Antonio Buongiorno aus der Gotthardstraße in Laim wird seinem Namen „Gutentag” durchaus gerecht. Aber: „Sonnenschein kann ich nicht verkaufen!“ Dabei hätte er seinem Nachbarn Harro Vareschi gern mit Sonne gedient. Denn der hatte den Platz vor seinem Haus in der Gotthardstraße 99 mehreren Nachbarn angeboten, weil die beim ersten großen Laimer Hof-Flohmarkt mitmachen wollten. Nieselwetter und später einsetzender Dauerregen vermasselten indes diese Pläne. Vareschi, der seit 40 Jahren mit Ballons jeder Art und Größe handelt, sponserte den Hof-Flohmarkt mit seinen bunten Ballons. An über 120 angemeldeten Verkaufsstellen, überall in Laim, zeigten gelbe, rote und blaue Ballons an: Hier verkaufen Bewohner im Hinterhof, im Vorgarten, in der Hofeinfahrt oder in der Garage, was sie selbst nicht mehr brauchen oder das, was ihnen im Wege steht.
Den Einfall einen solchen Markt zu veranstalten, hatte die Familie Pflugmacher aus der Ilmmünsterstraße. Die organisierte das Vorhaben auch. Die Pflugmachers hatten es sogar geschafft, mehrere Laimer Geschäftsleute für die Idee als Unterstützer zu gewinnen. Dass trotz Dauerregen und Fußball-Weltmeisterschaft viele Flohmarkt-Freunde mit Schirm und Straßenplan unterwegs waren, um die weit in Laim verstreut liegenden Verkaufsstellen zu finden, erstaunte selbst die Anbieter von nostalgischem Krimskrams und Kitsch, von nützlichen Haushaltsutensilien und von Elektrogeräten, von Möbeln sowie Kleidung. Wer vermutete, der erste Hof-Flohmarkt im Viertel sei ins Wasser gefallen, lag falsch. „Der Andrang von Familien und sogar jungen Leuten war groß“, hieß es allgemein. Vereinzelt wurden ganze Karawanen interessierter Käufer und Flohmarkt-Bummler beobachtet. „Es war wunderschön und die Stimmung war phantastisch.“ Christl Pflugmacher freut sich darüber, wie stark der Flohmarkt angenommen worden ist: „Toll, wie viele Leute sich daran beteiligt haben.“ Auch von Besuchern aus anderen Stadtteilen habe sie immer wieder gehört: „Ich wusste gar nicht, wie schön es in Laim ist.“
„Es fehlt nicht an Zuspruch. Die Frage ist nur, ob sich jemand dafür eigens auf den Weg macht.“ Stefanie Schwetz hatte mit Sohn Anders und einigen Nachbarn in einer Hofeinfahrt der Gotthardstraße ihren Stand aufgebaut. Sie stehe zu ihren Fehlkäufen, stoße sie allerdings auch wieder ab, erklärte sie. Der achtjährige Anders trug seine alten Spielsachen zum Markte: „Damit ich Geld verdiene.“ 13,50 Euro hatte er bereits am Mittag eingenommen, mehr als seine Mutter. Hanni Obermüller hatten Kauflustige schon um 8.30 Uhr den Garten in der Berchemstraße eingerannt. „Ich hatte kaum Zeit aufzubauen“, staunte sie. Die Laimerin hatte für den Flohmarkt ihren Speicher und ihre Radlhütte ausgeräumt. „Ich habe Kleidung, ein Milchkännchen, Kleinzeug, Bücher, Schallplatten und einen Radioapparat verkauft“, zählte sie auf. Und erklärte: „Der Hof-Flohmarkt ist eine Superidee. Es wäre schön, wenn er öfter stattfinden könnte.“
Michael Wenzel vom Laimer Weinhaus Laim.Gut in der Camerloherstraße hatte den Vorplatz seines Ladens elf Ausstellern zur Verfügung gestellt. Trotz des Regens war auch dort das Interesse an allem, was feilgeboten wurde, groß. „Bei mir gibt es alles. Vom Handy bis zum Hirschhornknopf.“ Walter Schinkos Stand war ständig umlagert. Nippes und Nützliches konkurrierten um die Gunst der Käufer. So war Schinko am Samstagnachmittag mit dem Erlös „sehr zufrieden“. Seine Devise: „Man muss sich altersbedingt von alten Dingen lösen.“
Bücher, Hörspielkassetten für Kinder, Schallplatten und Plüschtiere gingen bei den Knillings in der Perkhoferstraße weg wie warme Semmeln. „50 Leute waren auf alle Fälle da. Die ersten bereits um 9 Uhr“, berichtete Elisabeth Knilling. Zeitweise habe es geradezu wie bei einer kleinen Völkerwanderung ausgesehen.
Ein paar Straßenzüge weiter, in der Altmannstraße, fand Bernhard Kroiß: Wir sind mit dem Ergebnis recht zufrieden. Ich habe schon in der ersten Stunde viel verkauft.“ Kroiß ist Vorstand der Siedlervereinigung Fachnerstraße. Er hatte deren Mitglieder telefonisch informiert und animiert, mitzumachen. Er habe sich heftig ins Zeug gelegt: „Damit die Nachbarschaft zueinander findet und in unserer Siedlung endlich mal was los ist.” Es müsse „Leben rein“ ins Viertel. Der Markt sei ein gelungenes Experiment gewesen. Es gelang derart gut, dass einige Nachbarn der Altmannstraße sogar trotz des unaufhörlichen Regens einen Schwatz auf der Straße hielten. Alex Schörg, Kroiß’ Nachbar, wurde in dessen Garage fündig. Eine rostfreie Gartengabel war genau das Werkzeug, das ihm noch fehlte. Irina Tannous schwankte, ob sie bei Kroiß ein Steak-Besteck für drei Euro kaufen sollte. Im Grunde war’s ihr wurscht. Ihr ging es um die „tolle Atmosphäre“ in den Hinterhöfen. „Wiederholenswert“ fand auch Ursula Härtl die Hof-Flohmärkte. Unter anderem deswegen, weil es so praktisch sei. „Man muss die Sachen nicht irgendwohin schleppen.“ Sie sei froh, wenn sie erlebe, dass Privatleute ihre Sachen noch gut brauchen könnten.
Trotz der „vielen Arbeit“, die der Markt machte, wissen Christl und Bert Pflugmacher sowie Sohn Andreas schon jetzt: „Im nächsten Jahr wird es wieder ein ‚Flohmarkt-Fest’ geben.“ Darin bestärkt haben sie viele Laimerinnen und Laimer. „Von allen Seiten wurde uns zur gelungenen Organisation gratuliert“, freuen sie sich. Und: „Wir haben etwas bewegt.“