„Ehrenamt braucht Hauptamt“, sagt Birgit Herwig. Ehrenamtliche bräuchten einen Rahmen, in den sie sich einbringen können, sie bräuchten Zuwendung und Wertschätzung. Doch genau dieser Rahmen droht beim Familienzentrum (FAM) Allach im kommenden Jahr wegzubrechen. Birgit Herwig und Tina Flammensböck, die das Zentrum gemeinsam leiten, teilen sich eine Stelle, die heuer ausnahmsweise von der evang.-luth. Epiphaniaskirche finanziert wird. 2023 ist – wie in den Jahren zuvor - wieder nur Budget für zwei 450-Euro-Jobs vorhanden. Damit müsste vor allem das offene FAM-Angebot, in das sich viele Ehrenamtliche einbringen und das angesichts des großen Zuzugs gerade von jungen Familien in den Stadtbezirk, dringend benötigt wird, schmerzhaft gekürzt werden.
In Allach ist das FAM etwas Einzigartiges. „Etwas Vergleichbares gibt es nicht“, sind sich die beiden Leiterinnen einig. „Junge Familien stoßen sehr schnell aufs Familienzentrum. Im offenen Treff brummt’s“, freut sich Tina Flammensböck. Sie und Birgit Herwig gestalten aber nicht nur die vielen offenen Programmangebote und betreuen die rund 70 Ehrenamtlichen, sie sind auch für das Gesamtprogramm verantwortlich, das zahlreiche feste Kurse umfasst, sie machen die Verwaltungsarbeit und immer öfter unterstützen sie junge Mütter und Väter, beim Ausfüllen von Anträgen und bei der Suche nach Kindergartenplätzen.
Erst in der vergangenen Woche haben sie auch einen Runden Tisch organisiert zum Thema „Was braucht Allach?“, an dem neben Bürgerinnen und Bürgern die Stadträtinnen Heike Kainz und Julia Post teilnahmen. „Die Anforderungen an das Familienzentrum haben sich in den letzten Jahren erhöht und auch die Verwaltungsseite hat sich verändert“, konstatiert Tina Flammensböck.
Durch einen Rückbau auf zwei Minijobs wäre nicht nur dieses Tätigkeitsspektrum zwangsweise beschnitten, sondern auch für Birgit Herwig und Tina Flammensböck würde dies das Aus bedeuten. Die promovierte Pädagogin und die Sozialpädagogin sind seit rund fünf Jahren im Familienzentrum tätig – vier Jahre lang auf Minjob-Basis. Es sei sehr schnell klar geworden, dass die Leitung des FAM so auf Dauer nicht machbar sei, sagen sie übereinstimmend. Sie hätten die Jahre über viele Stunden zusätzlich ehrenamtlich eingebracht. „Wir sind Gestalterinnen und gehen gerne auf das ein, was Familien brauchen“, betonen sie. Aber alles habe seine Grenzen.
Für die beiden Frauen war die Grenze erreicht, als Tina Flammensböcks Beitrag in die Krankenkasse irgendwann höher war als ihr 450-Euro-Verdienst und sie sozusagen noch Geld mitbringen musste, um arbeiten zu können. Die Situation entzerrte sich, als die Kirchengemeinde mit ihrer zeitlich begrenzten Finanzierung der Stelle einsprang – doch diese läuft Ende Dezember aus. „Ein Zurück ist nicht machbar“, betont Birgit Herwig. Der Träger des Familienzentrums, der Verein „Familienzentrum der evang.-luth. Epiphaniaskirche e.V.“ müsste also im Falle einer Ablehnung der Finanzierung der Fachstellen durch die Stadt die dann übrig gebliebenen Minijobs neu besetzen.
Im März hat sich das Familienzentrum Allach an den Stadtrat gewandt, um die Situation zu schildern und die Notwendigkeit einer Finanzierung der Fachstellen zu unterstreichen. Es sei daraufhin Post von Bürgermeisterin Verena Dietl und Sozialreferentin Dorothee Schiwy gekommen, die beide zwar anerkannten, dass die Stellen nötig seien, gleichzeitig aber betonten, dass es angesichts der Finanzlage der Stadt unsicher sei, wohin die zur Verfügung stehenden Gelder gehen, berichten die FAM-Leiterinnen.
Derzeit läuft eine Online-Petition des Familienzentrums für die eineinhalb Fachstellen. Noch bis 11. Oktober kann man sich dafür unter openpetition.de/!mrrbz eintragen. Über 1.000 Stimmen sind für das FAM bereits abgegeben worden. Birgit Herwig und Tina Flammensböck hoffen sehr auf einen positiven Entscheid des Stadtrats. Ihr Resümee ist gleichzeitig auch ein Appell: „Allach braucht das FAM – das FAM braucht eineinhalb Stellen.“