Veröffentlicht am 09.02.2010 12:18

„Geiz ist nicht geil“

Professor Dr. Martin Schütte. (Foto: pi)
Professor Dr. Martin Schütte. (Foto: pi)
Professor Dr. Martin Schütte. (Foto: pi)
Professor Dr. Martin Schütte. (Foto: pi)
Professor Dr. Martin Schütte. (Foto: pi)

„Eine generelle Schelte des Investmentbankings ist nicht gerechtfertigt“, damit begann Professor Dr. Martin Schütte, als langjähriger Bankenvorstand ein echter Insider, sein Referat zum Thema „Die Finanzkrise – ein Werte-Thema“. Zur Veranstaltung geladen hatten „Die Grünen“ im Münchner Westen im Rahmen der politischen Frühschoppen. Wie brisant das Thema immer noch ist, zeigte sich an den rund 40 Teilnehmern, die im reservierten Nebenraum kaum Platz fanden.

Als wesentliche Ursachen der Krise diagnostizierte Schütte die Herausbildung einer Kultur der Maßlosigkeit, Skrupellosigkeit und des Größenwahns seit Ende der 90er Jahre und den Wandel des Bankensektors vom Dienstleister zur „Finanzindustrie“, die offensiv mit „Produkten“ handele. Dazu komme massiver Renditedruck durch Shareholder und Investoren und auf der anderen Seite eine immense Gier der Banker nach Gewinnen und Boni. Diese Entwicklung sei unreguliert völlig aus dem Ruder gelaufen mit immer komplizierteren und riskanteren Wertpapieren und irrsinnigen Boni. „Das funktionierte, solange 'die Party' lief nach dem Prinzip 'find the greater fool'“, so Martin Schütte. „Wenn sich der 'greater fool' nicht mehr fand – und das war nur eine Frage der Zeit – musste die Gewinn-Blase mit den von der realen Wirtschaft abgekoppelten, von faulen Krediten, zum Beispiel für US-Immobilien, durchsetzten Papieren platzen.“

Gier der Abnehmer

Eine unselige Rolle hätten dabei die Rating-Agenturen gespielt – und spielten sie immer noch, die im Auftrag der Banken deren Papiere bewerten und zugleich am Gewinn beteiligt seien. Der Investmenthandel unterliege außerdem nicht den strengen Regeln und der Aufsicht für das herkömmliche Bankgeschäft. Schütte betonte aber auch, dass alles nicht möglich wäre ohne die Gier der Abnehmer, also der Kunden. „Für wenige Prozent mehr Gewinnversprechen werden völlig undurchschaubare Risiken in Kauf genommen.“ Ein Gesetz gelte jedoch immer, nämlich dass mit dem Zins auch das Risiko steige.

Diskutiert wurden die Fragen, ob es richtig war, mit über 100 Milliarden Euro die Hypo Real Estate (HRE) zu retten und ob Deutschland bei der Regulierung allein vorangehen könne. Beides kommentierte Schütte mit einem klaren „ja“. Aufgrund des Misstrauens der Banken untereinander und der Bürger in die Banken habe der Staat das Vertrauen garantieren müssen, sonst wäre das Finanzsystem kollabiert. Schütte verwies auf die Folgen des Untergangs von Lehmann Brothers. Einen Alleingang Deutschlands sieht er positiv und die Gefahr der Abwanderung von Investmentbanking und –bankern unkritisch. „Wer soll den wohin gehen?“, fragte er. Da gehe es nur um ein paar Leute primär bei der Deutschen Bank. Im Wesentlichen finde das in London und New York statt.

Lösungsansätze

Martin Schütte sieht unter anderem folgende Lösungsansätze: Rückbesinnung auf das grundsätzlich andere Verständnis von sozialer Marktwirtschaft, Regulierung aller Marktteilnehmer inklusive der Ratingagenturen, ausreichende Eigenkapital-Unterlegung für alle Risikogeschäfte, Transparenz der Finanzprodukte und Handel ausschließlich über Börsen, Verbot von nackten Spekulationsgeschäften und Wetten ohne Bezug zu realem Grundgeschäft, wesentliche Verstärkung bei der Aufsicht.

Grünen-Sprecher Thomas Allner-Kiehling und Stadtvorstand Nikolaus Hönning bedankten sich bei Martin Schütte für den spannenden Vortrag und betonten die Übereinstimmung mit den Thesen von Bündnis90/Die Grünen. Schütte gab dann spontan sein Einverständnis, seinen Vortrag den Grünen auf Stadtebene und im Bayer. Landtag zur Verfügung zu stellen. Er betonte seine Bereitschaft, alles zu unterstützen, was zu einer Rückbesinnung auf fundamentale soziale Werte diene. Weder Geiz noch Gier seien geil und die Leute müssten sie wieder als das wahrnehmen, was sie in Wahrheit sind, nämlich massiv sozialschädlich.

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