Veröffentlicht am 06.11.2020 03:23

Ein gefrorener Mikrokosmos

Seit Anfang der 90er Jahre steht der Lebensmittelladen an der Tegernseer Landstraße, Ecke Spixstraße, leer. Jetzt wird er für ein Kunstprojekt wieder zum Leben erweckt. (Foto: bs)
Seit Anfang der 90er Jahre steht der Lebensmittelladen an der Tegernseer Landstraße, Ecke Spixstraße, leer. Jetzt wird er für ein Kunstprojekt wieder zum Leben erweckt. (Foto: bs)
Seit Anfang der 90er Jahre steht der Lebensmittelladen an der Tegernseer Landstraße, Ecke Spixstraße, leer. Jetzt wird er für ein Kunstprojekt wieder zum Leben erweckt. (Foto: bs)
Seit Anfang der 90er Jahre steht der Lebensmittelladen an der Tegernseer Landstraße, Ecke Spixstraße, leer. Jetzt wird er für ein Kunstprojekt wieder zum Leben erweckt. (Foto: bs)
Seit Anfang der 90er Jahre steht der Lebensmittelladen an der Tegernseer Landstraße, Ecke Spixstraße, leer. Jetzt wird er für ein Kunstprojekt wieder zum Leben erweckt. (Foto: bs)

Wie hören sich Münchens Straßen und Plätze an? Wie klingt die Stadt? Neben dem sichtbaren öffentlichen Raum gibt es vielfältigste unsichtbare Räume des Hörbaren. Acht Münchner Künstler haben den Wettbewerb „Frequenzen“ des Kulturreferates gewonnen und zeigen in ihren temporären Arbeiten nun die große Bandbreite der klanglichen Dimensionen im öffentlichen Raum.

Das Projekt „Songs of the Siren“ von Emanuel Mooner findet an drei verschiedenen Orten statt. Im Mai war es das „House of good Memories“ im Stadtteil Freimann, jetzt handelt es sich um einen ehemaligen Tante-Emma Laden, mitten in Giesing. Denn der 1972 in München geborene Künstler arbeitet mit der Atmosphäre des leer stehenden Lebensmittelladens in der Tegernseer Landstraße 155. Einst kauften hier die Arbeiter des Agfa-Camerawerks Verpflegung für ihre Schicht. Seit etwa 1990 aber betrat keine Kundschaft mehr das Geschäft. Eine Stadtautobahn entstand quasi direkt vor der Ladentür, der Mittlere Ring wurde siebenspurig ausgebaut. Das Agfa-Werk wurde 2007 gesprengt.

Das Ende der Tegernseer Landstraße (TeLa) ist eine der lautesten Gegenden der Stadt München, mit Feinstaub und Autolärm belastet. Doch der vermeintliche Unort birgt in sich eine intakte Welt, einen in der Zeit gefrorenen Mikrokosmos. Mit akustischen Mitteln schafft der Künstler Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Verfall und Neubeginn. So erweckt dieser verlassene Ort den Eindruck, als sei es noch nicht allzu lange her, dass es sich um einen recht belebten Raum gehandelt haben muss. Die alten Steinkrüge, eine alte Waage, Gewichte, sogar handgeschriebene Preislisten – alles das zeugt von einer Welt, die ferner kaum sein könnte, als mitten auf einer der verkehrsreichsten Straßen Münchens.
Emanuel Mooner stellt mit seiner temporären Aktion eine Verbindung her, zwischen dem aktuellen Außen, und dem still anmutenden Inneren. Seine Installation, die er auch selbst als „Akustisches Environment“ bezeichnet, holt die lärmintensiven Geräusche, das rasende Tempo von draußen, in den kleinen Kramerladen wie mit hinein. Seine Mittel der akustischen Verfremdung lassen die Besucher im besten Fall beide Gegenpole intensiv wahr nehmen – Vergangenheit, Gegenwart, Verfall und Neubeginn.
Zu sehen sein werden in dem vielleicht 50 Qudratmeter großen Raum auch altmodische Fernsehgeräte. Seit der Umstellung von analog auf digital erhalten diese Röhrenfernseher keinen Empfang mehr. Hier, an dem nun neu belebten Ort, gibt es allerdings die Möglichkeit sich selbst auf Entdeckungsreise zu begeben und im besten Wortsinne interaktiv zu werden. Denn auf dem Bildschirm der alten TV-Geräte werden die Geräusche unserer schnelllebigen Zeit sichtbar werden. Es wird dunkel sein an diesen Nachmittagen – Interessierte können aber mit Hilfe ihres Smartphones oder einer altmodischer Taschenlampen ein Stück Giesinger Stadtteilgeschichte erkunden.
Eröffnet wird die Ausstellung "White Noise: Musique Nonstop" am Freitag, 28. Juni, um 19 Uhr, zu sehen ist sie bei freiem Eintritt von 29. Juni bis 12. Juli täglich von 15 bis 19 Uhr. Ein Künstlergespräch findet am Freitag, 5. Juli, um 18.30 Uhr statt.
Der dritte Teil des Kunstprojekts „Songs of the Siren“ läuft übrigens von 19. Juli bis 2. August und wird ebenfalls täglich zwischen 15 und 19 Uhr zu sehen sein: diesmal im Stadtteil Denning, in der Graudenzer Straße 11.

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