Veröffentlicht am 26.07.2011 00:00

Zentrum · Ein wenig Hoffnung


Von red
Christine Lang ist seit 35 Jahren Standlfrau auf dem Viktualienmarkt, seit 65 Jahren schon »d’Schwiegerleit«. Sie hat Angst, dass sich vieles verändert, wenn der Markt saniert wird. 	 (Foto: Sylvie-Sophie Schindler)
Christine Lang ist seit 35 Jahren Standlfrau auf dem Viktualienmarkt, seit 65 Jahren schon »d’Schwiegerleit«. Sie hat Angst, dass sich vieles verändert, wenn der Markt saniert wird. (Foto: Sylvie-Sophie Schindler)
Christine Lang ist seit 35 Jahren Standlfrau auf dem Viktualienmarkt, seit 65 Jahren schon »d’Schwiegerleit«. Sie hat Angst, dass sich vieles verändert, wenn der Markt saniert wird. (Foto: Sylvie-Sophie Schindler)
Christine Lang ist seit 35 Jahren Standlfrau auf dem Viktualienmarkt, seit 65 Jahren schon »d’Schwiegerleit«. Sie hat Angst, dass sich vieles verändert, wenn der Markt saniert wird. (Foto: Sylvie-Sophie Schindler)
Christine Lang ist seit 35 Jahren Standlfrau auf dem Viktualienmarkt, seit 65 Jahren schon »d’Schwiegerleit«. Sie hat Angst, dass sich vieles verändert, wenn der Markt saniert wird. (Foto: Sylvie-Sophie Schindler)

Die vielen Einheimischen besuchen den Viktualienmarkt wie sonst auch. Doch neuerdings wollen sie nicht nur wissen, woher die Kirschen kommen, ob die Aprikosen süß genug oder welche Kartoffeln mehlig sind.

Der Münchner Viktualienmarkt

Viktualienmarkt in der Altstadt Themenseite über den bei Münchnern sowie Gästen beliebten Markt im Herzen Münchens

Seit im Gutachten des TÜV Rheinland von erheblichen Mängeln die Rede ist und es hieß, der Viktualienmarkt müsse »abgerissen werden«, treibt die Stammkunden eine neue Sorge um. »Wie lange gibt es euch noch?«, fragen die einen. »Beginnt morgen schon der Umbau?«, fragen andere. »Könnt ihr denn da gar nichts machen?«, fragen die nächsten. Klar ist: So mir nichts, dir nichts wollen die Münchner ihren geliebten Viktualienmarkt nicht hergeben. Seit 1807 steht der Markt da, wo er steht.

Rund 5,6 Millionen Besucher kommen jährlich. »Das ist doch unser Herzstück. Das kann man nicht einfach herausreißen«, empört sich Gerhard Lackinger, der zu den rund 62 Prozent Stammkunden gehört. »Ohne Viktualienmarkt ist München nicht mehr München.« Christine Lang seufzt. An ihrem Obst- und Gemüsestandl ist heute weniger Betrieb als sonst. Es ist Freitag, mal wieder einer dieser Sommertage, an denen es Sturzbäche vom Himmel gießt. Für die Marktleute bedeutet das: weniger Umsatz. Das Geschäft ist nun mal abhängig vom Wetter. Doch das kennt die 58-Jährige ja schon. Sie ist quasi auf dem Viktualienmarkt groß geworden, seit 65 Jahren betreibt die Familie – »d’Schwiegerleit« – bereits ihren Handel dort, schon die Oma hat einen Obstkarren auf dem Markt gehabt, seit 35 Jahren steht Christine Lang selbst an ihrem Standl, egal ob gerade Wiesn ist oder Christkindlmarkt oder Fußball-WM. »Ich hab hier schon so viel erlebt«, erzählt sie. »Aber was momentan passiert, das ist echt ein Skandal. Noch nie musste ich um meine Existenz bangen. Doch nun kann ich überhaupt nicht sagen, wie meine Zukunft aussehen wird.«

Solche Ängste haben viele der 135 Händler. Und wer sein Herz ausschütten mag, der geht auch zu Elke Fett, Sprecherin des Viktualienmarktes. »Ich bin zurzeit fast so was wie eine Seelsorgerin«, sagt die patente Händlerin. »Hier herrscht gerade so viel Unsicherheit und es gibt viele Fragen, die uns keiner beantwortet.«

