Veröffentlicht am 25.01.2010 17:53

„Kulturkampf” um Tram-Westtangente

Für die Tram-Westtangente streiten die SPD-Politiker: (v.l.) Verena Dietl, Ulrike Boesser, Hans Bauer, Gerhard Fries, Frauke Bristot und Martha Mertens. (Foto: tg)
Für die Tram-Westtangente streiten die SPD-Politiker: (v.l.) Verena Dietl, Ulrike Boesser, Hans Bauer, Gerhard Fries, Frauke Bristot und Martha Mertens. (Foto: tg)
Für die Tram-Westtangente streiten die SPD-Politiker: (v.l.) Verena Dietl, Ulrike Boesser, Hans Bauer, Gerhard Fries, Frauke Bristot und Martha Mertens. (Foto: tg)
Für die Tram-Westtangente streiten die SPD-Politiker: (v.l.) Verena Dietl, Ulrike Boesser, Hans Bauer, Gerhard Fries, Frauke Bristot und Martha Mertens. (Foto: tg)
Für die Tram-Westtangente streiten die SPD-Politiker: (v.l.) Verena Dietl, Ulrike Boesser, Hans Bauer, Gerhard Fries, Frauke Bristot und Martha Mertens. (Foto: tg)

Die Münchner Tram erlebt eine Renaissance. Wie in anderen Großstädten Europas soll das in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts als altmodisch und unattraktiv aus dem Verkehr gezogene Transportmittel heute helfen, Probleme, die der Verkehr der Stadt beschert, zu lösen. Ein Grundsatzbeschluss des Münchner Stadtrats sieht eine neue Tramstrecke vor, die vom Romanplatz über die Fürstenrieder Straße bis zur Aidenbachstraße führen soll: die Tram-Westtangente. Auf einer Länge von 8,7 Kilometern wird die Linie fünf Bezirke durchqueren: Neuhausen-Nymphenburg, Laim, Sendling-Westpark, Hadern und Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln.

Ziel dieses Vorhabens – einer der wichtigsten verkehrspolitischen Pläne der Landeshauptstadt – ist es, das Netz für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr durch eine „tangentiale Verbindung“ zu ergänzen. Das Projekt biete gleichzeitig die Chance, das Umfeld aufzuwerten, heißt es aus dem Rathaus. Demnach ist geplant, den Romanplatz, die Wotanstraße, die Fürstenrieder- und die Boschetsrieder Straße sowie den Ratzingerplatz umzugestalten und auf diese Weise attraktiver zu machen. Mit ihrem Beschluss hatte die rot-grüne Stadtratsmehrheit den Weg für die Planung frei gemacht. CSU, FDP und Freie Wähler stimmten dagegen. Sie befürchten lange Staus und halten die Maßnahme für zu teuer. Die CSU in Laim fordert deshalb eine „realistische Verkehrszählung“ in der Fürstenrieder Straße.

„Altes aber bewährtes Verkehrsmittel”

Am vorigen Freitag betonten Lokalpolitiker der SPD bei einem „Hintergrundgespräch“ im Rathaus die „verkehrspolitische Notwendigkeit“ der Westtangente. Ulrike Boesser, Stadträtin und Mitglied im Planungsausschuss des Stadtrats, erläuterte die weiteren Verfahrensschritte für ein offizielles Genehmigungsverfahren, das dazu führen soll, ein „altes aber bewährtes Verkehrsmittel“ wiederzubeleben. Stadträtin Verena Dietl aus Laim und die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bezirksausschuss Laim (BA 25), Martha Mertens, drängten darauf „endlich die seit langem geforderte Strecke” durch die Fürstenrieder Straße zu verwirklichen. Sie meinen, dass sich dadurch die argen autobahnähnlichen Verhältnisse an der trennenden Hauptschlagader des Stadtteils entscheidend verbessern lassen. Die Vize-Vorsitzende des BA 20 (Hadern), Frauke Bristot und ihr Kollege Gerhard Fries, Sprecher der SPD Fraktion, forderten, sich von der „menschenunfreundlichen autogerechten Stadt“ zu verabschieden. Hans Bauer, der Vorsteher des BA 19 (Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln), fürchtet einen „Kulturkampf“ um die Tram. „Das Planfeststellungsverfahren läuft in den nächsten Kommunalwahlkampf hinein. Schießen sich CSU und FDP darauf ein, wird die Tram zum Wahlkampfthema.“ Er findet: „Eine Legislaturperiode im Stadtrat reicht nicht aus, um ein solches Projekt durchzuziehen.“ Im BA 19 gebe es allerdings keinen Widerstand von Seiten der CSU.

