Es ist eine bunt gemischte Gruppe, die sich dieses Mal auf Einladung der Münchner Wochenanzeiger im Aubinger „Un Momento“ zu einer Gesprächsrunde zusammengefunden hat. Geschäftsleute, Vereinsvorstände, Einheimische, Neuaubinger, politisch und sozial Engagierte - sogar ein Nichtaubinger, der aber beruflich mit der Entwicklung des Stadtteils zu tun hat. „Wir sprechen uns“ lautete das Motto. Einig waren sich alle darin, dass der Stadtbezirk 22 etwas Besonderes ist. „Hier sind die Leute und die Atmosphäre ein wenig anders als in den anderen Münchner Stadtteilen“, fasste es Klaus Bichlmayer in Worte. Diesen Charme möchten die Aubinger auch in Zukunft bewahren – vor allem wenn das neue Wohnquartier Freiham gebaut wird.
Der Stadtbezirk 22 hat ein besonderes Flair. Darin war sich unsere Gesprächsrunde im Aubinger Restaurant „Un Momento“ einig. „Ich kenne viele, die erst weggezogen und mittlerweile wieder zurückgekommenn sind“, erklärte Martina Labenz. Die Sehnsucht nach Aubing sei zu groß gewesen. Warum ist das so? „Aubing ist sowohl Großstadt, aber auch ländlich geprägt. Im alten Dorfkern gibt es sogar noch Bauern“, schwärmte Thomas Lenz. Das viele Grün präge den Stadtteil, bestätigte Labenz. „und natürlich die bunte lebendige Gemeinschaft. „Dieser Ort hat etwas, das man woanders nicht findet“, betonte Klaus Bichlmayer.
Daniel Genée kann das bestätigen. Bei einer Befragung zum Image von Neuaubing-Westkreuz hätten die Neubürger den Stadtteil viel positiver gesehen als die Alteingesessenen. Die würden im Viertel nur die Veränderungen sehen und den alten Zeiten nachtrauern. Für Bichlmayer gibt es sowieso keine Unterscheidung zwischen Neubürgern und Alteingesessenen. „Es ist gar nicht so wichtig, wie lange man in Aubing wohnt. Wichtig ist, dass man sich hier engagiert und sich mit den Inhalten des Ortes identifizieren kann“. Er setzt sich im Verein „1000 Jahre Urkunde Aubing“ für die Erhaltung des Ensembleschutzes im Dorfkern Altaubing ein. „Es wird die Situation kommen, dass dieser Dorfkern ringsum von gesichtsloser Bebauung umringt sein wird. Dann wird man diese kleine Insel zu schätzen wissen.“ Zustimmendes Kopfnicken in der Gesprächsrunde. „Dieses Kleinod müssen wir unbedingt erhalten. Das ist die Geschichte und die Tradition von Altaubing“, so Dagmar Mosch. Das alte Dorf sei ein Identifikationspunkt. Allerdings versuchten Bauträger immer wieder im Ensemble Gebäude zu errichten, „die nicht unserem Denken entsprechen. Da muss man ganz stark aufpassen, dass da nicht noch mehr kaputt gemacht wird.“
Labenz berichtete, dass ein Elternbeirat die sozialen Einrichtungen in Aubing als „Musketiere“ bezeichnet hatte. „Einer für alle und alle für einen. Das ist in München einzigartig. Hier halten alle zusammen. Egal, ob städtische Einrichtung oder Jugendtreff. Wenn jemand Hilfe braucht, findet man immer gemeinsam eine Lösung. Wir haben keinerlei Konkurrenzdenken, wir arbeiten alle partnerschaftlich“. Ein Beispiel ist die Integration der Flüchtlinge, zu denen Labenz ständigen Kontakt hat. „Die sind glücklich, zufrieden, dankbar. Es ist ein Geben und Nehmen.“ Vor allem die Kinder hätten keine Berührungsängste.