Die Kommunikation mit der Stadt sei ohnehin immer schleppend gewesen. »Mit uns wird nicht geredet«, sagt Elke Fett. »Erst über die Zeitung mussten wir erfahren, wie es um den Viktualienmarkt steht.« So aber könne es nicht weitergehen. »Wir wollen, dass man uns endlich ernst nimmt«, so Fett, die jedoch alles andere als auf Krawall gebürstet ist. »Wir wollen keinen Krieg«, sondern weiterhin einen schönen Markt. Dazu müssten sich alle an einen Tisch setzen, fordert sie. »Es darf nicht sein, dass man über unsere Köpfe hinweg entscheidet. Wir am Markt wissen besser was fehlt als der TÜV Rheinland.«

Der TÜV Rheinland und das Büro Assmann haben im Auftrag der Stadt ein immobilienwirtschaftliches Gutachten der vier Münchner Lebensmittelmärkte erstellt. Kostenpunkt: rund 300.000 Euro. Das Ergebnis ist gepackt in 48 Aktenordner. Der Viktualienmarkt kommt darin alles andere als gut weg. Unter anderem ist die Rede von Hygienemängeln, maroden Kellern und fehlenden öffentlichen Toiletten. »Manche Stände haben nicht mal fließend warmes Wasser«, berichtet Kommunalreferentin Gabriele Friderich. »Es muss dringend saniert werden.«

Nicht den ganzen Markt umkrempeln

Dagegen haben freilich auch die Marktleute nichts. »Wenn ich Strom und Wasser hätte, wäre ich froh«, sagt Christine Lang. »Was getan werden muss, soll getan werden«, stimmt auch Elke Fett zu. »Doch muss deshalb gleich der ganze Markt umgekrempelt werden?« Fakt ist: Die Mängel aus dem Gutachten wurden bei der Stadt zum Anlass genommen um auch über eine Neukonzeptionierung des Viktualienmarktes nachzudenken. Noch soll es keine konkreten Pläne geben. Baubeginn soll frühestens 2014 sein. Während des Umbaus soll der Markt nicht komplett geschlossen werden. Mit diesen spärlichen Informationen wollen sich die Händler nicht zufrieden geben. Die Marktleute halten alles für möglich, die Gerüchteküche brodelt heftig. Kommen Investoren? Drohen höhere Mieten? Gibt es bald standardisierte Buden? Gehen Tradition und eigener Charakter verloren? »Wir wollen unbedingt, dass das Flair erhalten bleibt und der Markt gleichzeitig modernen Anforderungen entspricht«, so Kommunalreferentin Friderich. Eine Privatisierung aber sei nicht zu befürchten. Die Stadt ist über ihr Unternehmen »Markthallen« Eigentümerin des Viktualienmarkts. Und das solle, so Friederich, auch weiterhin so bleiben. »Der Viktualienmarkt ist unser Goldstück. Den wollen wir nicht aus der Hand geben.«

Andere Bedenken hingegen kann sie nicht aus der Welt schaffen. »Höhere Mieten werden kommen. Immerhin gab es seit 2003 keine Erhöhung«, sagt die Kommunalreferentin. Zudem hätten die Gutachter empfohlen, die Verträge der Marktleute zu ändern. Rund zwei Drittel haben nämlich keine üblichen Mietverträge, sondern sogenannte Zuweisungen, die von der Stadt nur sehr schwer zu kündigen sind. »Ich verstehe, dass das verunsichert. Anfeindungen bringen uns aber nicht weiter«, so Friderich. Ein Treffen mit den Marktleuten stellte sie noch im Sommer in Aussicht. Die hingegen bleiben skeptisch. »Ich glaub´ nichts mehr«, schimpft Händlerin Lang. »Das sind doch nur leere Sprüche.«

Beste Stimmung

in der Schranne

In direkter Nachbarschaft zum Viktualienmarkt, in der Schrannenhalle, ist die Stimmung derweil bestens. Hans Hammer vom Immobilienunternehmen Hammer AG stellte in einer Pressekonferenz das neue Konzept der Schranne nach dem Umbau vor. »Ganz nach dem Geschmack der Marktleute auf dem Viktualienmarkt wird die Schrannenhalle endlich das, was sich alle Münchner längst gewünscht haben: eine Markthalle mit kulinarischem Angebot und einer Vielfalt, die keine Wünsche offen lässt«, kündigte er an. »Hier wird Qualität ausgeatmet.«

Eines der Highlights: Käfer bietet auf 1.300 Quadratmetern sein gesamtes Sortiment der DelikatessenMärkte an. Eröffnungsfeier der neuen Schranne ist am 5. Oktober.

Dass die Schrannenhalle nach dem Scheitern des Vorgängerkonzepts endlich als Erweiterung des Viktualienmarkts gesehen wird, freut Elke Fett. »Das ist unser großer Traum«, sagt sie. Ein bisschen Hoffnung. Das tue gut. Besonders in dieses Tagen.

Sylvie-Sophie Schindler

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