Veröffentlicht am 23.10.2024 00:00

MLSH: Ein sicherer Hafen für junge Frauen* mit und ohne Gewalterfahrungen


Von Elisabeth Schönberger
Ein starkes Duo für die Münchner Jugendarbeit: Martina Gaßner (links) und Ramona Oesterlein vom Marie-Luise-Schattenmann-Haus. (Foto: MLSH)
Ein starkes Duo für die Münchner Jugendarbeit: Martina Gaßner (links) und Ramona Oesterlein vom Marie-Luise-Schattenmann-Haus. (Foto: MLSH)
Ein starkes Duo für die Münchner Jugendarbeit: Martina Gaßner (links) und Ramona Oesterlein vom Marie-Luise-Schattenmann-Haus. (Foto: MLSH)
Ein starkes Duo für die Münchner Jugendarbeit: Martina Gaßner (links) und Ramona Oesterlein vom Marie-Luise-Schattenmann-Haus. (Foto: MLSH)
Ein starkes Duo für die Münchner Jugendarbeit: Martina Gaßner (links) und Ramona Oesterlein vom Marie-Luise-Schattenmann-Haus. (Foto: MLSH)

Das Marie-Luise-Schattenmann-Haus (MLSH) hat eine Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückgeht. Bereits vor 140 Jahren bot die Einrichtung Mädchen und jungen Frauen* einen Schutzraum in der Großstadt – damals noch in der Landwehrstraße 81 ansässig und hauptsächlich für Besucherinnen aus dem Ausland gedacht, die in München ihre Ausbildung absolvierten. Der Krieg zerstörte das Haus, 1955 wurde es in der Friedrich-Loy-Straße 16 in Schwabing neu gebaut. Über die Jahrzehnte hat sich das MLSH von einem reinen Schul- und Ausbildungswohnheim zu einer sozialtherapeutischen Einrichtung mit vielfältigen Hilfsangeboten für selbstständiges und betreutes Wohnen für 14- bis 30-Jährige entwickelt, die in ihrem Leben mit alterstypischen und untypischen Herausforderungen bis hin zu gewaltvollen Erfahrungen konfrontiert waren.

Seit sechs Jahren ist Ramona Oesterlein in der Leitung der Einrichtung. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Martina Gaßner, Bereichsleiterin und Traumapädagogin, erklärt sie das Konzept des Hauses, die unterschiedlichen Betreuungsformen und wie den Bewohnerinnen geholfen wird.

„Von allgemein bis individuell”

Was ist die Mission des MLSH und wie hat sich das Konzept seit Wiedereröffnung 1955 entwickelt?

Ramona Oesterlein: Wir sind in erster Linie eine Einrichtung für begleitetes, betreutes, therapeutisches Wohnen für junge Frauen*. Begonnen hat unsere therapeutische Arbeit damals mit der Wahrnehmung, dass manche Bewohner*innen sehr belastende Lebenssituationen erlebt, oder in der Vergangenheit schwerwiegender Gewalterfahrungen gemacht haben und daher mehr Unterstützung im Alltag benötigen. Aus einzelnen Vereinbarungen v.a. mit dem Stadtjugendamt sind irgendwann Gruppen entstanden, die sich zu ersten sozialtherapeutischen Wohngruppen entwickelt haben, aus denen wiederum andere Wohngruppen und Wohnformen entstanden sind. Aktuell ist die Gewichtung fifty-fifty zwischen Schul- und Ausbildungswohnen und begleiteten Wohnformen - von intensivtherapeutisch bis hin zum Wohnen für junge Erwachsene* mit sehr individueller Begleitung.

„Ohne Stigmata”

Wie ist das heutige Gesamtkonzept ausgerichtet und wie funktioniert das Zusammenleben?

Martina Gaßner: Das Gesamtkonzept beruht darauf, dass viele junge Frauen* in einem Haus zusammenleben können, ohne dass sofort klar ist, wer therapeutische Betreuung erfährt und wer nicht. Dadurch entsteht die Möglichkeit des Austausches und Anfreundens ohne Vorurteile und Stigmata. Mit unserem ClubIn im Haus bieten wir ein ambulantes Abendangebot, zu dem auch junge Menschen aus der Umgebung vorbeikommen können und Frauen* aus den betreuten und den nicht-betreuten Bereichen aufeinandertreffen. Es gibt einen Heimrat, der sich zu Themen, die allen wichtig sind, austauscht und mitentscheidet. Auch die Essenssituationen – Frühstück und Abendessen werden in unserem Haus automatisch mitgebucht – finden gemeinsam statt.

