Veröffentlicht am 29.07.2009 13:24

„Überzeugter Europäer“

„Eine Sternstunde des Parlamentarismus” lieferten die MdBs Jerzy Montag (Grüne, li.) und Peter Gauweiler (CSU), meinte Versammlungsleiter Andreas Bauer. (Foto: tg)
„Eine Sternstunde des Parlamentarismus” lieferten die MdBs Jerzy Montag (Grüne, li.) und Peter Gauweiler (CSU), meinte Versammlungsleiter Andreas Bauer. (Foto: tg)
„Eine Sternstunde des Parlamentarismus” lieferten die MdBs Jerzy Montag (Grüne, li.) und Peter Gauweiler (CSU), meinte Versammlungsleiter Andreas Bauer. (Foto: tg)
„Eine Sternstunde des Parlamentarismus” lieferten die MdBs Jerzy Montag (Grüne, li.) und Peter Gauweiler (CSU), meinte Versammlungsleiter Andreas Bauer. (Foto: tg)
„Eine Sternstunde des Parlamentarismus” lieferten die MdBs Jerzy Montag (Grüne, li.) und Peter Gauweiler (CSU), meinte Versammlungsleiter Andreas Bauer. (Foto: tg)

„Ich habe es satt, als Europa-Feind heruntergemacht zu werden.“ Peter Gauweiler, Bundestagsabgeordneter der CSU, versetzt bei einer Diskussion über das Thema „Deutschland in Europa – wie weiter?“ der Vorwurf, er sei nicht gerade ein Freund der Europäischen Union (EU) fast in Rage. Er wehrt sich energisch dagegen. Sein Kontrahent: Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Ausschusses für Europarecht, nimmt ebenso vehement für sich in Anspruch: „Ich bin überzeugter Europäer.“

Die beiden Mitglieder des Bundestages waren vom außenpolitischen Arbeitskreis des CSU-Bezirksverbandes München „schon traditionell“ in die Gaststätte „Rosengarten“ eingeladen worden, um während des Wahlkampfes ihre Sicht zum „bahnbrechenden Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts darzulegen. So jedenfalls führte Andreas Bauer, Geschäftsführer des CSU-Bezirksverbandes München, ins Streitgespräch ein. „Das Urteil ist ein Triumph für Peter Gauweiler.”

Der Münchner Anwalt hatte gegen den vorliegenden Vertrag von Lissabon Verfassungsbeschwerde eingelegt. Dieses Paragrafenwerk soll die alte Verfassung der EU auf eine neue Grundlage stellen. Das Verfassungsgericht entschied, es sei mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar. Aber: Das Begleitgesetz zur Reform der EU müsse korrigiert werden, noch bevor der Vertrag durch die Unterschrift des Bundespräsidenten gültig werde. Künftig müssen demnach Bundestag und Bundesrat wesentlich stärker als bislang vorgesehen, an den Entscheidungen, die in Brüssel getroffen werden sollen, beteiligt werden. Für Gauweiler bedeutet das: „Das Volk ist massiv gestärkt worden. Das ist ein Riesenfortschritt für die Demokratie in Deutschland.“

„Rhetorisches Feuerwerk”

Gauweiler und Montag legten sich mit einem „rhetorischen Feuerwerk“, wie Andreas Bauer es nannte, leidenschaftlich ins Zeug. Beide kennen sich seit über 30 Jahren. Sie haben bereits in Studientagen manch heiße Klinge miteinander gekreuzt. Gauweiler zu Montags Vorwurf, die „Rechten“ hätten in Karlsruhe gemeinsam mit den „Linken“ (mit Gauweiler klagte die Bundestagsfraktion der Linkspartei, die Red.) eine Klage zur „Vernichtung des Vertrags von Lissabon“ eingereicht: „Ich habe mir schon als Student nicht vorschreiben lassen, neben wen ich mich setzen darf.“ Er verstehe die Empörung nicht. Es sei wunderbar, dass „ausgerechnet die Linke das Grundgesetz mit verteidigen will”. Er bekannte vor sachkundigem europaorientiertem Publikum: „Ich bin gegen Bundeswehreinsätze in Afghanistan. Ich bin gegen den Vertrag von Lissabon.“ Gleichzeitig stellte er jedoch klar: „Ich will den Vertrag nicht vernichten.“ Der sei allerdings ziemlich unleserlich. Er müsse so kurz und prägnant abgefasst sein wie das Grundgesetz.

„Frieden und Freiheit”

Jerzy Montag erinnerte daran, weswegen sich das demokratische Deutschland nach der Hitlerdiktatur auf ein vereinigtes Europa verpflichtet habe. „Im Mittelpunkt dieser Idee stehen der Friede und die Erkenntnis, dass es die europäischen Nationalstaaten des 19. und des 20. Jahrhundertes nicht geschafft haben, Frieden untereinander zu halten.“ Das sei im Jahr 1949 der Grund dafür gewesen, die Vision eines vereinten Europas in die Verfassung aufzunehmen: „Das Grundgesetz will die europäische Integration. Das bedeutet keineswegs, dass wir unsere Eigenheit aufgeben müssen.“ Gauweiler ergänzte Montags Rückblick. „Nach 1945 war die Freiheit ebenso wichtig wie der Friede.“ Anders als für die Vereinigten Staaten von Amerika gelte für Europa ein Konzept der „versöhnten Verschiedenheit“. Der mühselige Ausgleichsprozess der unterschiedlichen Staateninteressen werde deshalb wohl nie wirklich abgeschlossen werden. Gauweiler: „Ich bin für die europäische Idee aber auch dagegen. Ich halte es für einen radikalen Trugschluss, immer größere Staatengebilde könnten Freiheit und Frieden auf einen Nenner bringen.“ Die richtige Antwort auf den Globalisierungstrend sei die kleine Einheit. Montag wandte ein, das Prinzip der Subsidiarität „klein ist besser und klein kommt zuerst“ sei jetzt schon im EU-Vertrag enthalten.

„Europablind und europafaul”

Auf den Zwischenruf aus dem Publikum: „Davon merkt man aber nichts!“ erwiderte Montag: „Ich bin nur einer von 612 Abgeordneten.“ Die großen Fraktionen nutzten das Recht, sich zu Maßnahmen der Europäischen Union zu äußern, „leider nicht”. Es fehle an Selbstbewusstsein. Überdies seien Abgeordnete „europablind und europafaul.“ Das Publikum zeigte sich europakritisch. „Welches Land soll noch in die EU?“ „Wer soll das bezahlen?“ „De facto sind wir schon ein EU-Bundesstaat“ war zu hören. Aber auch: „Toll, dass sich Jerzy Montag dieser Diskussion gestellt hat.“ Der Grüne fasste die Botschaft des Urteils zusammen: „Ja, es ist etwas Gutes herausgekommen. Es ist ein Gewinn.“ So seien die Rechte des Bundestages und die der Abgeordneten erheblich gestärkt worden. Das auszubauen, daran wollten die Grünen mitarbeiten. Gauweiler bekannte, er sei stolz auf seinen Erfolg bei Gericht. „Das war ein großartiges Gefühl.“ Er interpretiert das Urteil so: „Eigentlich stärkt es alle Volksvertretungen in Europa und alle Demokratien. Der Weg ist eine große Chance.“ Das Ziel seien souveräne Mitgliedsstaaten in einem EU-Staatenverbund und nicht ein Bundesstaat. Das sei nur durch Volksentscheid möglich, habe das Gericht in seinem Urteil erstmals festgestellt.

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