Es fragt der Bub: »Vater, warum sitzen bei uns fremde Leute in der Stube und warum müssen wir in der Küche essen?« So oder so ähnlich dürfte diese Frage in Sommern ab der Mitte des 18. Jahrhunderts auf vielen Höfen in unserer Gegend immer wieder von den Kindern gestellt worden sein.
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Denn plötzlich waren Fremde in der Stube, wo sonst nur die Familie und die Hofangestellten saßen. Sie werden es sich vielleicht schon denken, das waren die Anfänge des Tourismus auf dem Lande. Man sprach damals auch gern von der Sommerfrische. Viele wohlhabende Bürger der Städte hatten dazu eigene Sommerhäuschen auf dem Land. Sie taten es dem Adel gleich, wo es üblich war vom Stammsitz in der Stadt im Sommer auf den Landsitz zu wechseln. Dies war jedoch keine Urlaubslust, wie man vermuten könnte, sondern oft notwendig, um die großen Landgüter vor Ort zu verwalten und zu leiten.
Bei den reichen Bürgern spielte das natürlich keine Rolle und sie verweilten überwiegend zur Erholung auf dem Lande. Man muss sich vorstellen, dass Städte im beginnenden Zeitalter der Industrialisierung im heißen Sommer stickig und unangenehm waren. Es gab Handwerksbetriebe, die Dampfmaschinen betrieben und in der Nähe von den aufkommenden Bahnhöfen lag beißender Rauch der Dampflokomotiven in der Luft. Doch nicht alle konnten sich ein eigenes Häuschen im Grünen leisten, aber trotzdem wollten auch die weniger betuchten Menschen hinaus aus der Stadt. So kamen immer mehr Bauern auf die Idee, ihre Zimmer zeitweise an die Gäste aus der Stadt zu vermieten.
Dabei war es durchaus üblich, dass der Sommerfrischler das Bett in der guten Kammer bekam, während die eigene Familie auf dem Stroh schlief. Für die Bauern war es ein wichtiges Zusatzeinkommen, wenn es auch nicht immer ganz einfach mit den fremden Städtern war. Bei Ludwig Thoma kann man lesen, wie das damals zuging und wie damit auch zwei Welten aufeinander trafen. Denn die Städter machten auf die Landbevölkerung einen komischen Eindruck und auch umgekehrt war es nicht anders. Doch man arrangierte sich und entlang der Bahnlinien wuchs der Fremdenverkehr. Natürlich versuchte man den Urlaubern auch ein entsprechendes Freizeitangebot zu bieten. So wurde das bis dahin unübliche Freibaden in Seen und Flüssen modern und deshalb Seebäder angelegt.
Auch das Wandern steckte noch in den Kinderschuhen wurde aber zunehmend beliebter. Die Menschen aus der Stadt sehnten sich nach Natur und Ursprünglichkeit, die sie auf dem Land zu finden suchten. Ebenso wie den Wolperdinger. Denn die Geschichte von der Existenz eines solchen Fabelwesens bereitete den Einheimischen viel Spaß und man merkt hier, wie sie sich auch etwas lustig machten über die Gäste, die nicht recht wussten, ob sie den Geschichten glauben sollten oder nicht. Manch Städter soll auf der Suche nach dem Wolperdinger im Unterholz gesichtet worden sein. Ganz ehrlich, ich habe noch keinen lebenden Wolperdinger in unserem Freilichtmuseum entdeckt. Aber schauen Sie doch selber nach. Und selbst wenn Sie keinen finden, so können Sie bei uns im altbayerischen Dorf den Sommerfrischlern von einst nachfühlen.
Wenn Sie mit der Bahn zu uns nach Neuhaus fahren, eventuell sogar noch am Schliersee in das Wasser springen und dann zu uns ins Freilichtmuseum wandern, haben Sie eh schon das meiste getan, was zur Sommerfrische von einst gehörte. Dann fehlt Ihnen nur noch die deftige Verpflegung, die die Städter damals von der Bäuerin serviert bekamen und sehr schätzten. Doch keine Angst, auch darauf müssen Sie in unserer Museumswirtschaft nicht verzichten. Und das Bier, das wir brauen wie vor 300 Jahren rundet den Genuss ab. Also dann, die Sommerfrische kann beginnen.