Keinesfalls eine Gaudi, sondern leichtsinnig und sogar lebensgefährlich ist es, sich unbefugt auf Gleise zu begeben, auf Bahnwaggons zu klettern oder ähnliches. Weil es in den vergangenen Wochen in der Region zu mehreren Unfällen gekommen ist, haben Bundespolizei und Polizei München eindringlich vor den Gefahren auf Bahnanlagen gewarnt. Der Appell richtet sich vor allem an junge Leute.
Drei ähnliche Unfälle ereigneten sich Anfang Juli innerhalb weniger Tage. Am 4. Juli erlitt ein Jugendlicher am Bahnhof Wolfratshausen schwere Verletzungen, nachdem er in eine Oberleitung gegriffen hatte. Nach Angaben der Polizei war der 14-Jährige mit zwei Begleitern auf zwei abgestellte Kesselwaggons geklettert, wo er sich aufrichtete und die Leitung berührte. Der Stromschlag warf den Jugendlichen zu Boden. Er überlebte zwar, allerdings wurden 80 Prozent seiner Körperfläche bei dem Unfall verbrannt.
Ein anderer junger Mensch kam bei einem ähnlichen Unfall sogar ums Leben. Am frühen Morgen des 7. Juli kletterten zwei 19-Jährige auf einen abgestellten Waggon am S-Bahnhof Trudering. Einer der beiden kam in Kontakt zur starkstromführenden Oberleitung und erlitt einen Stromschlag. Am 9. Juli erlag der 19-Jährige im Krankenhaus seinen schweren Brandverletzungen. Der andere 19-Jährige erlitt keinen Stromschlag, fiel aber vom Waggon und verletzte sich leicht.
Nur wenige Tage später, am 13. Juli, kletterte ein 15-Jähriger, der auf dem Heimweg vom Poinger Volksfest war, am S-Bahnhof Feldkirchen auf einen abgestellten Kesselwagen - und stellte sich auf den Wagen, um von diesem zu urinieren. Dabei bekam der Jugendliche einen Stromschlag und stürzte fünf Meter in die Tiefe. Durch den Stromschlag erlitt er schwere Verbrennungen an Beinen und Kopf, durch den Sturz weitere Verletzungen.
Von einem Trend unter Jugendlichen will die Polizei nicht sprechen. In den gängigen sozialen Medien wie TikTok oder Instagram sei aktuell keine „Challenge” nachweisbar, sagt Sebastian Hermann, Sprecher des Polizeipräsidiums München. Grund zur Sorge geben die Unfälle freilich dennoch, gerade weil die Sommerferien begonnen haben und Jugendliche nun mehr Freizeit haben. Sinnvolle Möglichkeiten, diese zu füllen, gibt es viele - Klettern auf Waggons oder Mutproben auf Gleisen sind definitiv keine. „Bahnanlagen sind keine Spielplätze”, betont Sina Dietsch, Sprecherin der Bundespolizei München.
Bereits das Betreten von Gleisen, um auf dem Weg zum Bahnsteig abzukürzen, ist außerhalb der zugelassenen Wege verboten. Geschlossene Schranken sind in jedem Fall zu beachten. Auf einem Bahngleis herrscht immer Lebensgefahr! Die modernen Züge würden immer schneller, erläutert Dietsch. Sie erreichen Geschwindigkeiten von durchschnittlich 160 km/h und fahren immer auf Schienen, können einem Hindernis also nicht ausweichen. Der Bremsweg kann bis zu einem Kilometer lang sein. Außerdem würden die Züge immer leiser, ergänzt Polizeisprecherin Dietsch. Man könne sich daher nicht darauf verlassen, die Bahn schon rechtzeitig zu hören.
Dazu kommt noch die immense Gefahr durch den Strom, der bekanntlich weder sichtbar noch hör- oder riechbar ist. Die Oberleitungen der Bahn führen eine Spannung von bis zu 15.000 Volt - das sind 65-mal mehr als in haushaltsüblichen Steckdosen. Auch wenn die Leitungen nicht berührt werden, kann es über mehrere Meter zu einem Stromüberschlag kommen. Strom ist in der Lage, die Luft zu überspringen und auf einem Lichtbogen über den Körper zur Erde zu gelangen. Der menschliche Körper, der zu zwei Dritteln aus Wasser besteht, fungiert dann als „leitender Gegenstand“.
Deshalb sollte es auch tunlichst unterlassen werden, Gegenstände auf Leitungen zu werfen, Flüssigkeiten darauf zu kippen oder gar darauf zu urinieren. Beim Klettern auf Waggons kommt zu der tödlichen Gefahr durch die Oberleitungen noch die hohe Sturzgefahr hinzu, nicht zuletzt durch die Sogwirkung vorbeifahrender Züge.
Um insbesondere Kinder, Jugendliche und Heranwachsende umfassend über die Gefahren aufzuklären, hat die Bundespolizei auf ihrer Internetseite ein Aufklärungsvideo über die Gefahren im Bahnverkehr veröffentlicht (zu finden auf www.bundespolizei.de, in der Mediathek unter „Sicher im Alltag”). Zu sehen sind darin schwere Brandverletzungen, die abschreckend wirken sollen. Das Video wird über die sozialen Medien verbreitet, Plakete mit QR-Code sind geplant. Zudem haben Bundespolizei und Polizeipräsidium München zwei Flyer veröffentlicht, von denen sich einer gezielt an junge Leute und einer an Erwachsene richtet. Darin gibt es neben Warnhinweisen auch Aufklärung, wie man sich nach einem Unfall mit Bahnstrom als Ersthelfer verhalten sollte.
Die Polizei bittet nun eindringlich alle Bürgerinnen und Bürger, besonders aber Eltern und Personen, die mit jungen Menschen arbeiten, die wichtige Botschaft zu verbreiten und dadurch mitzuhelfen, weitere schlimme Unfälle zu verhindern.