Die knallrot gestrichenen Hocker und die „Bude“, die einem Kiosk ähnelte, sind den Nutzern der Unteren Bahnhofstraße in der vergangenen Woche sofort ins Auge gestochen. „Nein, wir sind kein Planungsteam und fangen mit den Umbauten an“, lachte Lilly Seiler. Die Stadtforscherin und ihre Kollegen vom Wiener „Kollektiv Raumstation“ haben für die Stadt Germering vielmehr die Bürger zu Gedankenspielen und zu einer Ideenschmiede eingeladen. Als „Institut für Wertschätzung“ haben sie Aktionen und Workshops durchgeführt, mit dem Ziel, dass die Bürger die Straße von der S-Bahnunterführung bis zum Kleinen Stachus anders wahrnehmen. Die Städtebauförderung finanzierte das Projekt im Rahmen des Sonderfonds „Innenstädte beleben“. Daneben gab es den ganzen Tag Möglichkeiten beim Vorbeigehen oder im Rahmen einer Kaffeestunde mit den Mitarbeitern zu diskutieren. Was ihnen zu der Unteren Bahnhofstraße einfalle, wurden die Passanten beispielsweise gefragt. Antworten wie „ziemlich laut“, „viele Autos“, „gefährliche Kreuzung“ und „fehlende Radlwege“ waren der Klassiker, erinnert sich Mitarbeiterin Sarah Zelt. „Wir wollten Lust darauf machen, etwas Neues auszuprobieren“, so Seiler. In eine Parkbucht hatten sie Sitzhocker gestellt, die ausprobiert werden durften. Mit gemischtem Erfolg. „Die einen sagten, sie könnten es hier wegen der Abgase keine 30 Sekunden aushalten, die anderen schwärmten, dass unter dem Baum direkt Biergartenflair herrsche“, lachten die Mitarbeiterinnen.
Angesichts des begrenzten Raums könnte an der Straße nicht grundlegend etwas verändert werden, gaben die beiden zu. Allerdings könnte die Einkaufsstraße mit geringen Mitteln durchaus aufgewertet werden. „Man könnte den Raum flexibler zwischen Autos, Passanten und Radfahrern aufteilen“, meinte Seiler. Mehr Radlständer, autofreie Tage wie beim Marktsonntag oder ab und zu ein Gehsteigcafé könnten dazu beitragen, die Straße attraktiver zu machen.
Bei einer „Mental Map“ forderte Stadtforscherin Seiler die Bürger auf, die Untere Bahnhofstraße spontan mit den Elementen zu zeichnen, die ihnen wichtig seien. „Die unterschiedlichsten Bilder kamen zustande“, sagte sie. Oft sei die Straße dominierend gezeichnet worden. Aber auch der Brunnen am Kleinen Stachus, ein Erholungsort vieler Germeringer, sei auf den Bildern verewigt worden. Ihre Emotionen zu verschiedenen Standorten der Unteren Bahnhofstraße konnten die Bürger anhand von roten und grünen Fähnchen, die sie an die betreffende Stelle steckten, demonstrieren. „Grün“ wurden Lieblingsgeschäfte und der Brunnen markiert, „rot“ die Kreuzung und die fehlenden Radwege. Zum Abschluss der Aktion wurden stylishe Stadtmöbel gebaut. Die Anleitung dazu hatte das Wiener Designer-Architekturbüro „Mostlikely“ kreiert.