„Rund um die Uhr”

Auf welchem Weg kommen die jungen Frauen* ins MLSH und wie wird entschieden, welches Modell für welche Frau* am besten geeignet ist?

Ramona Oesterlein: Meist kommen die jungen Frauen* über die Jugendhilfe, also das Jugendamt. Wir führen umfangreiche Vorgespräche, um ein Gefühl dafür zu bekommen, worin sie Unterstützung benötigen, was sie sich wünschen und welche Ziele sie sich vielleicht schon gesetzt haben. Wie die konkrete Unterstützung im Alltag aussieht, kommt ganz wesentlich darauf an, was für Themen die junge Frau* mitbringt. Unser Betreuungsangebot ist genauso individuell wie es unsere Bewohner*innen sind. Es ist rund um die Uhr eine pädagogische Fachkraft vor Ort, sodass auch in der Nacht bei belastenden Situationen versorgende Angebote vorhanden sind.

„Sensibel und offen”

Welche spezifischen Ansätze sind besonders wichtig, um jungen Frauen* mit Gewalterfahrungen zu helfen?

Martina Gaßner: Wichtig sind eine traumasensible Herangehensweise sowie das Wissen darüber, was Trauma mit Menschen macht und welche Bewältigungsstrategien das hervorbringen kann. Die jungen Frauen*, die zu uns kommen, haben häufig Klinikerfahrung und kommen mit psychiatrischen Diagnosen. Unsere Haltung ist ganz klar: Diagnosen können helfen zu kategorisieren, aber letztendlich sitzt ein Mensch vor uns und dieser kann alles mitbringen, was eine Diagnose nicht umfasst. Wir treten sensibel und offen an die jungen Frauen* heran und schauen: Wo stehst du jetzt, wo willst du hin und was sind die Schritte, die wir gemeinsam unternehmen können? Beziehungsarbeit ist eines der bedeutendsten Instrumente, um gut begleiten zu können. Deshalb bieten den Bewohner*innen eine feste Bezugsperson an, zu der sie Vertrauen aufbauen können. Ein Schwerpunkt aller Mitarbeitenden im Haus ist, mit den Menschen in Beziehung zu gehen, um sie erleben zu lassen, dass Beziehungen gut sein können, auch wenn sie nicht immer reibungslos laufen.

„Es braucht Veränderung”

Welche Wünsche und Forderungen haben Sie für die Zukunft?

Ramona Oesterlein: Ich wünsche mir, dass die Jugendhilfe im Stadtraum München noch mehr Anklang findet, erkannt wird, wie wichtig diese Arbeit für die gesamte Gesellschaft ist und dass das MLSH noch lange besteht und sich weiterentwickelt.

Martina Gaßner: Der Kampf gegen häusliche Gewalt braucht mehr Öffentlichkeit, damit noch mehr junge Frauen* sich trauen, zu erzählen, was ihnen widerfahren ist. Gesellschaftlich wünsche ich mir hier klar eine Veränderung und Verbesserungen für die Betroffenen solcher Gewalt.

„Hilfe willkommen!”

Wie können hilfsbereite Menschen Ihre Arbeit unterstützen?

Ramona Oesterlein: Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Wer uns also ganz konkret unterstützen möchte, kann beitreten und sich als Mitglied einbringen. Expertise - ob ehrenamtlich oder in Anstellung - ist ebenfalls willkommen. Und natürlich freuen wir uns über Geld- sowie Sachspenden, durch die wir unsere Ausstattung besser gestalten oder größere Anschaffungen machen, sowie weiterhin Freizeitmaßnahmen und -angebote für die jungen Menschen realisieren können..

Kontakt und Infos

Marie-Luise-Schattenmann-Haus
Friedrich-Loy-Str. 16
80796 München
www.mlsh.de

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