„Wir Geschäftsleute halten alle zusammen“, berichtete Franz Kumeth. Doch einfach sei es für den Handel am Ort nicht. Die Kfz-Werkstatt von Kumeth liegt mitten in Altaubing. „Meine Kollegen lieben Ihre Werkstatt, weil sie so zentral gelegen ist“, warf Labenz ein. Auch Mosch schätzte die Werkstatt: „Ich finde es gut, wenn man nicht immer mit dem Auto irgendwo hinfahren muss“. Die Werkstatt im Zentrum mit ihren an- und abfahrenden Autos sei manch einem Bürger aber ein Dorn im Auge, so Kumeth. „Dabei gibt es uns schon seit 50 Jahren.“ Er beobachtet mit Sorge, dass in Aubing ein Geschäftesterben droht und die Flächen von Fastfoodbuden und Billigketten übernommen werden. „Man muss aufpassen, dass das nicht umschwenkt und wir eine andere Struktur bekommen.“ Ein Problem seien die enormen Grundstückspreise. Kumeth berichtete von Einzelhändlern, die für ihre Flächen solch hohe Summen angeboten bekommen hätten, dass sie verkauft hätten. Und dann ist da noch das Problem der steigenden Mieten. Das Problem kennen aber alle Großstädte, es sei nicht typisch für Aubing, erklärte Lenz. „Der Einzelhandel muss seine Nischen finden. Du musst immer das machen, was die anderen nicht machen und dann geht es“, ist seine Erfahrung. Bichlmayer nannte ein Beispiel. So sei ein Obst- und Gemüsegeschäft mitten im Altdorf, das von jungen Leuten übernommen worden ist und durch Freundlichkeit, gute Ware und vernünftige Preise überzeugt zu einer „Supereinkaufsstelle“ geworden.
Den Beobachtungen der Geschäftsleute stellte Genée wissenschaftliche Untersuchungen gegenüber. „Das Problem, dass Betriebe, die wichtig für die Nahversorgung sind, aufhören, haben wir in Aubing. Das werden wir in der Limesstraße nicht komplett verhindern können, aber man kann die Betriebe, die sich hier noch halten, unterstützen.“ Die Voraussetzungen dafür seien in Aubing gut. So setzt sich beispielsweise der Verein „Aubing ist in“ für den Einzelhandel ein. Hier haben sich Geschäfte und Unternehmer vernetzt und wollen den Standort durch gemeinsame Aktionen stärken und entwickeln.
Genée schwärmte von der „lebendigen Vereinskultur in Aubing und am Westkreuz“. Die sei ihm gleich aufgefallen. Im Vergleich zu anderen Stadtteilen gebe es „überdurchschnittlich“ viele Vereine. Allerdings würden sich die Mitglieder der Vereine nicht mischen. „Da gibt es beispielsweise einen Verein, der sich für Integration einsetzt und daneben einen, sage ich mal, deutschgeprägten.“ Wichtig sei, dass die „positive gute Vereinsstruktur“ so zusammen gebracht wird, dass ein Miteinander entsteht. Bichlmayer hat bei den Aubinger Vereinen eine Veränderung festgestellt. Klassische Vereine wie der Männergesangsverein haben eklatante Nachwuchsprobleme, „das heißt, dieses Modell ist am Auslaufen.” Sie hätten ihre Berechtigung in einer Zeit gehabt, „in der es wichtig war, dass man sich trifft.“ Heute gehe der Trend hin zu Vereinen, die sich für bestimmte Interessen einsetzen wie das Kulturnetz oder der Verein „1000 Jahre Urkunde Aubing“. Da ist nicht mehr der Vereinsabend das Thema, sondern das Engagement im öffentlichen Bereich.”
