Der Schätzerkreis der Rentenversicherung geht von einer Rentenerhöhung um 2,75 Prozent zum 1. Juli 2009 aus. Dies würde jedoch nicht einmal die Geldentwertungsrate im Jahr 2008 kompensieren, hat der VdK-Ortsverband Hadern-Neuried kritisiert. Er fordert eine Rentenerhöhung um mindestens 9 Prozent entsprechend der Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten, die sich solche 9 Prozent genehmigt haben. Der Sendlinger Anzeiger sprach mit Volker Wettmann, dem Vorsitzenden des VdK Hadern-Neuried. Sendlinger Anzeiger: »Sie haben die vom Schätzerkreis ins Gespräch gebrachte Rentenerhöhung um 2,75 Prozent als ‘schäbig’ bezeichnet. Warum? Immerhin geht es ja um eine Erhöhung.« Volker Wettmann: »Das Wort ‘schäbig’ klingt vielleicht ein bisschen hart, trotzdem ist es meiner Ansicht nach angebracht, weil genau diejenigen, die für diese Renten verantwortlich sind, für sich selbst ganz andere Maßstäbe anlegen als für die Rentner. Nun ist mir natürlich auch bekannt, dass sich die Rentenentwicklung den Löhnen anpasst. Die Renten folgen also nicht irgendeiner Kaufkraftentwicklung, sondern sind an die Entwicklung der Löhne gekoppelt - die natürlich auch sinken können. Im Augenblick, wo viele Leute Minilöhne beziehen, wird damit das gesamte Lohnniveau nach unten gezogen. Davon sind die Rentner mitbelastet.« Sendlinger Anzeiger: »Sie beziffern den Kaufkraftverlust seit 2004 auf etwa zehn Prozent. Trotz der angekündigten Erhöhung haben die Rentner also immer weniger in der Tasche?« Volker Wettmann: »Die 2,75 Prozent gleichen noch nicht einmal die drei Prozent aus, die man für 2008 an Kaufkraftverlust ansetzen muss. In den Jahren 2004 bis 2008 gab es praktisch keine Rentenerhöhung, sondern gemessen an der Kaufkraft nur Rentenabsenkungen.« Sendlinger Anzeiger: »Eine deutlichere Rentenerhöhung wäre in Ihren Augen also ein wirksames Konjunkturprogramm?« Volker Wettmann: »Wenn ich heute höre, dass alle möglichen Vorschläge gemacht werden, wie man die Kaufkraft stärken kann (der Bundeswirtschaftsminister meint, man müsse die Steuern senken, damit die Leute mehr Geld haben), dann denke ich, dass auch die Rentner fordern können, dass sie an der Entwicklung teilhaben, dass sie mehr Geld bekommen - und ausgeben - können. Das wäre auch ein Beitrag, die Wirtschaft anzukurbeln!« Sendlinger Anzeiger: »Müsste man auch die gesetzliche Grundlage, also die Koppelung der Renten an die Löhne ändern, um die Situation der Rentner zu verbessern?« Volker Wettmann: »Ich gehe davon aus, dass gesetzliche Grundlagen angepasst werden müssen, wenn sich die zugrundeliegende Situation ändert. Die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent hat die Rentner stark belastet. Das wäre ein Grund gewesen, darüber nachzudenken, wie die Rentner das bezahlen sollen. Oder nehmen wir jetzt die 2,75 Prozent Rentenerhöhung: Sie fällt mit einer Beitragserhöhung für die Gesundheitsreform zusammen. Diese Erhöhung nimmt zwischen einem Drittel und der Hälfte der Rentenerhöhung sofort wieder in Anspruch. So bleibt eine tatsächliche Rentenerhöhung von 1,5 bis 2,5 Prozent.« Sendlinger Anzeiger: »Von welchen Euro-Beträgen muss man dabei ausgehen?« Volker Wettmann: »2,75 Prozent Rentenerhöhung bedeuten, dass der durchschnittliche Rentner 25 Euro im Monat mehr hat. Nehme ich davon ein Drittel weg, bleibt nur etwas mehr als 15 Euro übrig.