Veröffentlicht am 28.12.2022 00:00

Keine Flüchtlinge sondern Gäste


Von Brigitte Bothen
Das Ukraine Café hat viele „Mütter”: vorne v.l. : Susanne, Elena, Birgit, Olha, Mariia und Marlies, hintere Reihe v.l. Gisela, Christiane und Uta.<br> (Foto: bb)
Das Ukraine Café hat viele „Mütter”: vorne v.l. : Susanne, Elena, Birgit, Olha, Mariia und Marlies, hintere Reihe v.l. Gisela, Christiane und Uta.
(Foto: bb)
Das Ukraine Café hat viele „Mütter”: vorne v.l. : Susanne, Elena, Birgit, Olha, Mariia und Marlies, hintere Reihe v.l. Gisela, Christiane und Uta.
(Foto: bb)
Das Ukraine Café hat viele „Mütter”: vorne v.l. : Susanne, Elena, Birgit, Olha, Mariia und Marlies, hintere Reihe v.l. Gisela, Christiane und Uta.
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Das Ukraine Café hat viele „Mütter”: vorne v.l. : Susanne, Elena, Birgit, Olha, Mariia und Marlies, hintere Reihe v.l. Gisela, Christiane und Uta.
(Foto: bb)

Es ist ein fröhliches Gewusel, das die Besucher im Familienzentrum Allach-Untermenzing (FAM) empfängt. Kinder sitzen an einem Tisch und malen, an anderen wird Kaffee getrunken und viele Frauen und eine Handvoll Männer sehen sich an den Tischen um, auf denen gespendete, gut erhaltene Kleidungsstücke bereit liegen, die verschenkt werden. Es ist das letzte Mal in diesem Jahr, dass das Ukrainecafé veranstaltet wird und der Ansturm ist größer, als Birgit Herwig es für möglich gehalten hätte. Weit mehr als 100 Menschen füllen zeitweise die beiden Räume und schließlich muss die FAM-Leiterin feststellen: „Es gibt keinen Kuchen mehr, es gibt keine Kekse mehr. Aber Kaffee haben wir noch.”

Schnell angelaufen

Das Ukrainecafé: Bei diesem FAM-Projekt hat sich Hilfe zur Selbsthilfe in seiner schönsten Form entwickelt. Susanne Hirner, eine der Ehrenamtlichen im Familienzentrum, hat das Café mit initiiert. Eine ihrer Freundinnen habe schon Ende Februar zwei ukrainische Frauen mit ihren Kindern bei sich aufgenommen, erzählt sie. Als sie mitbekommen habe, wie alleine sich die Frauen gefühlt hätten, habe sie beschlossen: „Wir organisieren was.” Es habe sich ein Team von acht bis zehn FAM-Frauen gebildet, die den kostenlosen Treff begleiteten und für Speis und Trank sorgten. „Es lief ab der ersten Woche”, freut sich Susanne Hirner. Die ukrainischen Frauen, die zum Treff kamen, berichteten über ihre Social Media-Kanäle von der Möglichkeit, sich in einer geschützten Umgebung auszutauschen. Es wurden Haare geschnitten, es gab eine Nagelpflegeaktion, eine ukrainische Tanzpädagogin bot kostenlose Tanzstunden für die Kinder an und es wurde als kleines Dankeschön für die deutschen Gastgeberinnen Borschtsch gekocht. Aber auch die Kirche wurde aufgesperrt, damit die Frauen Kerzen für ihre zurückgebliebenen Angehörigen anzünden konnten.

Zum Ankerpunkt geworden

Bald nach der Entstehung des Cafés stieß Elena zu der Organisationsgruppe. Die Pädagogin aus der Ukraine lebt seit zwölf Jahren in Deutschland, sie hat hier studiert und ist verheiratet. Da sie perfekt Deutsch spricht, kann sie dolmetschen, wenn es nötig ist. Das Schöne sei, dass die ukrainischen Frauen hier von Anfang an nicht als Flüchtlinge sondern als Gäste gesehen worden seien, sagt sie. Es gebe so viel gegenseitige Wertschätzung und Wärme. Das Familienzentrum sei zu einem Ankerpunkt geworden. Elena hat das am eigenen Leib erfahren. Als sie selbst Unterstützung benötigte, damit ihre kranke Mutter aus der Ukraine nach München geholt werden konnte, haben die Familien im FAM sich tatkräftig eingesetzt, um das möglich zu machen.

Nach den Sommerferien zog sich das deutsche Orga-Team zurück und gab die Leitung des Cafés in ukrainische Hand. Mariia, Olha und Iryna organisieren seither die Treffen. Ein selbst organisiertes Café sei von Anfang an der Kerngedanke gewesen, erläutert Birgit Herwig. „Das ukrainische Team ist am Zusammenwachsen.”

Sich einbringen

Mariia ist nach zwei Operationen mit ihrer Tochter im Juni nach München gekommen. Die 39-jährige Ingenieurin, die in den ersten Kriegsmonaten in ihrem Heimatland für die Verteilung von gespendeten Medikamenten zuständig war und die ausländischen Beipackzettel mühevoll mit Hilfe von digitalen Hilfsmitteln entschlüsselt hat, wünscht sich - wie die meisten anderen Frauen - nichts sehnlicher als eine Rückkehr in die Ukraine. Solange sie aber hier ist, wolle sie sich einbringen, betont sie. Deshalb engagiere sie sich jetzt im FAM. Und sie würde gerne hier in Deutschland derweil eine Arbeit annehmen. „Was das ist, ist mir egal. Ich bin gewohnt zu arbeiten”, versichert sie.

Das Ukrainecafé am Mittwochnachmittag, das anfangs als Schutzraum konzipiert war, ist übrigens inzwischen auch für alle anderen FAM-Familien offen. Wer also möchte, kann nach den Weihnachtsferien gerne mal reinschnuppern.

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