Laim ist eine von schmucken Gärten durchsetzte Vorstadt. In 20 bis 30 Jahren wird sich das Gesicht des Viertels möglicherweise stark verändert haben. Statt kleiner Häuser in großen Gärten, könnten dann große graue Kästen ohne jedes Grün das Bild des einstigen Dorfes prägen. Fest steht: Über die Zukunft des Quartiers wird in diesen Tagen entschieden. Deswegen gab es bei der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses Laim (BA 25) große Aufregung um eine Entscheidung der Grünen gegen das Grün.
Kurz vor Ende der Sitzung erläuterte die Vorsitzende des Unterausschusses (UA) Planen/Bauen, Anette Zöllner (CSU), verschiedene Bauvorhaben im Stadtteil. Unter anderem ging es um den Neubau von vier Doppelhaushälften mit Garagen in der Agricolastraße. Zöllner und Gerhard Krämer (CSU) sowie Carsten Kaufmann und Wolfgang Merkle (beide SPD) hatten das Vorhaben zuvor in der UA-Sitzung „mit Entschiedenheit“ empört abgelehnt. Allein Richard Geier (Grüne), von Beruf Architekt, erklärte, so Zöllner, das Projekt werde von den Grünen unterstützt. Auch gegen den Beschluss des UA. Überdies habe Geier ausdrücklich darauf bestanden, seinen Einwand im Sitzungsprotokoll entsprechend festzuhalten.
„Mit dieser unsäglichen Art rückwärtiger Bebauung sollen wieder einmal alte schöne Bäume im Kahlschlagverfahren gefällt und eine wertvolle Grünfläche zugebaut werden“, schimpft die Mehrheit der Abgeordneten des Stadtteilparlaments. Die um ein Gebäude herum jeweils verbleibenden – vom Baurecht zugelassenen Abstände – seien so minimal, dass es auf keinen Fall mehr möglich sei, Freiflächen attraktiv zu gestalten. Geschweige denn, Ersatzbäume zu pflanzen, trug Zöllner im BA vor. Stattdessen werde fast alles mit Wegen, Garagen, Zufahrtsstraßen, Müllhäuschen und Terrassen zugepflastert werden.
Trotz der vorgetragenen Bedenken votierten dann Ingo Benn, Fraktionssprecher der Grünen und Richard Geier im BA für die Doppelhäuser. Die Grüne Lisbeth Haas schloss sich ihnen nicht an: „Ich bin mehr für das Grün.“ Jutta Hofbauer von den Grünen war nicht anwesend. Alle übrigen BA-Mitglieder stimmten für das Grün. Bei Geiers Kommentar, die Stadt mit Gebäuden zu verdichten, sei gerechtfertigt, um das Umland vor diesem Schicksal zu bewahren, trauten die BA-Mitglieder ihren Ohren nicht. Noch mehr meinten sie, sich verhört zu haben, als der Grüne vortrug, „grüne Lungen” könne sich heutzutage in München keiner mehr leisten. Später fragten die verblüfften Lokalpolitiker, ob sie denn völlig falsch lägen, wenn sie sich zu erinnern meinten, dass die Grünen früher um jeden einzelnen Baum gekämpft hätten. Sich sogar an Bäume hätten ketten lassen, um zu verhindern, dass sie gefällt würden. Viele fragten sich, woher kommt solch ein Sinneswandel?
„Irrungen und Wirrungen der Grünen im Bezirksausschuss Laim“ nennt die CSU Laim-West das in einer Pressemitteilung. „Als in der deutschen Parteiengeschichte wohl einzigartigen Fall“ bezeichnet der Vorsitzende Peter Hausmann das Verhalten. Hausmann: „Die Grünen stimmten gegen den Erhalt des Baumbestandes und für eine spezielle Form von baulicher Nachverdichtung. Die Vertreter von CSU, SPD und FDP hingegen sprachen sich für den Erhalt des Gartencharakters von Laim aus.“
Für den Unterausschuss Planen/Bauen ist das Projekt in der Agricolastraße ein weiteres Beispiel für eine Reihe von Anträgen dieser Art in Laim. Wenn von der Stadt nicht mit geeigneten baurechtlichen Instrumenten gegengesteuert werde, führe das zu übermäßiger Verdichtung und zu einer abstoßenden Fehlentwicklung, fürchtet das Gremium. Anette Zöllner: „Das bedeutet, dass über kurz oder lang Einfamilienhäuser und schöne Gärten mit altem Baumbestand – die doch Laims Gartenstadtcharakter ausmachen – verschwunden sein werden und damit die Lebensqualität im Viertel verloren wäre.“ Sie ist „mehr als verwundert” über die Zustimmung der Grünen, auch zu anderen „ähnlich abstoßenden Bauvorhaben“, bei denen „ohne jede sachliche Notwendigkeit alles Grüne plattgemacht werden soll.“ Die UA-Vorsitzende will „bei allem Verständnis” für eine maßvolle bauliche Nachverdichtung die städtebauliche Qualität im Blick behalten.
Richard Geier legt Wert darauf, festzuhalten, dass er keineswegs „jede” bauliche Nachverdichtung gutheiße. „Ich bin für eine sinnvolle Nachverdichtung in der Stadt, wo keinem Licht und Luft weggenommen wird.“ „Rein rechnerisch” müssten auf diese Weise im Umland weniger Flächen versiegelt werden. Ingo Benn weist darauf hin, die Fraktion der Grünen betrachte jeden Fall einzeln und jedes Mitglied wäge das Für und Wider jeweils ab. Benn: „Ziel muss es sein, in Laim bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Das kann durch behutsame Nachverdichtung erreicht werden.“ Andernfalls seien gerade junge Familien gezwungen, München zu verlassen und im Randgebiet zu wohnen.