Noch drücken sie die Schulbank: Alex, Meltem, Esra, Martin und Sebastian. Sie sind zwischen 13 und 15 Jahre alt und gehen in die Klasse 8 b der Hauptschule an der Schrobenhausener Straße. Für den Abschluss in der neunten Klasse erhoffen sie sich, ebenso wie ihre Klassenkameraden, gute Noten. Die sind wichtig, denn sie entscheiden mit darüber, ob Schulabgänger einen Ausbildungsplatz ihrer Wahl bekommen werden. Worauf es ebenfalls ankommt bei der Berufswahl, erfuhren die Schülerinnen und Schüler bei einem Projekt, das hilft sich zu orientieren. Eben dazu hatte die Praktikumsbörse für Hauptschüler der IG Feuerwache gemeinsam mit dem Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrum Westend eingeladen.
Durch die Veranstaltungsreihe sollen Klassen der Hauptschulen in der Ridler-, der Schrobenhausener- und der Fürstenrieder Straße die Möglichkeit bekommen, den Gewerbehof und in Frage kommende Betriebe, in denen junge Leute ausgebildet werden, kennenzulernen. Rudolf Boneberger, der Geschäftsführer des Gewerbehof- und Technologiezentrums, begrüßte bei der Eröffnungsveranstaltung die Laimer Schulklasse mit ihrem Lehrer Josef Jakob, die Leiterin der Praktikumsbörse Claudia Jovanovic, die Jugendsozialarbeiterin Sophia Droste sowie Gerhard Ameres, Leiter der IG Feuerwache. Boneberger erklärte, er wolle den Kontakt zu den Schulen vertiefen. Gleichzeitig vermittelte er den Jugendlichen Tipps, die ihnen beim Start ins Berufsleben helfen können.
„Früher gab es in den Hinterhöfen Schreinereien, Druckereien, Schlossereien, die klassischen Handwerksbetriebe eben“, wusste Boneberger über die Geschichte der Gewerbehöfe zu berichten. Die Handwerker seien nach und nach durch sanierte Wohnungen verdrängt worden. Woraufhin die Stadt München vor 20 Jahren erkannt habe: „Wir brauchen Gewerbehöfe!“ So seien überall im Stadtgebiet Gewerbehöfe entstanden. Der im Westend beherberge über hundert Klein- und mittelständische Bbetriebe: Schlosser, Schreiner, Elektriker, Design-Firmen, Drucker und vieles andere mehr. Auf die Frage von Gerhard Ameres, in welchen Berufen ausgebildet werde, sagte Boneberger: „Ungefähr die Hälfte der Firmen bilden aus und zwar quer durch alle Sparten. Das ist eine unglaubliche Vielfalt.“ Weil Handwerker Individualisten seien, riet Boneberger den Schülerinnen und Schülern: „Gehen Sie aktiv auf die Betriebe zu und erklären sie dem Meister, warum sie ausgerechnet bei ihm in die Lehre gehen wollen.“ Und weiter: „Wenn Sie selbst nicht wissen, warum Sie ausgerechnet dorthin wollen, wie soll er dann wissen, weshalb er Sie einstellen soll?“ Sein praktischer Tipp: „Rufen Sie an, schicken Sie Ihre Unterlagen und bitten Sie um ein persönliches Gespräch.“
Davon, wie es im Gewerbehof zugeht, konnte sich die Klasse bei der Firma „Demo Design Modellbau“ und in der „Druckerei Kieckens“ ein gutes Bild machen. Klaus Hinderegger, Design-Modellbauer und Industrie-Designer demonstrierte den jungen Leuten anhand eines Mobiltelefons, was den Modellbau ausmacht. „Bevor Firmen ein Produkt auf den Markt bringen, lassen sie es von uns bauen.“ Das von Modellbauern gefertigte Gerät müsse so aussehen wie das Original, es sei aber nur „gefaked“. Es sei eine gewollte Fälschung, die nicht funktioniere, aber vermittelt, wie das Gerät am Ende aussähe und wie es in der Hand liege. Bei Prototypen von Fahrzeugen würden in solchen Fällen natürlich kleinere Maßstäbe gebaut. Ein Cockpit, Parfüm-Flakons, ein Reiseföhn, ein Gerät, das registriert, wie sich ein Patient nach der Einnahme von Medikamenten fühlt und viele andere Dinge mehr sind bei „Demo Design Modellbau“ gefertigt worden. Zurzeit bildet der Betrieb drei Modellbauer aus. „Modellbauer ist ein toller Beruf. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Es ist nie das Gleiche“, sagt Klaus Hinderegger. Er nennt allerdings auch die Schattenseiten: Staub, Lärm und unregelmäßige Arbeitszeiten. Wer bei ihm Modellbauer werden wolle, „muss mich davon überzeugen, dass er den Beruf ergreifen will und dass er dreieinhalb Jahre Lehre durchhält.“ Hauptschüler mit einem qualifizierten Abschluss hätten neben Realschülern die besten Chancen.
In der Druckerei „Kieckens“ zeigte der Offset-Drucker Markus Lantenhammer den Jugendlichen, wie eine Druckmaschine funktioniert. Damit es nicht zu Fehldrucken komme, die ganz schnell mehrere tausend Euro kosten könnten, sei es nötig, äußerst aufmerksam zu arbeiten, erklärte er. Lantenhammer: „Wir müssen viel Gefühl haben, fast wie Künstler. Ein kleines Ruckeln und das Gesicht auf einem Plakat ist ganz blass.“ Deshalb sei es wichtig, die Maschine richtig einzurichten, bevor Tausende von Briefbögen, Visitenkarten oder Flugblätter durch die Maschine liefen. Josef Jakob, Klassenlehrer der 8 b, fand die Veranstaltung gelungen. „Dadurch lernen die Schüler Berufsbilder und ein Spektrum an Möglichkeiten kennen, von denen sie sonst nichts erfahren hätten.” Auch Sophia Droste und Claudia Jovanovic finden, das Projekt sei „unbedingt notwendig“. Denn: „Es ist wichtig, dass die jungen Leute von den Ausbildern direkt gesagt bekommen, worauf es ankommt.“ Auch wenn viele der Jugendlichen bereits wissen, was sie werden wollen – darunter Koch, Hotelkauffrau, Bankkauffrau, Modedesignerin – für den 14-jährigen Alex steht nach dem Besuch im Gewerbehof fest: „Ich will Modellbauer werden.“