Veröffentlicht am 01.06.2022 00:00

Ein verfallendes Haus – ehemals die Allacher Porzellan-Manufaktur


Von Walter Demmel
Bild 1 (Foto: Allitera Verlag)
Bild 1 (Foto: Allitera Verlag)
Bild 1 (Foto: Allitera Verlag)
Bild 1 (Foto: Allitera Verlag)
Bild 1 (Foto: Allitera Verlag)

Da im Oktober dieses Jahres im Allitera Verlag mein Buch „Allacher Porzellan. Geschichte einer Manufaktur im Nationalsozialismus“ (Bild 1) erscheint, möchte ich für unseren Stadtteil vor allem auf den noch vorhandenen und immer mehr verfallenden Bau in der heutigen Reinhard-von-Frank-Straße 8, der ehemaligen Lindenstraße, aufmerksam machen. Dieser war in den Jahren 1935 bis 1945 der Ausgangs- und Mittelpunkt der oben genannten Porzellan-Manufaktur, die in der Zeit des Nationalsozialismus für die Porzellankunst eine unübersehbare Rolle spielte.

Vielen Untermenzinger und Allacher Mitbürgerinnen und Mitbürger ist dieses Haus aber mehr unter dem Namen „Kalfany“ bekannt, weil dort ein Herr Karl Berger mit seiner Frau Fanny von 1952 bis 1970 eine Bonbonfabrik unter diesem Namen betrieb. Das ca. 2.300 qm große Grundstück verkaufte er dann um ca. 440.000 DM an die westlich benachbarte Firma Krauss-Maffei. Der Wert des Grundstücks, das einem mir bekannten Eigentümer gehört, ist heute schwer abzuschätzen.

Mit einem Kaufvertrag in Selb beginnt 1927 die Vorgeschichte des Allacher Porzellans. Mit der notariellen Kaufurkunde wird klar, wer und was Franz Nagy – Nagi, wie man ihn in unserem späteren Stadtbezirk nannte – war, was er sich von wem in der damals noch selbständigen Gemeinde Allach bei München kaufte und wann er dies tat. Wie man aus meinen Einzeichnungen ersieht, ist aus dem Jahr 1922 (Bild 2), der Kaufvertrag wurde am 14. April 1927 zwischen einem Herrn Gustav Stier, Eisenbahn-Oberingenieur aus Dachau, und dem damals bei der Porzellanfabrik Rosenthal in Selb als Fabrikbeamter angestellten Franz Nagy abgeschlossen.

Bereits 1931 begannen die Jahre der Bauplanung mit einem „Wohnhausbau für Herrn Franz Nagy, München, auf dem Grundstück in Allach PL. Nr. 1180 1/11“, die ein Josef Maller in Angriff nahm. Nagy wohnte damals noch mit seiner Familie in Selb-Plößberg. Vermutlich war das Grundstück in Allach zunächst für ein künftiges Wohn- und Betriebsgebäude der Familie Nagy mit einer großen Keramikwerkstätte im Keller, zwei Atelier-Zimmern und einem Büro im Erdgeschoss und Privaträumen im Ober- und Dachgeschoss vorgesehen.

Dann kam 1932 der Kauf eines Privathauses in der Parkstraße 16 (heute Rueßstraße), was sicher zu einer Planungs- und Bauverzögerung in der Lindenstr. 8 führte. Auf diesen interessanten Kauf kann hier nicht weiter eingegangen werden. Im Juli 1933 fertigte dann der Münchner Bauunternehmer Braun einen neuen „Plan über Erbauung einer Keramischen Werkstätte für Herrn Franz Nagy …“ Das Geschäftsgrundstück (Bild 3) war, wie aus der Karte ersichtlich ist, nur ca. 500 m vom neuen Privatgrundstück (Bild 4) entfernt. Das Privathaus wurde vor einigen Jahren abgerissen, der Neubau hat heute eine Nummer der Lindemannstraße.

Die Planungen mit Braun zogen sich hin, der Keller erhielt aber ein Fundament für einen Brennofen, das Erdgeschoss eine Keramische Werkstätte mit dem zentralen Brennofen. Man kann vermuten, dass bereits zu dieser Zeit eine Trennung von Privat und Geschäft in Erwägung gezogen war. Ein neuer Grundriss, versehen mit einem geänderten Lageplan, war im April 1934 von Braun und vom bekannten Untermenzinger Bauunternehmer Markus Albinstetter aus der Esmarchstr. 18 unterschrieben worden. Albinstetter führte zu dann neuen Bedingungen den Bau im April 1935 aus.

Nagy wohnte inzwischen allein in Selb-Stadt, seine Frau mit den Kindern schon im eigenen Haus in der Untermenzinger Parkstr. 16. Lindemannstr. 8 war nun zum reinen Gewerbebau geworden, für den Franz Nagy eine Bestätigung der Handwerkskammer erhielt, die 1945 nochmals erteilt wurde. Der Preis des Fabrikgebäudes lag inzwischen weit über dem ursprünglich von Braun angedachten und ist aus der Rechnung Albinstetters vom 22. Dezember 1935 als bereits bezahlt zu ersehen: 26.835 RM!
Wie dann die Gründung der „Porzellan-Manufaktur Allach/München GmbH“ erfolgte, ist in aller Ausführlichkeit in meinem künftigen Buch nachzulesen. Das zugehörige Gebäude sieht heute so aus (Bild 5): Die Wiege der Allacher Porzellan-Manufaktur ist so alt wie ich geworden, das Innere des Haupt- und der noch bestehenden An- und Nebenbauten kann man nur mehr mit einem Bau-Schutzhelm betreten. Ich habe davon schon vor Jahren viele erschreckende Fotos gemacht.

north