Der Bahnhof gilt gemeinhin als Visitenkarte einer Gemeinde. In Haar ist die Station wahrlich kein Aushängeschild. Bürger und Kommunalpolitiker sprechen offen von einem Schandfleck.
Dauerbaustelle S-Bahnhof Haar
Dauerbaustelle S-Bahnhof Haar Themenseite zum Ist- und Soll-Zustand des S-Bahnhofes Haar
Dies hat die Christsozialen im Gemeinderat zu einem Antrag an den Bürgermeister veranlasst, zu prüfen, »ob der Erwerb des Bahnhofsgebäudes und -geländes zu einem angemessenen Kaufpreis möglich ist. »Was zunächst einleuchtend anmutet, entpuppt sich jedoch im Detail als eine verzwickte Angelegenheit. Verbunden ist der Auftrag mit der Bitte, »Gespräche mit der Deutschen Bahn (DB) zu führen, in denen Nutzungseinschränkungen und DB-Vorbehaltsrechte« geklärt werden sollen. Das Ansinnen wurde im Mai in nichtöffentlicher Sitzung eingebracht, um laut CSU-Fraktionschef Thomas Reichel unter anderem »keine Preis treibenden Spekulationen zu verursachen«.
Er stellte jetzt im Gremium grundsätzlich klar: »Der Bahnhof soll nicht so bleiben wie er ist, wir müssen uns Gedanken machen.« Hintergrund ist die geänderte Verkaufsstrategie der DB für Bahnhöfe, wonach die Gebäude und Areale laut Vorlage künftig einzeln bevorzugt an Kommunen verkauft werden sollen. »Der Bahnhof hat nicht nur zentrale Bedeutung für das Ortsbild von Haar, er stellt gerade für Besucher die Visitenkarte der Gemeinde dar«, heißt es in der Begründung. Und: »Durch den Erwerb bekäme die Gemeinde hier Gestaltungsfreiheit, weil sie dann zukünftig allein entscheiden könnte. Zwar wird es auf Grund der Funktion als Bahnhof unvermeidbar sein, dass sich die DB wesentliche Mitwirkungsrechte vorbehält.« Angesichts der »geringen Verschuldung der Gemeinde« erachtet die CSU »eine Fremdfinanzierung als möglich, zumal beispielsweise über Läden auch finanzielle Rückflüsse erzielt werden könnten.
In einem Zwischenbericht erläuterte Bürgermeister Helmut Dworzak nach Kontakten mit der Immobilienabteilung der Bahn: »Die DB sieht grundsätzlich die Möglichkeit zum Erwerb des Bahnhofgebäudes sowie dazu angrenzender Flächen«. Dazu wird derzeit das erforderliche Entwidmungsverfahren eingeleitet, in dem festgestellt wird, dass die Gebäude und Flächen nicht mehr für bahnbetriebliche Zwecke erforderlich sind und damit anderen Investoren oder Interessenten zur Verfügung gestellt werden könnten.
Laut Gemeindeoberhaupt kann »derzeit weder für die Gebäude noch für die unbebauten Flächen ein Kaufpreis genannt werden, da dazu zwingend ein Wertgutachten erforderlich ist. Dieses kann wiederum erst nach Freigabe der Flächen unter der Festlegung städtebaulicher Ziele in Auftrag gegeben werden.« Das Areal umfasst in etwa 300 mal 26 Meter, erstreckt sich über die Park and Ride- sowie die Bike and Ride-Anlage, den Kiosk, den Gebäude- sowie den Bereich des Kurzzeitparkplatzes.
Im Haus selbst behält sich die DB vor, im Erdgeschoss auf einer Fläche von zirka 100 mal 26 Meter zwei Fastfood-Restaurants (jeweils rund 200 Quadratmeter), einen Bäckerladen (etwa 80 Quadratmeter), den DB-Service-Store (rund 150 Quadratmeter), Sanitär- (50 Quadratmeter) sowie Technik- und Müllräume (rund 200 Quadratmeter) »selbst zu betreiben«, wie Dworzak explizit konstatierte.
Weiter könne sich die DB eine Wohn- und Ladennutzung vorstellen, die wegfallenden Stellplätze »müssten anderweitig, gegebenenfalls in einer Tiefgarage erstellt und betrieben werden.« All dies veranlasste den Rathaus-Chef zur einer unbeantwortet gebliebenen Frage an die Ratsmitglieder: »Sind wir die Richtigen dafür, so etwas zu vermarkten?« ikb