehangen. Mein Mann war für meine Eltern wie ein Sohn.“ Trotz der Not habe die Familie Weihnachten schön und besinnlich gefeiert. „Wir haben Weihnachtslieder gesungen und meine Mutter hat bayerische Geschichten vorgelesen.“ Später sei mit Karten gespielt worden: Rommè oder Schafkopfen. Sogar einen Christbaum mit Kugeln habe es gegeben. „Die sind zum Glück bei den Bombenangriffen verschont geblieben.“
Die zerborstenen Fensterscheiben seien notdürftig mit Dachpappe dicht gemacht worden, erinnert sich Erika Kraus. Ihr seien, als sie bei klirrender Kälte auf die Tram wartete, einige Zehen erfroren. Wenigstens bei den Eltern in der Stube sei es warm gewesen. „Der Vater hatte ein Öfchen aufgetrieben, das mit Sägemehl beheizt wurde.“ Erika Kraus hat sowohl ihren ersten als auch ihren zweiten Mann und ihre Tochter Erika bis zu deren Tod gepflegt. Heute ist sie auf Hilfe angewiesen. Die erhalte sie aus der Nachbarschaft in der Bergmannstraße, freut sie sich.