Die Geschichte klingt wie ein Alptraum. Doch für Michael H. ist sie Realität. Am 17. August 2008 unternahm der 33-jährige Rosenheimer zusammen mit seiner Lebensgefährtin Katrin und zwei Freunden eine Mountainbike-Tour auf den Heuberg in den Chiemgauer Alpen und stürzte zirka 50 Meter in den Abgrund. Knapp ein halbes Jahr später erzählt er, wie er seinen schweren Unfall erlebte.
Wie kam es zu dem Unglück?
Michael H.: Der Unfall ereignete sich bei der Abfahrt. Statt den gleichen Weg wieder zurück zu nehmen, folgten wir der Empfehlung eines Mountainbikeführers und wählten einen anspruchsvolleren Pfad. Aufgrund tagelanger Regenfälle war der Boden jedoch so aufgeweicht und rutschig, dass wir uns nach der Hälfte des Weges aus Sicherheitsgründen zum Umdrehen entschieden, und die Räder im steilen Gelände auf dem schmalen Pfad wieder zurückzuschieben. Als ich mein Bike umwuchtete, passierte es: Auf dem glitschigen Untergrund rutschte mir das Bike seitlich ab und ich verlor das Gleichgewicht.
Und Sie haben die Kontrolle verloren?
Ja, ich war völlig machtlos und hatte keine Chance, mich irgendwo festzuhalten. Dann ging alles sehr schnell. Im Sturz habe ich mich ein, zwei, drei Mal überschlagen, prallte gegen den Hang. Irgendwie konnte ich schließlich eine Wurzel greifen, mich festhalten und kam auf diese Weise zum Liegen.
Was schoss Ihnen in dem Moment durch den Kopf?
Ich spürte weder Schmerzen noch wollte ich wahrhaben, dass ich schwer verletzt war. Ich hatte nur eins im Kopf: Den Hang zu meinen Freunden wieder raufklettern. Doch es kam anders.
Was passierte dann?
Meine Lebensgefährtin hatte keine gute Idee: Sie sah mich den Hang hinabstürzen, warf ihr Bike zur Seite und sprang im Affekt einfach hinterher. Sie rutschte bäuchlings den Abhang hinab, um mir zu helfen. Dabei zog auch sie sich leichte Verletzungen zu. Trotzdem war ich sehr froh, sie bei mir zu haben.
Das heißt, Sie hatten Glück im Unglück?
…und zwei fantastische Schutzengel. Mein Helm sowie mein Trinkrucksack haben schwerere Verletzung im Kopfbereich sowie an der Wirbelsäule verhindert. Unsere Freunde setzen sofort einen Notruf ab. Wenige Minuten später meldete sich der Einsatzleiter der Bergwacht Brannenburg auf meinem Handy und ich konnte ihm unsere ungefähre Position mitteilen. Mit dem im Rucksack mitgeführten Erste-Hilfe-Set konnte Katrin die starke Blutung an meinem rechten Oberschenkel stillen und mich notdürftig verbinden. Es erschien uns wie eine Ewigkeit, bis wir schließlich den ADAC-RettungshubschrauberChristoph 1 hörten. Mit einer Rettungsdecke versuchten wir, auf uns aufmerksam zu machen.
Wie lief die Rettungsaktion ab?
Nachdem uns die Crew entdeckt und das Gelände aus der Luft erkundet hatte, setzte Christoph 1 zwei Helfer der Bergwacht Brannenburg sowie einen Rettungsassistenten und den Notarzt an der Absturzstelle ab. Aufgrund des unwegsamen Geländes mussten sich die Retter jedoch zu uns abseilen. Wir konnten also nicht sofort geborgen werden.
Was sprach dagegen?
Das Gelände war viel zu steil und der Bergwald zu dicht. Ein Bergwacht-Helfer nahm mich deshalb huckepack und seilte sich mit mir weitere 15 Meter auf eine weniger bewaldete Stelle ab. Dort legte er mir einen Klettergurt an und ich wurde zusammen mit dem Notarzt über die Rettungswinde an Bord von Christoph 1 gehievt. Bei einer Zwischenlandung im flachen Gelände versorgte mich schließlich der Notarzt.
Und Ihre Lebensgefährtin?
Katrin war zum Glück nicht so schwer verletzt. Sie wurde zusammen mit dem Rettungsassistenten aus der Schlucht geholt und auch am Zwischenlandeplatz abgesetzt. Danach wurden wir beide ins Klinikum Rosenheim geflogen.
Nach nur sieben Tagen durften Sie die Klinik wieder verlassen. Warum so schnell?
Die Ärzte stellten diverse Knochenbrüche, Prellungen und eine lange, tiefe Risswunde am rechten Oberschenkel, jedoch keine lebensbedrohlichen Verletzungen fest. Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes abgrundtief viel Glück und zudem äußerst kompetente Retter. Ich weiß nicht, wie ich ohne das Team von Christoph 1 aus der Schlucht gekommen wäre. Was die Crew und die Bergwacht Brannenburg geleistet haben, verdient großen Dank und höchste Anerkennung.