Ein Indianerkind im München des 19. Jahrhunderts, der gefälschte Taufbucheintrag eines künftigen Erzbischofs oder der Sterbeeintrag von König Ludwig II.: Mit einer Ausstellung unter dem Motto „Leben Lieben Sterben“ lädt das Archiv des Erzbistums München und Freising Besucher dazu ein, in Pfarrmatrikeln (Kirchenbüchern) aus 450 Jahren wichtige historische Details zu entdecken. Die Ausstellung im Münchner Karmelitersaal, Karmeliterstraße 1, ist bis Sonntag, 4. Mai, bei freiem Eintritt täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Das Archiv verwahrt rund 10.000 Bände historische Matrikeln aus allen Pfarreien des Erzbistums. Die Ausstellung zeigt anhand ausgewählter Originale die Entwicklung der Matrikelführung und stellt die verschiedenen Typen von Kirchenbüchern vor: Tauf-, Trauungs- und Sterbebücher, Firm- und Familienbücher oder Impfregister. Die Schau gibt auch Einblick in die digitale Nutzung der Matrikeln, die seit November 2013 im Lesesaal des Archivs möglich ist. Heute werden die Matrikeln von vielen Interessierten zur Erforschung ihrer Familiengeschichte genutzt. Sie sind aber auch eine wertvolle Quelle für wissenschaftliche Forschungen wie etwa zu Heiratsradius, Migration, Lebenserwartung, Todesursachen oder Namensgebung.
1563 schrieb das Konzil von Trient für die katholische Kirche die Führung von Pfarrmatrikeln vor. Die ältesten Matrikelbände aus dem Erzbistum stammen aus Landshut und Tölz und beginnen im Jahr 1576. Bis zur Einführung der Standesämter in Bayern 1876 waren die katholischen Pfarrer damit die Einzigen, die Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle erfassten. Zahlreiche historische Ereignisse spiegeln sich in den Matrikeln: Das Sterbebuch von Oberammergau beispielsweise zeugt von der Pestepidemie 1633, Anlass zur Entstehung des berühmten Passionsspiels. Die Ausstellung schildert auch den Kampf der Bischöfe mit den Nationalsozialisten um die Pfarrmatrikeln, die in der Rassenideologie des Regimes zum Nachweis „arischer“ Abstammung herangezogen wurden.
Auch die Lebensläufe besonderer Persönlichkeiten schlagen sich in den Büchern nieder: So ist der Tod des elfjährigen Indianers „Iuri“ vermerkt, den eine Brasilien-Expedition 1820 als lebendes „Forschungsobjekt“ nach München mitgebracht hatte. 1834 wurde die „schöne Münchnerin“ Helene Sedlmayr mit dem königlichen Lakaien Hermes Müller getraut; aus der Ehe gingen zehn Kinder hervor. Das Taufbuch der Hofkuratie Nymphenburg dokumentiert 1829 den vermutlich gefälschten Eintrag zur Geburt von Antonius von Thoma, des späteren Erzbischofs von München und Freising, wohl um dessen uneheliche Abstammung vom Hause Wittelsbach zu verschleiern. Im Taufbuch der Hofkuratie ist 1845 auch die Geburt von König Ludwig II. vermerkt, sein mysteriöser Tod 1886 im Sterbebuch der Pfarrei Aufkirchen am Starnberger See.