»Dieses Grundstück hat einen besonderen Umgang verdient, da können wir nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren.« Und deswegen habe man sich in vielen Gesprächen auf eine Herangehensweise geeinigt, die völlig neu sein wird, betonte Bürgermeisterin Gabriele Müller in der jüngsten Bauausschusssitzung: Mit einem Wettbewerb unter Architekturstudenten und einer anschließenden öffentlichen Ideenwerkstatt wird das Bauvorhaben an der Münchener Straße neu aufgerollt.
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War doch mangels Interesse die Forderung, Gebäude in der Gemeinde künftig nicht mehr als 19 Meter in die Höhe ragen zu lassen iniziiert von der Bürgerinitiative »Mia san Haar« in zwei Bürgerentscheiden gescheitert (wir berichteten). Den bisherigen Bebauungsplan Nr. 193 mit dem umstrittenen 46 Meter hohen Wohnturm des Architekturbüros Kock und Daberkow will der Investor, die Projektgesellschaft Münchener Straße 24, nicht weiterverfolgen. Wie sieht das Verfahren konkret aus? Der Lehrstuhl für Architektur an der Technischen Universität München hat seine Bereitschaft zur Mitarbeit bereits erklärt. In den nächsten Wochen erhalten die Studenten Ausschreibungsunterlagen. Benannt werden Grundstücksgröße, Umgebungseinbindung, verkehrliche und immissionsschutzrechliche Problemstellungen sowie Infos zu den bestehenden gemeindlichen Stellplatzsatzungen für Pkws und Fahrräder. Entstehen soll an der vielbefahrenen B 304 ein Wohnkomplex, im Erdgeschoss sind Läden denkbar. Gestaltungsvorgaben gibt es nicht. Die Studenten sollen möglichst frei Ideen und Visionen entwickeln.
Für die Arbeit lobt der Investor drei Preise im Wert von insgesamt 10.000 Euro aus. 5.00 Euro erhält der Siegerentwurf, 3.000 Euro der Zweit- und 1.500 Euro der Drittplatzierte. 500 Euro gehen in die Kaffeekasse der Fakultät. Prämiert werden die Entwürfe von den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der öffentlichen Ideenwerkstatt am 21. Juli im Bürgerhaus. Wer an dem Abend keine Zeit hat, kann sich die Arbeiten im Anschluss bis Ende August im Rathaus-Foyer anschauen und in der Bauabteilung seine Stellungnahme abgeben. Auch auf der Homepage wird es ein Forum geben, in dem man seine Meinung bekunden kann. Begleitet wird die Ideenwerkstatt von einem Fachbeirat, der sich voraussichtlich aus einem Vertreter des Investors, Prof. Peter Schuck (Architektur und Design), Bürgermeisterin Gabriele Müller, Bauamtsleiter Rainer Wöhrl und drei Architekten zusammensetzt. Der Fachbeirat prüft die Umsetzbarkeit der studentischen Vorschläge. Aus den machbaren Entwürfen und den Bewertungen und Meinungsäußerungen der Bürger entwickelt er Vorgaben für ein architektonisches Konzept.
Dieses Ergebnis bildet die Grundlage für den vom Investor beauftragten Architekten. Ab diesem Zeitpunkt werden die gemeindlichen Gremien in den Prozess einbezogen, wie es bei Bebauungsplanverfahren rechtlich vorgeschrieben ist. Ein erster Entwurf soll auf der Gemeinderatssitzung am 29. September vorgestellt werden. Nach dieser Sitzung, im Lauf des Monats Oktober, wird es die von Bürgermeisterin Gabriele Müller nach dem letztjährigen Bürgerentscheid versprochene Bürgerversammlung speziell zu diesem Bauvorhaben geben. Hier haben die Haarer Bürger Gelegenheit, konkrete Wünsche und Kritikpunkte zu äußern, mit denen sich der Bauausschuss und der Gemeinderat befassen müssen. Die letztliche Billigung der Planung liegt bei den gemeindlichen Gremien.
Insgesamt begrüßte der Bauausschuss diese Vorgehensweise, zu der man etwas Mut brauche, wie der Freie Wähler Antonius van Lier betonte. Doch sowohl Thomas Reichel (CSU) als auch Werner Kozlik von den Grünen fragten sich, ob man den jungen angehenden Architekten nicht mehr Vorgaben, wie etwa die Wohnungsgrößen, an die Hand geben soll. Antonius van Lier befürchtet indes, dass wenn man am Ende die besten Ideen aus den Entwürfen in einen Plan einbaue ein Sammelsurium entstehen könnte. Er hätte gerne einen Entwurf als »Leadship Modell« auserkoren.
Reichel äußerste zudem die Sorge, dass die Studenten um eine gute Note zu bekommen zu viel Verschnörkelung in den Entwurf packen könnten. Doch der bei der Sitzung anwesende Hochschullehrer Professor Peter Schuck gab diesbezüglich Entwarnung. Absichtlich habe man keine Vorgaben gemacht, denn bei dieser Aufgabe sei definitiv die Jugend gefragt. Sie müsse sich überlegen, wie sie in 40 Jahren in den Städten leben will denn genau die Generation dieser Studenten müsse dann ja mal dort wohnen, betonte er. Der Lehrstuhl würde auf jeden Fall darauf achten, dass »auch Spinnereien zugelassen sind, aber keine Schnörkeleien«, erklärt Professor Schuck.
Einstimmig sprach sich der Bauausschuss schließlich dafür aus, diesen Weg zu gehen. »Wir gehen auf einen spannenden Weg. Den hat es in Haar noch nie gegeben«, betonte die Bürgermeisterin.