„Das funktioniert“, bestätigte Labenz. Sie hat bereits gemeinsame Aktionen mit Kindern und Senioren gemacht. Im öffentlichen Bereich könnte aber noch einiges verbessert werden. Genée regte an, dass Frei- und Grünflächen so gestaltet werden, „dass man sich wohlfühlt.“ Ein Beispiel ist der große Grünzug, der sich von Bahnfläche zu Bahnfläche zieht. „Der hat zwar viel Fläche, aber man kann große Teile gar nicht betreten.“ Hier könnte man ein Konzept entwickeln, um den Bereich für Alt und Jung attraktiv zu gestalten. „Beide müssten eingebunden werden.“
Mit den Beteiligungen sei es allerdings so eine Sache, kritisierte Mosch. „Leider dauert das Ganze in der Verwaltung wahnsinnig lange.“ Sie forderte, dass Prozesse verschlankt und verkürzt werden.“ Ansonsten würden die Bürger resignieren. „Das nächste Mal machen sie nicht mehr mit, weil sie der Ansicht sind, dass sowieso nichts rauskommt.” Dem stimmte Bichlmayer zu: „Die negativen Erfahrungen mit den sogenannten Bürgerbeteiligungen dominieren leider. Da sind Dinge am Spiel, die mich als Bürger zum kleinen Rädchen, zum Mitläufer, degradieren.“ Genée stellt klar: „Bei Bürgerbeteiligungen muss man von Anfang an sagen, was geht und was nicht.“ Die Stadt könne nicht alles bestimmen. „Es gibt Gesetze, die setzen auch der Stadt einen engen Handlungsrahmen. In der Limesstraße und überall, wo es keine Bebauungspläne gibt, entscheiden Grundeigentümer und Investoren und mit denen muss man reden.“
Lenz: „Freiham ist für den Handel auf jeden Fall eine Chance. Man muss sich aber gut aufstellen. Das einzige ist die Verkehrssituation. Das wird das große Problem.” Auch Kumeth freut sich auf neue Kunden aus Freiham. „Da kommen bestimmt 20.000 Autos“, lachte er: Chance? „Logisch, ganz klar.“ Aber die neuen Einkaufszentren in Freiham dürften nicht mit denen in Aubing konkurrieren, gab Mosch zu bedenken. Die Gefahr sieht Genée nicht. „Vom Bebauungsplan ist in Freiham eine Kleinteiligkeit der Geschäfte vorgesehen.“ Die beiden Ladenzeilen hätten nur eine Ebene und maximal 5.000 Quadratmeter Handelsflächen im Gegensatz zu den 23.000 in Pasing.
Was die Integration der beiden Stadtteile betrifft, so war die Tischrunde guten Mutes. „Man muss das Ganze unverkrampft sehen“, meinte Bichlmayer. Vor 50 Jahren, als das Westkreuz entstanden ist, hätte sich keiner über das „Zusammenwachsen“ Gedanken gemacht. Wenn die Strukturen im öffentlichen Bereich stimmen, dann wird sich alles andere ganz automatisch einrichten. Die Strukturen findet Genée bereits jetzt „bombig“. An der Wiesentfelser Straße sind Schule, Kirche, Kita, Jugendfarm, Jugendtreff und Ladenzeile. „Die ideale Voraussetzung, um eine Verbindung zwischen dem neuen Freiham und Aubing herzustellen.” Den zentralen Wunsch für die Zukunft fasste Bichlmayer in Worte: „Ich wünsche mir, dass der Stadtteil seinen Charakter in die Zukunft mitnehmen kann.”
Klaus Bichlmayer (Förderverein 1000 Jahre Urkunde Aubing)
Daniel Genée (Stadtteilmanagement Neuaubing-Westkreuz)
Martina Labenz (LHM, Bildungsreferat, Abt. Kita)
Dagmar Mosch (REGSAM-Fachkraft, Kinder / Jugend / Familie)
Franz Kumeth (KfZ Kumeth)
Thomas Lenz (Herrenmoden Lenz).