« Sendlinger Anzeiger: »Der VdK sieht sich nicht als ‘egoistischen Besitzstandswahrer’, sondern auch als ‘Lobby der künftigen Rentner’, hat VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher bei Ihrer Veranstaltung gegen Altersarmut unterstrichen, die im April in Hadern großen Anklang fand. Aber ist das Thema Rentenerhöhung für die ‘jüngeren’ Generationen relevant?« Volker Wettmann: »Jüngere Menschen haben kein sicheres Gefühl mehr bei der Rente: Sie wissen nicht, ob sie später einmal eine Rente bekommen, die ausreicht, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Sie werden von vielen Seiten verunsichert. Das liegt vielleicht manchmal im Interesse von privaten Versicherungen, die gerne Geschäfte machen möchten. Wenn allerdings die Politik so weiterfährt, dass die Renten an Kaufkraft einbüßen und mit Riesterfaktoren abgebremst werden, besteht tatsächlich die Befürchtung, dass man mit der Rente allein sein Alter später nicht mehr sichern kann. Diese Verunsicherung der Bevölkerung, der jüngeren Bevölkerung, ist schädlich für die Demokratie und das Vertrauen in die Parteien.« Sendlinger Anzeiger: »Es gibt immer mehr Rentner, aber immer weniger junge Menschen, die im Arbeitsleben stehen - und die leiden ja auch unter den Kaufkraftverlusten. Kann unser Rentensystem dieser Entwicklung standhalten?« Volker Wettmann: »Das System könnte das auffangen, indem die Beiträge erhöht werden. Politisch durchsetzen kann man das aber nicht. Die Parteien müssen sich etwas anders überlegen. Die Gesellschaft insgesamt muss sich überlegen, wie sie mit den Alten umgeht, welchen Respekt sie gegenüber den zunehmenden älter werdenden Menschen hat, wie sie mit dem Problem umgeht. Dazu will ich jetzt keine Antwort geben, dazu sind andere berufen. Wir haben eine Rentenformel, die über 100 Jahre gehalten hat, weil sie immer auch angepasst wurde: Wir haben heute etwa 20 Prozent Rentenabgabe, als Bismarck das System einführte, waren es glaube ich 0,65 Prozent. Das System ist also immer wieder der Situation angepasst worden. Aber das bedeutet ja nicht, dass man irgendwann sagen kann: ‘Jetzt ist Schluss, wir ändern nichts mehr.’« Sendlinger Anzeiger: »Wie ist ihre Wahrnehmung: Ist das Problem der Gesellschaft oder zumindest den betroffenen Senioren bewusst?« Volker Wettmann: »Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die große Mehrzahl der Rentner sich noch nicht lautstark zu Wort meldet. Aber wenn man mit den Einzelnen spricht, stellt jeder fest, dass er keine Rentenerhöhung bekommt: Die Preise steigen, aber sein Geld bleibt das gleiche. Im letzten Jahr hat der durchschnittliche Rentner zehn Euro im Monat mehr erhalten. Was alles an Preissteigerungen gekommen ist, wissen wir ja, und wenn zum Beispiel Mieten erhöht werden, geht es doch nicht um einen Euro, sondern um mehr!« Sendlinger Anzeiger: »Wie hilft der VdK seinen Mitgliedern vor Ort?« Volker Wettmann: »Die vielen Mitglieder, die wir haben, kommen hauptsächlich deswegen zu uns, weil sie sich von uns Beratung in Rentenfragen erwarten. Viele Leute gehen vorzeitig in Rente oder werden aus dem Berufsleben ausgegliedert. Sie berät der VdK - für Mitglieder kostenlos: Werden sie richtig eingestuft? Was müssen sie machen, damit sie ihre Rentenansprüche möglichst günstig durchsetzen? Diese Beratungsfunktion nimmt der VdK wahr und deshalb haben wir wohl einen so starken Mitgliederzuwachs.«