Wie Perlen auf einer Schnur reihen sich in Laims Agricolastraße Häuser aneinander: Einfamilienhäuser mit steilen, symmetrischen roten Dächern. Die Siedlung zwischen Senftenauer-, Rushaimer-, Aindorfer- und Byecherstraße hat einen besonderen, ganz eigenen Charme. Die „erste Laimer Heimag-Einfamilienhaussiedlung“ entstand in den Jahren 1936 und 1937. Das Gesicht der „Reichsheimstättensiedlung“, wie die Kolonie damals hieß, wird von verhältnismäßig schmalen, erdgeschossigen Einzel- und Doppelhäusern geprägt. Deren Dächer sind steil, symmetrisch und zumeist mit roten Biberschwanzziegeln gedeckt. Viel Grün umgibt die einzeln stehenden Häuser. Ein Gartenstadt-Idyll. Das wollen der in der Geßlerstraße wohnende Architekt Paul Kramer und seine Mitstreiter bewahren. Kramer regte deshalb im Bezirksausschuss Laim (BA 25) mit einem Lichtbildervortrag dazu an, „zum Schutz der städtebaulichen und gestalterischen Eigenart des Gebietes“ eine Erhaltungssatzung zu erlassen. Der Vorschlag stieß bei der Mehrheit der BA-Mitglieder auf offene Ohren.
Kramer hat, so sagt er, „durchaus Verständnis dafür”, dass sich einige Bewohner der Siedlung durch An- und Umbauten mehr Wohnraum schaffen wollen. Ihm missfällt, dass beim Ergänzen, Modernisieren, Umbauen oder Wärmedämmen die Häuser immer häufiger so verändert werden, wie es nicht zur Eigenart der Siedlungsgestalt passe. Da habe er sich „als Architekt zu Wort melden“ müssen. Durch „geringere Dachneigungen – als für die Siedlung typisch” werde mit einem 45 Grad geneigten Dach „oft ein geringerer Grenzabstand und eine höhere seitliche Wandhöhe erzielt.“ Der Architekt trug vor, eine „Erhaltungssatzung” gemäß Artikel 172 Baugesetzbuch und Artikel 81 der Bayerischen Bauordnung könne helfen, zu verhindern, dass der Heimag-Siedlung ihre „Eigenart” endgültig abhanden komme. Nach den geltenden Gesetzen könne die Lokalbaukommission nicht verlangen, so umzubauen, dass sich ein Bauvorhaben in die Umgebung einfüge. Paul Kramer: „Nur bei nachgewiesener Verunstaltung kann sie die Genehmigung verweigern.“ Wann ein Gebäude allerdings verunstaltet sei, liege im Auge des Betrachters. Kramer will nicht nur die eine oder andere „Verunstaltung” abwehren. Er fordert, An- und Umbauten an die bestehende Optik der Gebäude anzupassen. Werde das versäumt, befürchten Kramer und seine Unterstützer, werde sich das Viertel zu einem gesichtslosen Quartier ohne Charakter entwickeln. In dreißig, vierzig Jahren werde es ein totales Durcheinander geben, sagt der Architekt voraus.
Der Architekt hat bemerkt: „Aufgrund einer gewissen gestalterischen Lieblichkeit lockt dieses Idyll Bauträger, Fertighausverkäufer und allerlei geometrische Akrobaten, die oft Grundstück für Grundstück heimsuchen und negativ verändern wollen.“ Das indes vertrage sich keinesfalls mit den gestalterischen Besonderheiten der Siedlung. Zum Beispiel verleihen nach seinem Dafürhalten nur symmetrische Giebeldächer mit einer Dachneigung zwischen 48 bis 53 Grad die ursprüngliche Harmonie. Deshalb sollten sich Dachgauben unterordnen, Wandhöhen im Traufbereich unter vier Metern liegen und rote Biberschwanzziegel zum Dacheindecken benutzt werden. Das jedenfalls hat Kramer unter anderem im Entwurf für eine Erhaltungssatzung festgehalten. Kritikern hält er entgegen: „Das ist ein Abwägungsprozess. Will man größtmögliche Freiheit oder will man das bewahren, was die Qualität dieser Siedlung ausmacht.“
Ariane Gerritzen aus der Geßlerstraße gehört zu den Unterzeichnern der Initiative. Sie schätzt „die schönen, großen Gärten, die zusammen mit den einzeln stehenden Häusern eine sehr angenehme grüne Umgebung bilden.“ Ihre Sorge: „Wird alles vollgebaut, verändert man die kleinbürgerliche Siedlungsstruktur.” Mittlerweile könne jeder bauen, wie er wolle, kritisiert sie. „Das führt zu Unzufriedenheit in der Siedlung.“ Die Unterstützerin der Initiative meint: „Wir brauchen Gerechtigkeit und Klarheit.“ Bisher gebe es in der Siedlung eine funktionierende Nachbarschaft, zu der Kinder selbstverständlich dazugehörten. Wenn weiter wild gebaut werden dürfe, werde sich auch die soziale Struktur der Siedlung verändern, fürchtet sie. Deshalb setzt sich Ariane Gerritzen mit Paul Kramer und anderen Bewohnern für eine Satzung zum Erhalt der Eigenart „unserer Siedlung“ ein.
Das Laimer Lokalparlament unterstützte bei seiner jüngsten Sitzung den Vorstoß der Initiative. Anette Zöllner (CSU) vom Unterausschuss Planen/Bauen sprach sich dafür aus, bauliche Maßnahmen in der Heimag-Siedlung sollten gestalterisch eingegrenzt werden: „Es ist Handlungsbedarf da.“ Inhaltlich unterstütze der Ausschuss deshalb das Vorhaben der Initiative. Die Stadt müsse aufgefordert werden, ein geeignetes rechtliches Instrument für die Gestaltungssatzung zu finden. Dem folgte auch die Mehrheit des Stadtteil-Gremiums. Die Mitglieder der Grünen und der FDP stimmten nicht zu. Ingo Benn von den Grünen erklärte, weshalb seine Fraktion eine derartige Satzung ablehnt. Sie greife zu weitgehend in die Freiheit der Hausbesitzer ein.