Das Schlimmste ist (zumindest vorerst) vorbei. Die Zahlen der Corona-Neuinfektionen sinken auch in der Region München, so langsam kehrt die Normalität zurück, wenngleich mit Abstandsregel und Maskenpflicht. Besonders betroffen von der "neuen Normalität" sind Sportvereine - denn wo Schweiß und Spucke fließen und körperliche Nähe oft unvermeidbar ist, sind Hygieneregeln schwerer umzusetzen als im Theater, im Büro oder im Supermarkt.
Dennoch müssen sich auch die zahlreichen Sportvereine in München und dem Umland besagter neuen Normalität, von der keiner weiß, wie lange sie Bestand haben wird, anpassen. "Hygienekonzept" lautet das Stichwort, um zumindest in Teilen den Sportlern das Training zu ermöglichen und so auch die Basis für Wettkämpfe zu schaffen. Gefragt ist in diesen Zeiten Kreativität, Improvisation und Transparenz. So informieren die Vereine ihre Mitglieder über die neuen Verhaltensregeln per Post oder per E-Mail, auf ihren Websiten oder auf Anfrage telefonisch und in den Geschäftsstellen.
Doch wie sieht ein solches Hygienekonzept bei einem Breitensportverein aus? Exemplarisch betrachtet sei die Situation bei der Turnerschaft Jahn München. Der Traditionsverein aus dem Stadtbezirk Bogenhausen ist vor allem bekannt durch seine erfolgreichen Basketballerinnen, hat aber auch ein umfangreiches Angebot im Bereich Fitness und Gymnastik, das seit kurzem wieder genutzt werden kann. Allerdings besteht im ganzen Gebäude und Gelände der TS Jahn München Maskenpflicht, beim Training selbstverständlich nicht. Eingang und Ausgang im Gebäude hat der Verein neu geregelt, damit für die Sportler so wenig Berührungspunkte wie möglich vorhanden sind. Wichtig: Umkleiden, Duschen, Sauna und Wasserspender dürfen nicht genutzt werden.
In den Hallen der TS Jahn an der Weltenburger Straße gibt es aktuell nur begrenzte Teilnehmerplätze: So darf die große und kleine Halle mit maximal 20 Personen (ein Trainer plus 19 Sportler) und die Mehrzweckhalle mit maximal zehn Personen (ein Trainer plus neun Sportler) belegt werden. Spontane Besuche in den Gymnastikstunden und im Fitnessstudio sind momentan nicht möglich. Um Infektionsketten nachvollziehen zu können, müssen Teilnehmerlisten geführt werden. Die Reservierung ist ausschließlich über ein Online-System möglich. Ab dem 22. Juni hat die Bayerische Staatsregierung die bislang geltenden Obergrenzen von 20 Personen aufgehoben. Die künftige Teilnehmerbegrenzung ergibt sich für den Innen- und Außenbereich aus den jeweiligen räumlichen Rahmenbedingungen vor Ort wie Raumgröße und Belüftung.
Während also bei Fitness- und Gymnastikfreunden der Schweiß an den Geräten und in den Turnhallen wieder fließt, sitzen viele Leistungsschwimmer buchstäblich auf dem Trockenen. Zwar durften die Freibäder in Bayern mit Hygienekonzepten bereits wieder öffnen, den Schwimmvereinen hilft dies aber nur bedingt weiter. So bekommt zum Beispiel der vielfach für seine Nachwuchsarbeit prämierte SC Prinz Eugen München, ebenfalls in Bogenhausen beheimatet, nach eigenen Angaben keine Bahnen und Zeiten in den Freibädern, da die Athleten - auch im Sommer - ansonsten im Schulschwimmbad der Ruth-Drexel-Schule trainieren. Dieses hat aber bislang nicht geöffnet, generell bleiben Schulschwimmbäder vorerst für den Vereinssport geschlossen.
Seit dem 12. Mai dürfen am Landesstützpunkt München zumindest Bundes- und ausgewählte Landes-Kaderathleten wieder in Kleingruppen ihr Schwimmtraining absolvieren. Den meisten Leistungsschwimmern bleibt aber momentan nichts anderes übrig, als jeder für sich zu trainieren und sich Tag für Tag einen Platz im Freibad zu reservieren. Dabei hat der SC Prinz Eugen bereits Hygieneregeln erstellt und eine Corona-Beauftragte ernannt. „Wir brauchen für den Schwimmsport wieder eine Perspektive“, teilt die Abteilungsleiterin Angelika Becker mit und berichtet, „dass das Infektionsrisiko im Chlorwasser sehr gering und Schwimmen ja im Gegensatz zu Fußball oder Basketball eine Individualsportart ist." Außerdem seien Schulschwimmbäder nicht öffentlich zugänglich und damit Infektionsketten problemlos rückverfolgbar.
Deutlich leichter haben es da Sportler, die ihr Hobby unter freiem Himmel und mit genügend Abstand zueinander ausüben können. "Die Mitglieder haben das ab Tag eins der Wiedereröffnung auch genutzt. Egal, wann man geschaut hat - immer hat jemand draußen Tennis gespielt", berichtet Andreas Halbich, Vorstand des TC Grün-Gold, dessen Tennisplätze direkt neben dem Gelände des TSV 1860 München an der Grünwalder Straße liegen.
Grünes Licht gibt es für alle Tennisfreunde nun auch wieder für den Punktspielbetrieb. Sowohl Einzel als auch Doppel dürfen ausgetragen werden. Allerdings verläuft die zeitlich nach hinten verschobene Spielzeit anders als geplant, nicht nur wegen der zahlreichen Hygienevorschriften, die es zu beachten gilt. Ein wichtiger Aspekt - das gemeinsame Beieinandersitzen danach - sei natürlich stark eingeschränkt, im normalen Umfang gar unmöglich, bedauert Halbich. Aber nicht nur deswegen hätten einige Mannschaften ihre Aufstellung zurückgezogen: Manche hätten gesundheitliche Bedenken, andere wiederum schon Urlaub gebucht und hoffen nun im Zuge der Lockerungen, diesen auch antreten zu können.
Mannschaftssportler von American Football bis Volleyball dürfen zwar mit den erwähnten Einschränkungen in Gruppen trainieren, an Wettkämpfe ist derzeit jedoch noch nicht zu denken. Strenge Hygienekonzepte und Quarantänen in Kaderstärke, wie sie für die Geisterspiele der Fußball- und Basketballprofis vorausgesetzt wurden, wären für Amateure weder zu bezahlen noch praktisch umsetzbar. Quasi alle bayerische Ligen haben ihre Saison daher vorzeitig abgebrochen.
Eine Sonderrolle nimmt der Fußball ein: Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat beschlossen, das Spieljahr 2019/20 lediglich zu unterbrechen und bis zum 30. Juni 2021 zu verlängern. Eine Saison 2020/21 wird es für Bayerns Amateurfußballer/innen demnach nicht geben. Der geregelte Spielbetrieb kann nicht vor September 2020 wieder aufgenommen werden. Für den Großteil der Ligen im Erwachsenenbereich stehen durchschnittlich noch zwischen zehn und bis zu 17 reguläre Ligen-Spieltermine an, witterungsbedingt kann aber nur bis Mitte November gespielt werden. Die Fußball-Juniorinnen sollen ihre Spielzeit ebenfalls ab September fortsetzen, die Junioren brechen ihre Saison hingegen ab. Der Hauptgrund laut BFV: Bei den Junioren sind über die Hälfte der 14.100 Mannschaften im nicht-aufstiegsberechtigten Spielbetrieb und damit im reinen Breitensport aktiv. bs/hw/red