Aus sportlicher Sicht ist die Geschichte der Reise des TSV 1860 München zum Freundschaftsspiel bei Crakovia Krakau schnell erzählt: In einer insgesamt niveauarmen Partie siegte Crakovia durch einen strammen Distanztreffer von Radoslaw Matusiak in der 90. Minute mit 2:1 Toren.
Krakaus Mateusz Klich hatte zuvor nach torloser erster Halbzeit mit einem platzierten Schuss das 1:0 markiert (54. Minute). Den Ausgleich für den TSV 1860 besorgten die Polen selbst: Emanuel Biancucci dribbelte sich einmal mehr im Abwehrverbund des Gegners fest. Den bereits sicher eroberten Ball passte Verteidiger Milos Kosanovic zurück zu seinem Torwart Merda. Der stand aber auf dem falschen Fuß und musste hilflos mit ansehen, wie der Ball an ihm vorbei ins Tor trudelte. Reiner Maurer gab einer Reihe von Reservisten die Möglichkeit Spielpraxis zu erwerben. Sandro Kaiser waren seine verletzungsbedingten Pausen der letzten Monate anzusehen. Das Eigengewächs der Löwen spielte bemüht und fleißig, wirkte aber einfach nicht spritzig genug, um sich gegen seinen Kontrahenten entscheidend in Szene setzen zu können. Eine schwache Partie bot Emanuel Biancucci. Dem Argentinier gelang an diesem Tag wenig. Auch Eke Uzoma konnte seine Aufstellung im defensiven Mittelfeld nicht rechtfertigen. Kurz vor Abpfiff sah Stefan Buck Gelb-Rot, als er einen durchgebrochenen Gegner vor dem Strafraum mit einem Foul bremste.
Interessanter als das Spiel zeigte sich die Architektur des brandneuen Cracovia-Stadions und das Geschehen auf den Rängen. Die rund 15.000 Zuschauer fassende Heimat des ältesten Fußballvereins Polens steht inmitten der Stadt direkt auf dem Grund der alten, 1912 erbauten Spielstätte. Unterschiedlich gegliederte Baukörper verleihen dem Stadion, auch im Inneren, ein eigenständiges Gesicht mit Wiedererkennungswert, das vielen der zuletzt in Deutschland entstandenen, sich einander oft bis zur Austauschbarkeit ähnelnden, Arenen fehlt. Der eine oder andere der 220 mitgereisten Löwenfans mag deshalb vielleicht etwas neidisch auf die gut 4.000 Cracovia-Anhänger geblickt haben, die obendrein eine für ein sportlich mäßiges Freundschaftsspiel fantastische Stimmung auf den Tribünen erzeugten. Die Anfeuerungsrufe der Zuschauer hallten nicht nur aus der Kurve hinter dem Tor, sondern aus dem ganzen Stadion. Auch auf der Haupttribüne und Gegengerade klatschten die Zuschauer im Rhythmus und standen immer wieder auf, um lautstark ihr Team anzufeuern. Selbst auf den Presseplätzen sah man Journalisten, die beim Einlauf der Mannschaften mal eben ihr Laptop zuklappten, um beim Vereinslied mitzusingen und einen Fanschal hochzuhalten. Die aus deutschen Stadien bekannten Musikeinspielungen und Animationen von Moderatoren und DJs sind in Krakau übrigens unbekannt. Der orkanartige Torjubel der Zuschauer ist mitreißend und bedarf ganz offensichtlich keiner weiteren musikalischen Untermalung Fußball pur.
Der Löwenanhang wollte in Krakau nicht hinten anstehen und bot ebenfalls eine für die kleine Schar beachtlich lautstarke Unterstützung. Nachdem sich die Anhänger von Heimverein und Gast wechselseitig für ihren Support respektvoll applaudiert hatten, flogen die ersten Schals als Tauschgeschenke über die Trennzäune und sie hatten sich offenbar gefunden die Löwen und die Fans von Cracovia. Die wechselvolle Geschichte der beiden Vereine bietet schließlich einige Parallelen. Der letzte Erfolg des fünffachen polnischen Meisters Cracovia datiert aus dem Jahr 1948. Lokalrivale Wisla, dessen Stadion 500 Meter Luftlinie entfernt steht, dominiert die polnische Liga als Serienmeister fast nach Belieben. Welchem Giesinger kommt das nicht bekannt vor?
Irritierend für Besucher aus Deutschland wirken die martialisch auftretenden, in paramilitärischer Tarnkleidung steckenden, muskelbepackten Ordnungskräfte im Stadion. Auch die rigiden High-Tech-Zugangskontrollen, die eine biometrische Erfassung und Identitätsfeststellung aller Besucher vorsehen, erinnern an einen Science Fiction-Albtraum. Künftig sollen alle Stadien in Polen über Kontrollmöglichkeiten dieser Art verfügen. Vereine und staatliche Organe wollen auf diese Weise ihr Hooliganproblem bekämpfen.