Gespräche mit Bürgern

Ulrike Boesser erklärte, das Planungsreferat und die Stadtwerke seien beauftragt worden, eine Verkehrsprognose zu erstellen. Die solle bis Ende 2010 vorliegen. Boesser: „Experten gehen jetzt von einem Fahrgastpotenzial von 18 000 Personen pro Tag aus.“ Im Laufe des Jahres würden darüber hinaus Gespräche mit den Menschen in den betroffenen Vierteln und den Betreibern anliegender Geschäfte geführt werden, um die ins Boot zu holen. Sobald dem Stadtrat die notwendigen Eckdaten vorlägen, stehe ein erneuter Stadtratsbeschluss, voraussichtlich im Dezember dieses Jahres, an. Mit dem Bau könne frühestens 2014 begonnen werden.

Ob und wie schnell die Tram für den Münchner Westen kommen wird, hängt indes von mehreren anderen Faktoren ab. Das ist auch den SPD-Tram-Verfechtern klar. Martha Mertens betonte, der BA Laim habe im Herbst 2009 den Antrag gestellt, den Bau der Umweltverbundröhre (UVR) – durch diesen weiteren Tunnel am Laimer S-Bahnhof soll die Tram einmal fahren – endlich anzugehen. Der Bau der UVR ist eng an den Bau einer zweiten S-Bahn-Strecke gekoppelt. Darüber ist bislang immer noch nicht entschieden worden. Ein „Hearing“ dazu sei für den 24. Februar im Landtag geplant, betonte Boesser. Werde die zweite S-Bahn-Strecke Wirklichkeit, so beteilige sich die Bahn an den Kosten für die UVR. Andernfalls steige der Anteil der Stadt um eine erkleckliche Summe, so die Stadträtin.

„Global denken, lokal handeln”

„Die Leute fahren lieber mit der Straßenbahn als mit dem Bus“, weiß Martha Mertens. So müssten häufig Schulkinder zurückbleiben, weil die Busse auf der Fürstenrieder Straße „total überfüllt” seien. Die Lage werde sich durch das neu entstandene Wohngebiet in Nymphenburg-Süd, durch die vielen Menschen, die dort lebten und arbeiteten, noch verschärfen. Das könnte durch die Tram verhindert werden, weil deren Kapazitäten wesentlich größer seien als die von Bussen. Mertens möchte, dass die Fürstenrieder Straße „endlich wieder” eine innerstädtische Straße wird, in der sich die Leute gerne aufhalten. Das könne mit der Tram gelingen, so die Sozialdemokratin.

Unterstützt von Verena Dietl kämpft Mertens für eine Flanierstraße ohne Leitplanken. Als Vorbild für die Laimer Einkaufsmeile, finden beide, könne die Maximilianstraße herhalten. Dort habe sich die Tram als leistungsstarkes Verkehrsmittel bewährt. Lärmprobleme sehen die SPD-Politiker kaum. Durch die neue Tram-Generation und begrünte Gleise seien manche Straßenbahnen, weil sie kaum zu hören seien, sogar „gefährlich leise“. „Wenn wir uns schon den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben haben, müssen wir auch danach handeln”, ist eins der vielen Argumente von Frauke Bristot für die Tram: „Getreu dem Spruch: Global denken, lokal handeln.“

north